COMMUNITY-PORTALE statt SZENE?

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Unser Volk neigt zum Jammern. Alles ist irgendwie immer schlecht. Die schwule Szene macht da keine Ausnahme. Partys werden immer schlechter, Bars und Kneipen kennen viele nur noch dem Namen nach und meinen, hier sowieso keinen Stich machen zu können. Zum Glück gibt es das Internet. Zum Glück?

Foto: sergej

Seit dem Beginn des Internets und besonders seit den späten 1990er Jahren sprießen sie aus dem Boden Chat-, Foren- und Community-Portale, die alle eines versprechen: Finde dein Glück online. Triff dich mit zigtausend Gleichgesinnten. Nutze die schier unendliche Auswahl, um deine Bedürfnisse zu befriedigen. Und das scheint zu funktionieren. Eine Studie aus Großbritannien verglich die Zahlen schwuler Partnerschaften, die durch Onlineanbahnung entstanden sind: Sie stieg von 2,3 Prozent im Jahr 1993 auf 61,2 Prozent im Jahr 2003. Im gleichen Zeitraum, verschärft in den letzten Jahren, veränderte sich auch das Ausgehverhalten. Früher ging Mann noch aus, um Sex und Partnerschaft zu finden.

Foto: staxus

Der gute alte Barflirt war die Hoffnung, die die Nacht lebenswert erscheinen ließ. Heute treffen sich Freunde, um dann in Gruppen, fast hermetisch abgeriegelt, feiern zu gehen. Neue Bekanntschaften sind nicht erwünscht, störende Neulinge werden mitunter argwöhnisch beäugt oder gar ausgelacht. Kennenlernen auf einer Party? Nein Danke! Zu nah kommt da ein Fremder an die eigene Persönlichkeit heran. Dann doch lieber bei den Freunden den altbekannten bleiben und ebenfalls altbekannte Rituale inszenieren.

Doch wo bleibt die Spannung, die Angst, die Neugierde? Bezogen auf die Ausgehkultur ein absoluter Todesstoß. Und woher kommt er? Waren es nicht gerade wir, die sich so gefreut hatten, neue Freiheiten und gesellschaftliche Akzeptanz öffentlich feiern zu können? Natürlich. Aber trotzdem blieb die Überwindung, ein Schwuler auf einer schwulen Party zu sein. Mit der U-Bahn, dem Taxi oder zu Fuß Flagge zeigen zu müssen, nur um endlich auf Gleiche treffen zu können.

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Da kam das Internet gerade recht. Ein paar Klicks mit der Maus, und schon ist die schöne virtuelle Persönlichkeit aufgebaut. Das ganze bequem vom Sofa aus. Webcams, Videos und Bildergalerien überzeugen, dass hier Menschen Menschen treffen wollen, ohne je wirklich öffentlich werden zu müssen. Zudem sieben ausgefeilte Suchfunktionen jeden noch so kleinen Makel im Vorfeld aus. Vermeintlich kann das Glück wie aus dem Katalog bestellt daherkommen. Mit XL, braunen Augen, nur mittellangen Haaren und BMW fahrend soll er sein. Stunden und Tage verbringt der User damit, eigene Unzulänglichkeiten zu kaschieren und sein virtuelles Bild immer weiter zu verfremden. Kommt er dann, der Traumprinz, ist der Schritt in die Realität fast unmöglich, denn diese würde allzu schnell das alte Problem des Zwischenmenschlichen offenbaren. Also bleibt es immer öfter bei Cybersex, Pornokonsum und eben diesem virtuellen Cruisen ohne Ziel.

Sind also Community-Portale der Tod der Community? Es bleibt abzuwarten. Noch obliegen sie dem Reiz des Neuen. Tendenzen lassen ein Ja vermuten, denn gerade junge Schwule empfinden nicht mehr dieses Kribbeln im Bauch, wenn es das erste Mal auf eine Party geht das erste Mal ein Traumprinz tanzt. Alles schon erlebt, alles schon da gewesen. Zumindest virtuell.

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