INTERVIEW: Rassismusvorwürfe beim SchwuZ

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Erst war es ein kritischer Bericht in der taz. Dann ein Zweiter. Erst war es Leipzig, dann Berlin. Wie gehen linke und queere Klubs und Veranstalter mit Geflüchteten um, wie mit Rassismus und Sexismus? Sind die Probleme gravierend? In Leipzig zeigt sich das linke Veranstaltungszentrum Conne Island enttäuscht von der eigenen Politik, in Berlin steht das SchwuZ in der Kritik von außen. Wir fragten das SchwuZ-Team gut ein Jahr nach dem Beginn des Zuzugs von Kriegsflüchtlingen nach den Erfahrungen und versuchten herauszufinden, warum sich eigentlich ausgerechnet der bemühteste Klub der Stadt Vorwürfen über rassistische DJ-Bookings und Schlagertexte ausgesetzt sieht.

Foto: M. Rädel

WIE LÄUFT ES BEI EUCH IM UMGANG MIT GEFLÜCHTETEN?

Wir erkennen sicherlich Parallelen zum Bericht des Conne Island, denn auch wir bringen uns seit Monaten aktiv für den Abbau von Barrieren beim Klubbesuch für Menschen mit Fluchtgeschichte ein – so verschicken wir zum Beispiel Freikarten an die queere Unterkunft in Treptow sowie viele andere politische Projekte, die mit Geflüchteten zusammenarbeiten (MILES, GLADT LesMIgraS u. a.), bieten vergünstigten Eintritt für berlinpass-Inhaber/-innen, haben zwei Soli-Partys mit dem Titel „Refugees Welcome“ organisiert (Oktober 2015 und Mai 2016) und sammeln bei HOT TOPIC & Partysane regelmäßig Spenden für und zusammen mit Geflüchteten. Wir möchten als Zentrum für queere Kultur natürlich den Wünschen und Bedürfnissen aller Besucher/-innen entsprechen – so versuchen wir so oft wie möglich queere DJs und Performer/-innen mit Fluchtgeschichte zu buchen, um so gemeinsam einen inklusiven Raum zum Austauschen und Kennenlernen zu schaffen.

WAS KOMMT 2017 IN DIESEM BEREICH?

Ab 2017 wird es eine neue Partyreihe mit vornehmlich Middle-Eastern-Popmusik geben, also mit einer Mischung aus unter anderem arabischen, hebräischen, syrischen, ägyptischen Einflüssen. Damit kommen wir einem expliziten Wunsch unserer neuen queeren geflüchteten Stammgäste nach, über die wir uns sehr freuen. Wir arbeiten daran, mehr Mitarbeiter/-innen mit Fluchtgeschichte einzustellen.

WIE HABT IHR EUCH AUF DIE NEUEN GÄSTE VORBEREITET?

Genau wie das Conne Island haben wir unsere Hausordnung schon sehr früh und inzwischen in insgesamt elf Sprachen übersetzen lassen, etwa auch auf Russisch, Hebräisch oder Farsi. Diese hängt im Klub aus und wird zusätzlich von unserer diskriminierungssensibel ausgebildeten Türcrew per Handverteilung bereits am Einlass an die Besucher/-innen ausgegeben – es gibt also Überschneidungen bei den Strategien, mit dem neuen Publikum in Kontakt zu treten. Zusätzlich beschäftigt das SchwuZ seit diesem Sommer zwei queere geflüchtete Personen als arabische Übersetzer an der Tür, die in Konfliktsituationen bei der Vermittlung helfen und über das SchwuZ als LGBTQI*- Schutzraum aufklären.

Foto: Matthias Hamann/schwuZ.de

DAS CONNE ISLAND IN LEIPZIG ERKLÄRTE SEINE OFFENE POLITIK GEGENÜBER GEFLÜCHTETEN LAUT TAZ FÜR GESCHEITERT ...

Eine Überforderung mit den neuen Besucher/-innen können wir nicht ausmachen. Das Publikum hat sich teilweise verändert, und sicherlich sind im Zuge dessen auch für das SchwuZ neue oder ungewöhnliche Situationen aufgetreten, etwa der Besuch von größeren Gruppen vermeintlich arabischer und heterosexueller Männer, die klar übergriffiges Verhalten gegenüber weiblichen Besucherinnen gezeigt haben. An dieser Stelle steht für uns nicht im Vordergrund, hier eine Tätergruppe ausfindig machen zu wollen:

Diskriminierendes und übergriffiges Verhalten wird im SchwuZ nicht geduldet, ganz egal, von wem dies ausgeht.

Um darüber so schnell es geht in den Dialog treten zu können, haben wir die queeren Übersetzer/-innen mit Fluchtgeschichte eingestellt, um eben gegebenenfalls auch mit Menschen sprechen zu können, die aus dem arabischen Raum stammen und deren Deutsch- oder Englischkenntnisse vielleicht noch nicht ausreichen, um gleichberechtigt an einem solchen Gespräch teilzunehmen. Denn für uns ist es extrem wichtig, nachvollziehbare Entscheidungen, etwa auch im Falle eines „Rausschmisses“ oder Hausverbots, zu treffen. Durch jene Maßnahmen können wir einen deutlichen Rückgang problematischer Situationen verzeichnen.

WAS KÖNNEN EURE GÄSTE TUN?

Wir sind unbedingt auf die Hilfe unserer Besucher/-innen angewiesen, uns zu informieren, sobald sie sich unwohl fühlen oder übergriffige Verhaltensweisen beobachten – nur so können wir direkt vor Ort Hilfe leisten und unterstützend eingreifen.

Im Nachhinein zu beklagen, das SchwuZ habe sich verändert und sei zum Teil nicht mehr sicher, hilft uns allen nicht viel weiter – es verbreitet nur ein diffuses Gefühl darüber, einen nicht zu kontrollierenden Ausnahmezustand erreicht zu haben. Dabei können wir sehr wohl etwas unternehmen, wenn wir uns unwohl oder sogar angegriffen fühlen.

WIE REAGIERT IHR AUF UNBESTIMMTE „SPRECHVERBOT-ÄNGSTE“?

Dass oft die Angst vor ungerechtfertigten Rassismusvorwürfen Menschen davon abhält, Vorfälle zu melden, ist uns bekannt und natürlich ein Problem, das wir ernst nehmen und bei unseren Überlegungen mit einbeziehen. Wir setzen auch hier auf Dialog und werden künftig weiter daran arbeiten, die Hausregeln des SchwuZ und die Wege, sich vor Ort gegebenenfalls Hilfe zu suchen, für alle Besucher/-innen gut verständlich und sichtbar zu präsentieren.

Foto: M. Rädel

DIE TAZ HAT NACH DEM BERICHT ÜBER DAS CONNE ISLAND NACHGELEGT UND ÜBER EUCH BERICHTET. WIE KAM ES DAZU?

Bereits im Vorjahr hatte uns die taz zum Jubiläum interviewt und von aktuellen Entwicklungen am neuen Standort berichtet. Der Artikel war also eine Fortsetzung, die aufgrund der Berichterstattung aus Leipzig dieses Thema ins Zentrum gerückt hat. Uns hat es gefreut, die aktuelle Debatte um unsere Perspektive erweitern zu können, denn wir haben, wie gesagt, ganz andere Erfahrungen mit unseren neuen Gästen gemacht.

Schön wäre es auch, wenn mehr Berliner Klubs das zum Anlass nehmen würden, ihre eigenen Integrationsversuche zu verstärken und sichtbar zu machen.

Ein Austausch, wie er aktuell zum Beispiel mit dem SO36 und dem Südblock besteht, kann extrem fruchtbar sein und einen aktiven Beitrag zur Integrationsarbeit leisten.

TREFFEN EUCH VORWÜRFE WIE DIE VON DER INITIATIVE SCHWARZE MENSCHEN IN DEUTSCHLAND (ISD) UND DEM FEMINISTISCHEN FRAUENKOLLEKTIV?

Die Vorwürfe kamen nicht vonseiten der ISD und des Feministischen Frauenkollektivs, sondern wurden anonymisiert über diese Kooperations-Partner/-innen an uns herangetragen. Natürlich trifft uns das, andererseits sind wir auf solches Feedback angewiesen, wenn wir ein ernsthaftes Interesse haben, hier einen als möglichst sicher empfundenen Raum zu schaffen. Letztendlich ist daraus ein höchst erfreulicher Diskurs mit allen beteiligten Parteien entstanden, der schließlich in der Umbenennung der Soli-Veranstaltung „Black Lives Matter“ zu „Learning Solidarity“ mündete. Für uns ein gelungenes Beispiel hervorragender Bündnisarbeit innerhalb der queeren Communitys. Viel schwieriger ist es, mit Kritik umzugehen, die auf oberflächlichen Informationen beruht. So wurden wir zum Beispiel regelrecht attackiert für das fast au schließlich weiße Booking unserer Soli-Party „Black Lives Matter“, dabei hatten wir uns genau dazu im Vorfeld viele Gedanken gemacht:

Schwarze Menschen sollten bei dem Event nicht ohne Bezahlung arbeiten.

Der Vorwurf, wir hätten diese Überlegung nicht frühzeitig genug transparent gemacht, ist nachvollziehbar, allerdings wird oft vergessen, dass hier kein riesiges PR-Team am Werk ist. Deshalb wünschen wir uns eine realistischere Einschätzung der Geschehnisse, mehr Vertrauen und vor allem einen konstruktiveren Umgang mit Feedback.

Foto: Matthias Hamann/schwuZ.de

WIE WOLLT IHR IM UMGANG MIT DER QUEEREN SZENE VON PEOPLE OF COLOUR IN ZUKUNFT WEITERMACHEN?

Eigentlich denken wir, dass wir hier bereits auf dem richtigen Weg sind: Wir planen, erneut mit dem ISD und dem Feministischen Frauenkollektiv zusammenzuarbeiten und uns grundsätzlich mehr Expertise von außen zu holen, denn derzeit arbeiten kaum schwarze Menschen in unserem Team. Ansonsten sind wir nach wie vor offen für Vorschläge und Kritik. Natürlich maßen wir uns nicht an, strukturelle Probleme in kurzer Zeit lösen zu können, wir stellen uns auf einen andauernden Prozess ein. Eine nachhaltige Veränderung findet von innen heraus statt, das braucht viel Geduld und Ausdauer.

ZIGEUNERJUNGE“ MÜSSEN WIR NICHT NOCH MAL HÖREN, RICHTIG?

Bloß nicht. Ein naheliegender Gedanke nach Lektüre des taz-Artikels ist natürlich: „Warum verbietet das SchwuZ das Spielen solcher Lieder nicht einfach?“ Das tun wir, unter anderem über unsere Hausregeln. Aber wer kann schon Nacht für Nacht alle Floors und DJs überwachen? Hier gilt es eher zu informieren, zu sensibilisieren und so nach und nach unter Umständen über Jahrzehnte eingefahrene Strukturen langfristig aufzubrechen. Das Motto gilt übrigens für unseren gesamten Repolitisierungsprozess ...

•Interview: Christian Knuth

www.schwuz.de

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