AIDS-Hilfe Frankfurt - realistisch bleiben

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Foto: Michael Gottschalk

Das Robert Koch Institut RKI veröffentlicht jedes Jahr eine Statistik zur Situation von HIV-Infektionen in Deutschland. Carsten Gehrig, Fachbereichsleiter Psychosoziales und Prävention der AIDS-Hilfe Frankfurt, erläutert im Interview die Zahlen für Hessen und Frankfurt und stellt die neue Beratung für PrEP vor.

Carsten, wie sehen die Zahlen der Neuinfektionen für Hessen aus?

Wir haben für das Jahr 2016 in Hessen 260 Neuinfektionen, 210 Männer und 50 Frauen, davon sind 180 MSM (Männer die Sex mit Männern haben, Anm. d. Red.), 60 Heteros und 20 Drogengebrauchende. In Frankfurt gab es 91 Neuinfektionen. Die Zahlen sind relativ stabil, ein kleiner Rückgang ist zu beobachten, aber solche Schwankungen sind normal. Auf der einen Seite ist das gut, denn es bedeutet für uns, dass die Präventionsstrategien greifen, auf der anderen Seite ist da natürlich noch Luft nach oben und viel zu tun.

Die Zahl der Late-Presenter, also derjenigen, bei denen eine HIV-Infektion erst spät erkannt wird, ist hingegen gestiegen ...

Vor allem bei Leuten ab 50, weil sie denken, dass sie aus dem Thema ein bisschen raus sind, was aber nicht stimmt. Und wir haben auch einen leichten Anstieg bei den Heterosexuellen, ebenfalls in dieser Altersspanne; sie zählen sich selbst gar nicht zur Zielgruppe, von daher ist auch da noch Nachholbedarf. Die wenigsten gehen in Schwerpunktpraxen, sondern erst einmal zum Hausarzt, und die Hausärzte haben HIV oftmals gar nicht so auf dem Schirm. Die Deutsche AIDS-Hilfe entwickelt gerade ein PC-Tool für Allgemeinärzte, das bei bestimmten Symptomen einen Hinweis darauf gibt, dass eine HIV-Infektion möglich sein könnte.

Die PrEP ist inzwischen zugelassen, aber das ist in die Zahlen des RKI noch nicht eingeflossen?

Nein, das Präparat wurde ja 2016 schon zugelassen, aber damals war der Preis mit 850 Euro noch viel zu hoch. Seit Mitte Oktober 2017 gibt es das Medikament für 52 Euro pro Monat, was für die meisten bezahlbar ist. Das finden wir sehr gut. Auf der anderen Seite sind die umfangreichen Tests, die man zur PrEP-Verschreibung machen muss, derzeit noch privat zu zahlen. Wir haben mit den Schwerpunktärzten, der Uniklinik und dem Gesundheitsamt eine Arbeitsgruppe gebildet, die versucht, zumindest für Frankfurt einen einheitlichen Preis hinzubekommen. Parallel sind die Verbände dran, dass das Ganze eine Kassenleistung wird, zumindest die STI- und HIV-Tests. Denn die Kassen sagen derzeit noch, da kommt ein gesunder Mann und möchte eine PreP haben, das bezahlen wir nicht. Wenn man Symptome auf eine STI hat, werden die Tests und die Untersuchung natürlich bezahlt, aber bei der PrEP ist es ja anders.

Die AIDS-Hilfe bietet auch Beratung zur PrEP an; was wird dort vermittelt?

Unsere PreP-Beratung liegt im psychosozialen Kontext und findet im Rahmen des Main-Test im Switchboard und im KISS statt, sowie in unserer täglichen, offenen Sprechstunde hier in der Beratungsstelle der AIDS-Hilfe. Wir schauen, warum der Klient die PrEP möchte, ob er die PrEP überhaupt braucht und informieren darüber, welche Vorleistungen nötig sind. Die PrEP ist offiziell als Langzeittherapie zugelassen, daneben gibt es aber auch die sogenannte „on demand“-Einnahme, also nur zum speziellen Anlass. Zur „on demand“-Einnahme gibt es allerdings nur eine Studie, die auch ein bisschen umstritten ist; von daher wird die „on demand“-Einnahme kein Arzt empfehlen, und wir empfehlen das auch nicht. Wir klären auf, welche beiden Möglichkeiten es gibt, aber zugelassen ist nur die Langzeiteinnahme. Wenn man realistisch ist, weiß man, dass die Einnahme „on demand“ trotzdem angewandt wird. Aber wir empfehlen es nicht, die Entscheidung trifft allein der Klient. Und davon abgesehen ist man durch die PrEP zwar vor HIV geschützt, aber nicht vor anderen STIs wie Syphilis oder Hepatitis. Das Kondom ist nach wie vor das geeignete Präventionsmittel, das eben auch vor anderen Geschlechtskrankheiten schützt. Das Kondom zu verteufeln wäre Schwachsinn, und das tun wir auch nicht.

Generell gesprochen: Für wen kommt die PrEP denn in Frage?

Naja, wenn man es mal herunterbricht, dann sind das in erste Linie die Sexarbeiter und Leute, die Probleme haben, Kondome zu benutzen, weil sie dann keine Erektion bekommen. Das wären die Zielgruppen für die PrEP. Wobei man auch sagen muss, dass es bei den Sexarbeitern in der Realität schwierig ist, weil diejenigen, die die PrEP am nötigsten hätten, keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben, schon allein, weil die meisten Sexarbeiter nicht in einer Krankenversicherung sind. Und 50 Euro im Monat zu bezahlen ist für viele eben auch noch sehr viel Geld. Wir haben dafür noch keine Lösung, aber da müsste dringend etwas getan werden. Generell ist die PrEP eine neue Möglichkeit, um sich vor HIV zu schützen, allerdings nur für einen sehr eingeschränkten Kreis an Leuten; zum einen ist der Aufwand sehr hoch, man muss monatlich das Rezept besorgen und sich alle drei Monate untersuchen lassen, und die PrEP ist ja auch kein Lutschbonbon, sondern es handelt sich um ein HIV-Medikament. Hier muß ein bestimmtes Einnahmeregime eingehalten werden. Und es können Nebenwirkungen auftreten. Deswegen empfiehlt sich die PrEP auch nicht für jeden, und deswegen sagen wir auch, dass die PrEP-Beratung auf jeden Fall auch dazu da ist, um generell abzuklären, ob man überhaupt ein Kandidat für die PrEP ist. Unsere Beratung ersetzt aber nicht das Beratungsgespräch beim Arzt, es dient als Vorinformation.

Die AIDS-Hilfe Frankfurt hat ein Projekt zum Thema Poppers gestartet. Worum handelt es sich da?

Aus der Szene heraus haben wir seit gut einem Jahr mitbekommen, dass Leute, die Poppers benutzen, plötzlich über gesundheitliche Probleme mit den Augen berichtet haben. Das ging im schlimmsten Fall bis hin zur Netzhautablösung. Wir vermuten, dass das mit einer veränderten Rezeptur der neuen Poppers-Produkte zu tun haben könnte. Um zu erfahren, was in Poppers überhaupt drin ist, welche Inhaltsstoffe, und welche gesundheitlichen Risiken sie eventuell haben, haben wir ein Institut beauftragt und verschiedene Marken untersuchen lassen. da warten wir noch auf die Ergebnisse, und sind schon gespannt, was dabei herauskommt.

www.frankfurt-aidshilfe.de

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