Biblischer Abschied

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Foto: Kirsten Bucher

Die aus dem Paradies vertriebene erste Familie der Schöpfungsgeschichte hadert mit ihrem Schicksal, mit individueller Einsamkeit, mit tiefen erotischen Sehnsüchten: Während Urvater Adahm den Kampf um die bloße Existenz austrägt, fühlt sich seine Frau Chawa vernachlässigt; ihr älterer Sohn Kajin durchwandert die menschenleere Welt auf der hoffnungslosen Suche nach einer Frau, die sein Begehren zu stillen vermag, während sein jüngerer Bruder Chabel trotz einer tiefen Gottesliebe nicht Herr seiner Triebe ist. Der erste Mord der Menschheitsgeschichte ist auch ein Mord aus niederem Motiv: Kajin überrascht seinen Bruder im extatischem Liebesrausch, den er mit der einzigen Frau auslebt, die als Projektionsfläche erotischen Fantasierens taugt: ihrer beider Mutter Chawa.

Rudi Stephan verarbeitete als 27-Jähriger den rasch auf den Index gesetzten Theatertext des Schriftstellers Otto Borngräbers. Seine im Verhängnisjahr 1914 vollendete Partitur versprach eine spannende Entwicklung als Komponist, lotete Stephan doch wie seine Kollegen Schreker und Strauss die Grenzen der Tonalität so weit aus als eben möglich. Doch eine vielversprechende Stimme verstummte: Rudi Stephan fiel bereits 1915 an der Front, die Uraufführung erfolgte fünf Jahre später in Frankfurt.

Foto: Enrico Nawrath

Mit der Wiederentdeckung dieser Frankfurter Rarität verabschiedet sich Generalmusikdirektor Sebastian Weigle nach 15 Jahren aus seinem Amt. Die Wahl seiner Schlusskür zeugt vom Mut und uneitler Entdeckerlust, die das Leitungsteam der Oper Frankfurt seit Jahren auszeichnet. Mit Tobias Kratzer übernimmt zudem ein Regisseur die szenische Ausgestaltung, der es versteht, geistig reflektiert, nah am Stoff und zugleich publikumswirksam zu inszenieren. Das vierköpfige Ensemble ist überwiegend aus den exquisiten Reihen des Ensembles besetzt.

2.7., Oper, Willy-Brandt-Platz, Frankfurt, 18 Uhr, weitere Termine: 6., 9. (18 Uhr), 12., 15., 17., 20.7., 19:30 Uhr, www.oper-frankurt.de

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