Das sind die HIV-Neuinfektionszahlen in Hessen

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Foto: Miguel Á. Padriñán, pexels.com, gemeinfrei

Kurz vor dem Welt-AIDS-Tag gibt das RKI jedes Jahr die Entwicklung der HIV-Neuinfektionen bekannt – bezogen auf das jeweils vor-vorangegangene Kalenderjahr. Die Zahlen wurden im Rahmen einer Pressekonferenz zum Welt-AIDS-Tag vorgestellt. Auch Sexualität in Zeiten von Corona wurde hier thematisiert.

Für 2019 wurde nach wie vor nur ein leichter Anstieg der HIV-Neuinfektionen verzeichnet: Für Hessen liegt die Zahl bei 220 neuen Infektionen im Vergleich zu 190 Neuinfektionen in 2018. Bundesweit liegt die Zahl bei 2.600 (2018: 2.400).

Schaut man allerdings auf die Infektionswege, kann man erhebliche Unterschiede feststellen: Während die Rate bei der Gruppe Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) gleich geblieben ist, zeigt sich der Anstieg vor allem bei den heterosexuellen Kontakten. Insbesondere bei den heterosexuellen Frauen sei es der höchste Anstieg seit 2016, aber auch bei den heterosexuellen Männern sei ein leicht anhaltender Trend nach oben zu verzeichnen, erklärt Carsten Gehrig, Fachbereichsleiter für Psychosoziales bei der AIDS-Hilfe Frankfurt AHF im Rahmen der Pressekonferenz zum Welt-AIDS-Tag. Im kommenden Jahr sei es daher notwendig, die Präventionsarbeit für Heterosexuelle zu verstärken, so Gehrig.

Auch im Bereich der Drogengebrauchenden kann bundesweit ein Anstieg verzeichnet werden. „Dies wäre vermeidbar, wenn es in Deutschland eine Vergabe von sauberen Spritzen in Haftanstalten gäbe und für Menschen ohne Aufenthaltspapiere der Zugang zur HIV-Therapie angeboten würde“, heißt es dazu in einer Erklärung der AIDS-Hilfe Frankfurt, die gemäß dem „Frankfurter Weg“ eine liberale Drogenpolitik vertritt, zum Beispiel mit Drogenkonsumräumen und Orten, wie das Café La Strada, Drogenhilfezentrum der AIDS-Hilfe Frankfurt, in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs.

Besorgniserregend ist vor allem, dass die Zahl der „Late Presenter“ deutlich zugenommen hat, also diejenigen, die von ihrer Infektion nichts wissen und daher bereits an Aids oder einem schweren Immundefekt erkrankt sind, bevor die HIV-Infektion festgestellt wird. Der Plan, durch möglichst viele und vor allem einfach zugängliche Testangebote das Testverhalten zu steigern, scheint noch nicht recht aufgegangen zu sein.

Carsten Gehrig appelliert daher weiterhin nachdrücklich, sich möglichst frühzeitig testen zu lassen – schon allein um bessere Behandlungsmöglichkeiten zu haben:

„Es gibt keine Ausrede mehr, sich nicht testen zu lassen“, so Gehrig. Vor allem seit die AHF ihre Testangebote erweitert hat und zusätzlich seit vergangenem Jahr auch Heimtests anbietet. „Die Heimtests wurden auch in Coronazeiten gut angenommen.“

Hoffnung setzt Gehrig außerdem auf PrEP, die allerdings erst seit vergangenem Herbst von den Krankenkassen bezahlt wird und daher in der Statistik für 2019 noch keine nennenswerte Rolle spielt.

Sexualität in Zeiten von Corona – das sagt die AIDS-Hilfe Frankfurt

Foto: bjö

„Sex ist unser Thema“, erklärt Christian Setzepfandt vom Vorstand der AHF und betont, dass dies nicht nur für die Sexualität sondern auch im Sinne von geschlechtlicher Zugehörigkeit gelte.

Was bedeutet nun die neue Infektion für die Sexualität? Zunächst führte sie zu einer generellen Reduzierung der sexuellen Kontakte.

„Die Menschen schränken sich sexuell ein“, meint Setzepfandt. „Für die Infektionszahlen ist das gut. Auf Dauer ist es nicht gut, wenn Sexualität wieder mit Angst verknüpft wird. Denn unter Angst trifft man die falschen Entscheidungen“.

Vieles erinnere ihn an die Zeit als Aids in die Gesellschaft gekommen ist. „Viele durchleben gerade das gleiche wie andere damals mit HIV“, meint Christian Setzepfandt. Allerdings gibt es zentrale Unterschiede: Eine HIV-Infektion verläuft im unbehandelten Zustand noch immer tödlich, für Corona gelte das so nicht. „HIV holt man sich durch eine bestimmte Situation. Corona bekommt man im alltäglichen Umgang“, ergänzt Setzepfandt.

Das Bedürfnis nach Sex verschwindet natürlich nicht einfach so. Und gerade in Zeiten von Social Distancing sei das Bedürfnis nach Nähe groß. „Abstand halten ist eben nicht die Lebensrealität“, so Christian Setzepfandt.

In Folge stiegen zunächst die flüchtigen Sexabenteuer, weiß Carsten Gehrig aus seinen Beratungsgesprächen. „Viele hatten lieber Sex mit jemanden, den sie nicht kennen. Was natürlich ein schwieriges Risikomangement bedeutet“, so Gehrig.

Aber was empfiehlt die AHF zu Sex in Zeiten von Corona?

„Es gibt da keinen allgemeingültigen Maßnahmenkanon“, meint Christian Setzepfandt. Und Carsten Gehrig ergänzt: „Es bleibt vielmehr bei der Linie, die wir seit Jahren fahren: Sei informiert und triff dann eine Entscheidung zusammen mit deinem Gegenüber“. Das Schwierige dabei ist: Man muss akzeptieren, dass es sowohl bei HIV als auch bei Corona keinen 100-prozentigen Schutz gibt. „Wir rufen nicht zum Sex auf – aber wir sagen: Überlegt es euch“, meint Gehrig.

Infos zu den Beratungs- und Testangeboten von maincheck, dem Zentrum für Sexualität, Identität und Gesundheit der AHF, über www.maincheck.de

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