Grüner Himmel, blaues Gras

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Foto: Wolfgang Günzel

Obwohl die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Wahrnehmung von Farben bei allen Menschen gleich sind, gibt es in den Sprachen der Welt nicht nur unterschiedliche und unterschiedlich viele Worte für ein und denselben Farbeindruck. Auch die Bedeutungen und Assoziationen die Farben wecken variieren zwischen den Kulturkreisen. Das Frankfurter Weltkulturen Museum hat dazu geforscht.

Der Titel der Ausstellung „Grüner Himmel, blaues Gras“ verdeutlicht das Phänomen: In der japanischen Dichtung ist oft von blauem Gras und grünem Himmel die Rede; diese Zuschreibung stimmt mit den europäischen Sehgewohnheiten nicht überein. Das japanische „aoi“ steht eigentlich für „himmelblau“, aber gleichzeitig auch für die komplette Farbpalette zwischen grün und blau; Gras wird zum Beispiel dann als „blau“ bezeichnet, wenn Nässe das Grün besonders leuchtend erscheinen lässt.

Foto: Wolfgang Günzel

Klingt kompliziert, aber auch spannend. Die Ausstellung im Weltkulturen Museum zeigt anhand von 200 Objekten aus seiner Sammlung unterschiedliche kulturelle Farbordnungen in der Welt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Neuguinea, Polynesien, dem Amazonasgebiet, Ostafrika, Tibet und Java.

Zum Start wird’s erst mal naturwissenschaftlich: Als Vorbereitung auf die Ausstellung erklären zunächst vier Experimente die Farbwahrnehmung des menschlichen Auges. Prismen projizieren Farbspektren und aus sich überlagernden Lichtprojektionen in rot, blau und grün errechnen die Rezeptoren des menschlichen Auges Mischfarben wie gelb oder magenta. Auch Goethes Kantenspektrum lässt verblüffende Farbeffekte in einer eigentlich schwarz-weißen Grafik sehen.

Foto: Wolfgang Günzel

So geschult kann man sich den anderen Ausstellungsräumen der zwei Etagen des Museums widmen, die anschaulich zeigen, wie Farben in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlichen Bedeutungen zugeordnet werden: Zu sehen ist prächtiger Federschmuck, asiatische Schattenspielfiguren, das Geisterhaus der Ableam, die unterschiedliche Verwendung von Farben im Trauerfall oder die Körperbemalung mit dem Farbstoff der Samen des Annattostrauchs, der unter anderem weltweit auch als Lebensmittelfarbe und Rohstoff für Lippenstift dient.

Höhepunkt der Ausstellung sind die Werke des Künstlerkollektivs Dorf Avim im Papua-Neuguinea, die die binäre Form- und Farbensprache der indigenen Gruppe dokumentiert und historische Kultgegenstände mit neu entstandenen Bildern gegenübergestellt.

Eine spezielle Ausstellung, bei der sich genaues Hinschauen lohnt und zusätzliche Informationen des Begleitheftes oder einer Führung insbesondere für ethnologische Laien empfehlenswert ist.

Bis 30. Januar 2022, Weltkulturen Museum, Schaumainkai 29, Frankfurt, www.weltkulturenmuseum.de

Tipp: Am 22. April wird eine Führung mit dem wissenschaftlichen Volontär des Weltkulturen Museums Oliver Hahn angeboten. Die Führung ist kostenlos und startet um 19:30 Uhr, anmelden kann man sich bis 12 Uhr am Veranstaltungstag über weltkulturen.bildung@stadt-frankfurt.de

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