Life stays a Cabaret!

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Foto: Martin Kaufhold

„Wir werden kein plüschiges Musical-Erlebnis präsentieren“, kündigte Daniel Nicolai, Direktor des The English Theatre Frankfurt, bereits vor der Premiere des Musicals CABARET an. Und in der Tat: Regisseur Tom Littler beweist Mut mit seiner rauen Version des Musical-Klassikers.

„Willkommen, bienvenue, welcome“ – natürlich wird das Musical mit dem weltberühmten Song eröffnet, in dem der weiß geschminkte Emcee das Publikum begrüßt (spitzbübisch und multilingual: Greg Castiglioni als Master of Ceremony).

Foto: Martin Kaufhold

Das Bühnenbild zeigt eine Bahnhofshalle, komplett mit Zugwaggon und Koffern auf dem Bahnsteig. Auf der Durchreise sein, im Transit leben, flüchtige Augenblicke – das Bild passt zu den Charakteren und der Zeit, in der CABARET spielt: Am Ende der Weimarer Republik, als sich Berliner Laissez-faire mit Umbruchstimmung und Unsicherheit mischen und die Nationalsozialisten politischen Einfluss bekommen.

Foto: Martin Kaufhold

Für den amerikanischen Autor Cliff Bradshaw (charmant blauäugig gespielt von Ryan Saunders) erscheint das brodelnde Berlin zu Beginn wie ein Abenteuerspielplatz: Schon im Zug macht er die Bekanntschaft mit Ernst (überzeugend: Matt Black), einem Deutschen, der Cliff sofort eine preiswerte Unterkunft in der Pension des alten Fräulein Schneider vermittelt und den Kit Kat Club als aufregendsten Nachtclub der Stadt empfiehlt. Hier taucht Cliff gleich am ersten Abend ein in eine verführerische, sexuell freizügige wie halbseidene Welt, trifft auf seinen Ex-Liebhaber und das Showgirl Sally Bowles (spritzig und frech: Helen Reuben).

Sally und Cliff werden ein Paar. Doch in die vermeintliche Unbeschwertheit mischen sich zusehends bittere Töne: Cliff möchte eine Familie gründen, Sally hingegen will zurück ins Cabaret, und die Nationalsozialisten werden parallel immer präsenter. Die herzerwärmende Romanze zwischen Fräulein Schneider und dem jüdischen Gemüsehändler Herr Schultz (zum Knutschen: Sarah Shelton und Richard Derrington) erfährt ein jähes Ende, als Fräulein Schneider, eingeschüchtert von Ernst, der inzwischen mit Hakenkreuz-Banderole Propaganda macht, ihre Verlobung löst – weil Schultz ein Jude ist.

Foto: Martin Kaufhold

Am Ende möchte Sally ihr Comeback als Showstar feiern, doch die Party ist längst vorbei: Während ihre Kollegen die Bühne verlassen, bleibt Sally alleine und wirkt beängstigend grotesk, wenn die Glamour-Nummer „Life is a Cabaret“ von hysterischer Fröhlichkeit in schiere Verzweiflung kippt – mit Sicherheit eine der stärksten Szenen der Inszenierung. Regisseur Tom Littler beweist Mut, wenn er den Hit-Song derart dekonstruiert und das überraschend düstere Ende schafft.

Foto: Martin Kaufhold

Aber keine Angst: Bis dahin wirbelt das 14-köpfige Ensemble in Strapsen und Leder-Harnessen durch's raffiniert ausgestattete Bühnenbild, Männer wie Frauen zeigen viel nackte Haut und bringen zusammen mit der fünfköpfigen Live-Band alle Hits, die man in CABARET hören möchte: Von „Money Money“ über „If you could see her through my eyes“ bis „Mein lieber Herr“ und „Two Ladies“ ist alles dabei.

Life stays a Cabaret!

CABARET im The English Theatre Frankfurt, Gallusanlage 7, Frankfurt, noch bis 10.3., Dienstag bis Samstag 19:30 Uhr, Sonntag 18 Uhr, www.english-theatre.de

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