Mythos Passion: Hermann Nitsch in Aschaffenburg

by

Foto: Nitsch Foundation, Wien

Brachial waren und sind die Arbeiten des Wiener Aktionskünstlers Hermann Nitsch: Riesige, mit Farbe oder oft auch Blut übergossene Leinwände – die „Schüttbilder“ – zeugen von ekstatischen, mehrtägigen Kunstaktionen wie der „Blutorgel“, bei denen in den frühen Jahren unter anderem Tiere geschlachtet wurden, oder seine „Orgien-Mysterien-Spiele“ – ein wüstes Happening, das Malerei, Architektur, Musik in Form von Lärmorchestern und Schreichören, Opferrituale und religiöse Praktiken miteinander vermischt und seit den frühen 1970ern regelmäßig abgehalten wird.

Foto: Nitsch Foundation, Wien

Klingt schockierend? Richtig, das soll es sein: Hermann Nitsch war einer der wichtigsten Vertreter des Wiener Aktionismus, einer Kunstrichtung, die in den frühen 1960ern bis Anfang der 1970er für Aufsehen sorgte. Inspiriert von amerikanischer Happening- und Fluxus-Art wollten die Wiener Aktionisten bewusst Tabus brechen.

Als politische Kunst übten sie Kritik an der Konsumgesellschaft oder Institutionen wie der Kirche, wollten den Bürgerlichen einen Spiegel vorhalten und deren unterschwellige Aggressionen und Perversionen freilegen.

Die Kunst selbst war aggressiv, äußerst provokant, schockierend und strapazierte dabei das geflügelte Wort „Kunst darf alles“ bis aufs Äußerste. Derart aufgeladen verfehlte sie ihre Wirkung nicht: „Blasphemie“ schrien die Kritiker, und das Publikum quälte sich mit einer Mischung aus Ekel und Faszination durch das grausame Aktionstheater.


Foto: Nitsch Foundation, Wien

Und was bleibt nach der ganzen Aufregung? Nitsch hat bis heute Ausstellungen in der ganzen Welt, seine Kunst befindet sich in den Sammlungen aller wichtigen Museen, er lehrte unter anderem an der Frankfurter Städelschule und wurde just in diesem Jahr eingeladen, das Bühnenbild für die Wagner-Festspiele in Bayreuth zu gestalten. Die dafür in den Probearbeiten entstandenen Schüttbilder sind erstmals in der Aschaffenburger Ausstellung zu sehen, die – ironischerweise? – in einer (entweihten) Kirche stattfindet. Der Künstler selbst findet das besonders reizvoll. Die Kunsthalle Jesuitenkirche meint, das dürfte zu einer „idealen künstlerischen Symbiose im Sinne des Nitschschen Gesamtkunstwerks werden“.


Hermann Nitsch. Mythos Passion“ noch bis 27.2., Kunsthalle Jesuitenkirche, Pfaffengasse 26, Aschaffenburg, www.museen-aschaffenburg.de

Back to topbutton