20 Jahre Double Faces: Landesverräterinnen und Aufklärer

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Barbie Stupit und Lee Jackson sind seit genau 20 Jahren als Double Faces auf der Reeperbahn unterwegs. Wir schnackten mit ihnen.

Foto: www.kult-kieztouren.de

Wie ging es los? Wie kamt ihr auf die Idee, euch als doppeltes Lottchen zu ... verkleiden ist wohl das falsche Wort?

Lee: Das ist das ganz falsche Wort. (lacht) Wir verwandeln uns! Ich hatte bis 1998 auf der Bühne gestanden und jemanden gesucht, mit dem ich zusammen arbeiten kann, weil es alleine mit wechselnden Outfits einfach sehr kompliziert ist, eine durchgängige Show hinzubekommen. Ich bin dann im La Cage gelandet, wo ich Barbie kennengelernt habe. Dass wir uns immer ähnlich geschminkt haben kam von ganz alleine und hat sich letztlich zum Markenzeichen entwickelt.

Foto: David Carreno / www.kult.kieztouren.de

Wie überlebt man mit Travestie bzw. als Drag 20 Jahre im Business auf der Reeperbahn?

Lee: Wir leben ausschließlich von den Shows. Wir haben keine anderen Jobs nebenbei.

Barbie: Man muss das halt ernst nehmen. Socializing ist ein wichtiger Aspekt. Mit den Veranstaltern und Gästen sprechen, sich austauschen. Dadurch knüpft man Kontakte und wird immer regelmäßiger gebucht. Wir waren zu Beginn unserer Karriere erst im La Cage, dann in Olivias Royal Chicken Club – also schon in den angesagtesten Hamburger Klubs.

Lee: Wir waren auch für eine relativ lange Zeit die einzigen „Professionellen“. (lacht) Es gab kaum Drags. Das ganze Phänomen kam erst so um 1996 nach Hamburg, vorher beschränkte es sich auf Travestie im Pulverfass, nicht als Host in der Partyszene. Das ging erst mit dem Sweet Sunday los, der ersten großen schwulen Party auf St. Pauli.

Stichwort große schwule Partys? Wie schätzt ihr die Entwicklung ein, was hat sich da verändert in den 20 Jahren?

Barbie: Eine Zeit lang gab es dann einen Hype – und ein Überangebot an Dragqueens. Und leider auch wirklich schlechte.

Namen?

Lee: Schatzilein. Dafür sind wir aber wirklich zu sehr Profis. Immer diese übereifrigen Journalisten! Aber es gab durchaus eher nicht so begabte Drags, die durch Billigangebote zeitweise echt die Preise kaputt gemacht haben. Wir hatten das Glück, durch die stetige Zusammenarbeit, vor allem mit Olivia Jones, doch gute Aufträge zu bekommen und haben so tatsächlich schon 20 Jahre geschafft.

Foto: David Carreno / www.kult.kieztouren.de

Gibt es eine Anekdote, die ihr besonders gern erzählt?

Barbie: Es gibt so viele. Aber was besonders schön war, war die Zeit der Talkshows. Wir sind da glaube ich in allen gewesen und dadurch wurde der Begriff Dragqueen damals auch in den Medien einer größeren  Zielgruppe bekannt. 1999 gab es zum Beispiel mit „Ein Hoch auf St. Pauli“ eine mehrteilige Dokusoap, lange, bevor dieses Format so erfolgreich wurde, wie heute mit „Berlin Tag und Nacht“, oder wie sie alle heißen.

Lee: Und wir wurden 2001 „Miss Drag Queen Norddeutschland“.

Gibt’s den Preis noch heute?

Lee: Nein.

Barbie: Das war so eine ganz kleine Geschichte in Bremen auf der Ladefläche eines LKWs. Aber Titel ist Titel! (lacht)

Dieses Jahr verdient den Titel Jubiläumsjahr. Was war alles los?

Barbie: Wir haben geheiratet. Und sind Panzer gefahren. Was ja zu bundesweitem, teilweise zweifelhaftem Medienecho geführt hat.

Foto: Privat

Hattet ihr mit den Anfeindungen gerechnet?

Lee: Nein. Weil das mit völlig anderem Hintergrund entstanden ist. Die Panzerfahrlehrer waren bei uns in Olivias Showclub und waren auch Backstage und zum Schluss haben sie uns dann eingeladen.

Barbie: Die haben Einblick in unser Arbeitsleben bekommen und wollten uns dann ihr Arbeitsleben zeigen. Das war eigentlich schon alles. Dass wir dann von irgendwelchen Menschen als Landesverräter bezeichnet wurden, war schon krass. Aber Titel ist Titel!

Lee: Soll uns erst mal jemand nach machen!

Foto: Marius Roeer / www.kult.kieztouren.de

Wollt ihr noch mal kurz erzählen, wie es zur Hochzeit kam?

Foto: Marius Roeer / www.kult.kieztouren.de

Barbie: Wir leben und arbeiten seit 20 Jahren zusammen. Wir führen einen Haushalt, haben gemeinsame Konten. Wir sind in einem Alter, in dem man beginnt, an Sicherheit, an Absicherung zu denken. Die Heirat ermöglicht es uns, im Falle des Falles abgesichert zu sein. Sei es nun, wenn einer von uns krank würde, oder geht.

Lee: Dank der Ehe für alle ist das ja nun möglich.

Barbie: Die Eingetragene Partnerschaft fanden wir immer Augenwischerei. Und falls jemand aus oben besagten Kreisen jetzt rumätzen will, wir hätten das doch nur aus steuerlichen Gründen gemacht: Wir haben eine GBR und sind beide Lohnsteuerklasse IV. Da ist nix mit sparen.

Wo sind Double Faces in 20 Jahren?

Barbie: Oh Gott. Hoffentlich noch am Leben.

Lee: Auf der Bühne bis zum Umfallen. Wir wollen Menschen weiter erfreuen und ihnen eine gute Zeit bieten. Und dabei auch aufklären. Gerade bei unseren Kieztouren merken wir oft, dass wir immer noch erklären müssen, was der Unterschied zwischen einem Transvestiten, einer Drag und Transsexuellen ist. Das wird immer noch in einen Topf geworfen und unterm Strich kommt nur ein geschminkter Mann raus.

Foto: www.olivia-jones.de

Barbie: Auch in Olivias Showclub merkt man, wie Vorurteile im Publikum abgebaut werden. Das macht einfach Spaß.

*Interview: Christian Knuth

Tickets und Buchung unter: www.doublefaces.de / www.olivia-jones.de


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