Ursula von der Leyens Studie ist fertig: So diskriminierte die Bundeswehr

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Am 17. September wird Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) die von ihrer Amtsvorgängerin und heutigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 2017 in Auftrag gegebene Studie „Zwischen Tabu und Toleranz. Der Umgang der Bundeswehr mit Homosexualität von 1955 bis zur Jahrtausendwende“ der Öffentlichkeit vorstellen.

Foto: Bundesministerium der Verteidigung

Oberstleutnant Klaus Storkmann vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) hat auf über 400 Seiten und mit mehr als 60 Zeitzeugengesprächen auch den gesellschaftspolitischen Hintergrund, vor dem sich der Kampf homosexueller Menschen um Anerkennung abspielte, ausgewertet. Ein Meilenstein im Umgang mit homosexuellen Soldatinnen und Soldaten überschreibt das Verteidigungsministerium seine diesbezügliche Mitteilung.

Kramp-Karrenbauer will Entschädigungsgesetz vorstellen

Wie bereits von ihr angekündigt, will die heutige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auch an den Plänen von der Leyens weiterarbeiten, die Diskriminierung wieder gut zu machen, obwohl sie noch im Februar dieses Jahres klarstellen ließ, dass disziplinarrechtliche Folgen einer Verurteilung nach dem Paragrafen 175 StGB durch das Gesetz zur Aufhebung dieser Unrechtsurteile nicht betroffen seien und keine Rehabilitation geplant sei (wir berichteten). Die Verteidigungsministerin änderte ihre Meinung und entschuldigt sich in der Mitteilung des Ministeriums heute wiederholt für das Unrecht, das homosexuellen Soldat*innen widerfahren ist:

Foto: Deutscher Bundestag / Pascal Bastien

„Diese Studie auf Eigeninitiative des Ministeriums setzt sich sehr kritisch mit der eigenen Geschichte des Hauses auseinander. Die Praxis der Diskriminierung Homosexueller in der Bundeswehr, die für die Politik der damaligen Zeit stand, bedauere ich sehr. Bei denen, die darunter zu leiden hatten, entschuldige ich mich. Ich möchte die Erkenntnisse der Studie nutzen, um die Vergangenheit weiter aufzuarbeiten und das Gesetzesvorhaben für die Rehabilitierung der Betroffenen voranzubringen. Dessen Eckpunkte werden auf der Veranstaltung gleichfalls vorgestellt.“

Annegret Kramp-Karrenbauer

Konsequent auf der Jagd nach warmen Brüdern

Die Auslegung eines dienstlichen Bezuges homosexuellen Verhaltens eröffnete der Bundeswehr laut Studie auch nach der weitgehenden Entkriminalisierung im Jahr 1969 einen wohl konsequent bis in die 1980er Jahre genutzten eigenen Handlungsspielraum zur Diskriminierung und Verfolgung homosexueller Soldaten. In den frühen 1970er Jahren galt der dienstliche Bezug demnach bereits als gegeben, wenn zwei Soldaten privat sexuelle Beziehungen unterhielten, ohne dienstliche Kontakte.

Die bis 1969 von deutschen Gerichten in § 175-Fällen genutzten psychologischen Untersuchungen der homosexuellen Veranlagung, wurden laut Storkmann von Truppendienstgerichten noch bis 1980 angewendet. Erst im Jahr 2000 und gegen den Widerstand der Militärführung wurde unter der rot-grünen Kanzlerschaft Gerhard Schröders die Diskriminierung vollständig beendet:

„Wer danach fragt, warum die Bundeswehr ihren homosexuellen Soldaten nach Jahrzehnten plötzlich entgegenkam und alle alten Grundsätze binnen weniger Monate über Bord warf, findet die Antwort vor allem in Europa, im sich wandelnden europäischen Verständnis von Menschenrechten und Diskriminierungsfreiheit.“

Schlusswort der Zusammenfassung auf Seite 12

Eure Fragen an die Bundeswehr

Begleitet wird die Präsentation der Studie am 17. September von einer Diskussionsveranstaltung. Ab 18 Uhr wird sie per Livestream auf der Homepage des Verteidigungsministeriums und auf Twitter übertragen. Über Twitter und vorab unter BMVgPresseSocialMedia@bmvg.bund.de kann jeder Fragen an das Podium stellen. Antworten geben unter anderem die Wehrbeauftragte des Bundestages Eva Högl (SPD) und der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn. Auch Ex-Soldat und Zeitzeuge Dierk Koch und Leutnant Sven Bäring, Vorsitzenden des Vereins QueerBw stehen Rede und Antwort. 

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