Ballett: Mann und die Männer

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Nach „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ am Altonaer Theater nun im Januar ein vergleichsweise früh vollendetes homoerotisches Werk des bisexuellen Thomas Mann an der Hamburger Staatsoper: John Neumeiers „Tod in Venedig“-Adaption.

Foto: Kiran West

Die Betonung muss auf vollendet liegen, denn beide Werke wurden in der gleichen Schaffensperiode kurz vor dem 1. Weltkrieg begonnen. 1911 wurde Tod in Venedig“ allerdings bereits in einer streng limitierten Ausgabe veröffentlicht, während Felix Krull erst 1954 das Augenlicht der Leser*innenschaft Manns erreichen durfte. Ob die doch deutliche Auseinandersetzung mit den Wirren des eigenen Begehrens eine Rolle spielte? Zwei Aussagen Thomas Mann lassen darauf schließen. Schon 1920 schrieb er an Carl Maria Weber offen über die Parallelen zwischen dem Hauptprotagonisten Gustav von Aschenbach und seinem Schöpfer und seine ursprüngliche Motivation und Idee:

Foto: Carl Van Vechten, Gemeinfrei

„Leidenschaft als Verwirrung und Entwürdigung war eigentlich der Gegenstand meiner Fabel, – was ich ursprünglich erzählen wollte, war überhaupt nichts Homo-Erotisches,  […]. "

Nun kam es aber anders, wie jede*r in der Novelle lesen kann. Er fährt fort:

Etwas noch Geistigeres, weil Persönlicheres kam hinzu: die durchaus nicht ‚griechische‘, sondern protestantisch-puritanische (‚bürgerliche‘) Grundverfassung der erlebenden Helden nicht nur, sondern auch meiner selbst; mit anderen Worten: unser gründlich mißtrauisches, gründlich pessimistisches Verhältnis zur Leidenschaft selbst und überhaupt.“

In seiner Selbstreflektion erwischte sich Mann später sogar in seinem eigenen Werk dabei, allzu streng mit sich und seinem Begehren ins Gericht zu gehen. 1930 kommentierte er zum Tod in Venedig“:

„Dies ist eine sonderbare moralische Selbstzüchtigung durch ein Buch.“

2003 brachte John Neumeier das Stück um die entbrennende Leidenschaft eines alternden Künstlers zu einem Jüngling als Ballett-Adaption erstmals auf die Bühne der Staatsoper. Er griff dabei tief in die Bombast-Musiktruhe und schuf einen nach eigenem Titel Totentanz“ mit Werken von Bach und Wagner. Den gibt es am 18. Januar genau dort wieder zu erleben. Außerdem ist eine DVD mit einem Mitschnitt der Gastaufführung im Festspielhaus Baden-Baden aus dem Jahre 2004 im Shop der Staatsoper erhältlich.

Foto: Kiran West

18.1., Ein Totentanz von John Neumeier, Staatsoper – Großes Haus, Dammtorstr. 28, Hamburg, Einführung 18:50 Uhr, Beginn 19:30 Uhr, www.staatsoper-hamburg.de

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