Die 15. Theaternacht Hamburg

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Foto: 2016 © Niklas Marc Heinecke

Am 8. September beginnt die neue Spielzeit der Hamburger Bühnen mit einem großartigen Programm für eine Nacht der Kultur. Zum 15. Mal bieten rund 40 Theater Ausschnitte, Einblicke und Hintergrundinformationen in ihrer Arbeit. Das sorgt in der Summe für 300 Programmpunkte und 200 Stunden Spielzeit. Eine sorgsame Planung für den Abend ist also geboten. Der hinnerk Wegweiser durch ein vermehrt politisches, aber selbstverständlich kurzweilig-unterhaltendes Programm.

www.theaternacht-hamburg.org


INTERVIEW

Corny Littmann und 30 Jahre Schmidt Theater

Gefeiert wurde das Jubiläum bereits am 8. August mit einer großen Geburtstagsgala. Im September folgt schon das erfolgreichste Musical „Heiße Ecke“ mit seinem 15. Geburtstag, zur Theaternacht erwartet die Gäste ein „schmidtiges Potpourri“, moderiert von Henning Mehrtens. Mit dabei sind Zauberer Marc Weide, Poetry-Slammerin Helene Bockhorst, und es gibt exklusive Ausschnitte aus dem ersten [1] interaktiven Zwei-Personen Musical des Schmidtchens „Jana & Janis – Sag einfach Jein!“. hinnerk Gastautor Heinrich Oehmsen stellte Schmidt-Gründer und Schwulenikone Corny Littmann Fragen zum Jubiläum.

Foto: Morris Mac Matzen

Erfüllt es Sie mit Stolz, dass viele dieser Künstler und Künstlerinnen im Schmidt ihre Karriere gestartet haben oder ihre Visitenkarte hier abgegeben haben?

Foto: Morris Mac Matzen

Unser Konzept war es, jungen unbekannten Künstlern und Künstlerinnen die Möglichkeit eines Auftritts zu geben. Einen solchen Ort gab es in Hamburg damals nicht. Es bestand eine große Offenheit und Neugierde jungen Künstlern und Künstlerinnen gegenüber. Wer in Hamburg spielen wollte, für den war das Schmidt Theater sehr schnell die erste Adresse. Es war eine Zeit, in der Comedy, wie wir sie kennen, überhaupt erst entstanden ist. Die Ausstrahlung der „Mitternachtsshow“ in der ARD hat uns zu bundesweiter Popularität verholfen. Das war für die Zukunft des Theaters sehr wichtig.

Im September wird nebenan im Schmidts Tivoli ein weiteres Jubiläum gefeiert, nämlich 15 Jahre „Heiße Ecke“. Wie erklärt sich der unglaubliche Erfolg dieses Kiez-Musicals?

Es ist authentisch, die Darsteller und Darstellerinnen sind hochprofessionell und es ist deutschsprachig. Es ist kein importiertes Musical und inzwischen das erfolgreichste deutsche Musical. Gepaart mit der Spielfreude der Akteure und Akteurinnen transportiert sich die Geschichte. Es gibt an anderen Theatern viele Produktionen mit aufwendiger Technik. Was da in Sekundenschnelle an Bühnenbildern entsteht, ist beeindruckend, aber das Handgemachte mit den schnellen Kostümwechseln und das Schlüpfen in andere Rollen, das geprägt wird von den Schauspielern wie bei uns, hat eine größere Attraktivität für Zuschauer und Zuschauerinnen. Deshalb ist die „Heiße Ecke“ so erfolgreich.

Es gib ein paar Kritiker, die Ihnen vorwerfen, dass Sie zu mächtig sind, weil Sie inzwischen drei Theater auf dem Kiez betreiben und dafür verantwortlich sind, dass der alte Kiez verschwindet. Ist dieser alte Kiez überhaupt erhaltenswert?

Alle, die mir vorwerfen, ich würde dafür sorgen, dass es den alten Kiez nicht mehr gibt, denen stelle ich die Gegenfrage: Was möchtet ihr denn wiederhaben? Dann ist ganz schnell Stille. Als ich in den 80er-Jahren hierhergekommen bin, da gab es jede Menge Peepshows, es gab Schießereien. Hamburger sind hier kaum hergekommen. Tatsache ist aber, dass der Massentourismus, wie er beschrieben wird, nur freitags und samstags stattfindet. Von Sonntag bis Donnerstag gibt es eine Fläche auf dem Kiez, wo sich viele Menschen aufhalten, und das ist der Spielbudenplatz. Das hat sich gegenüber früher fundamental geändert. Die Theater haben geöffnet und locken jetzt Hamburger an. Die Auswärtigen kommen eher am Wochenende.

*Interview: Heinrich Oehmsen für www.theater-hamburg.org

Schmidt Theater / Schmidts Tivoli / Schmidtchen, Spielbudenplatz 21 –28, Hamburg, S Reeperbahn, 19:30 – 20:20 Uhr, 20:40 – 21:30 Uhr & 21:50 – 22:40 Uhr, www.tivoli.de


ST. PAULI THEATER

Die toten Augen der Beatrix von Storch

Ob sie klagen wird? Gegen die von Erfolgsregisseur Falk Richter erdachte Populismuskritik „Fear“ am Berliner Maxim Gorki Theater wurde von rechts mit aller juristischen Härte geschossen (größtenteils erfolglos). Der Name des Georg-Kreisler-Abends im St. Pauli Theater lässt diesbezüglich nichts Gutes befürchten:

Foto: St. Pauli Theater / CC BY-SA 4.0 / wikimedia

„Hässliche Gerüchte oder ‚Die toten Augen der Beatrix von Storch‘“. Nun hat Georg Kreisler natürlich nicht über Frau von Storch gesungen, wohl aber als Jude die Nazizeit selbst auf der Flucht überlebt und ihre gesellschaftlichen Wurzeln zeitlebens in Reihen wie „Nichtarische Arien“, „Seltsame Gesänge“ und den sogenannten „Everblacks“ förmlich seziert und sie dem Volk vorgesungen.

Dass Storchs Großvater Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk von 1933 bis 1945 Adolf Hitlers Finanzminister war, sei hier nur als Hintergrundinformation erwähnt. „Bisweilen dürfen Tränen des Entsetzens gelacht werden“, kündigen die Veranstalter das von Stephan Schad gesungene und von Matthias Stötzel am Klavier begleitete Programm an.

Eigentlich beruhigend, dass Georg Kreisler die Rückkehr des vernichtungswilligen Ungeistes in die Gesellschaft nicht mehr miterleben muss.

St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 29 – 30, Hamburg, S Reeperbahn, 23:00 Uhr – Mitternacht, www.st-pauli-theater.de


ALTONAER THEATER

Utopie gegen Storch und Co.

Foto: Marcus Renner

Ja, die Kulturschaffenden haben ein Gespür für den Umbruch, der der Gesellschaft droht. Der Umbau in eine unfreie Gesellschaft, wie die rechtsextremistische AfD sie nach dem Vorbild Polens und Ungarns errichten will. Waren und sind sie doch mit die Ersten, die ihre Freiheit zu denken, zu zeigen und zu wirken verlieren. Kaum ein Tag, an dem nicht von „linksgrünversiffter Ideologie“ und „Umerziehung“ die Rede ist. 

Künstler wie Inga Humpe, Clemens Schick und Hape Kerkeling unterzeichneten bereits die „Brüsseler Erklärung – Für die Freiheit der Kunst“, gegen den Kulturkampf von rechts. In der „Verrückten Stunde“ der Theaternacht, in der die Ensembles der Häuser die Bühnen tauschen, stellt der Logensaal der Hamburger Kammerspiele im Altonaer Theater „Lebensraum“ von Israel Horovitz vor.

Foto: Marcus Renner

Der Plot: Der deutsche Bundeskanzler lädt die Juden in der Welt ein, nach Deutschland zurückzukehren. Sechs Millionen Menschen soll Deutschland aufnehmen. Das ungewöhnliche Angebot löst unterschiedlichste Reaktionen aus ...

Altonaer Theater, Museumstr. 17, Hamburg, S Altona, 0 – 0:30 Uhr, www.altonaer-theater.de


HAMBURGER KAMMERSPIELE

La Fortenbacher. Und Band.

Etwas zum Genießen präsentiert Diva Carolin Fortenbacher, die im Logensaal der Kammerspiele Gänsehautsongs aus ihrem mehr als beliebten Soloprojekt „Fortenbacher’s Intimate Night“ zum Besten gibt. Mit dabei sind Sascha Rotermund an der Gitarre und Achim Rafain am Bass.

Hamburger Kammerspiele, Hartungstr. 9 – 11, Hamburg, U Hallerstraße, 19:00 – 19:30 Uhr & 23:00 – 23:30 Uhr, www.hamburger-kammerspiele.de


Foto: Thomas Rusch

MONSUN.THEATER

Homosexualität unterdrücken?

Ab dem 15. November bildet die Soloperformance INSTINCT im monsun.theater den dritten und letzten Teil der Trilogie „Basismotivationen“ EROTISM-SHAME-INSTINCT. Instinkt und Trieb – was bedeuten sie in unserer heutigen durchmoralisierten und technischen Gesellschaft noch? Welchen Einfluss haben sie auf den Homo sapiens und seine Entscheidungen? „Stoppt Instinkt die Moral und/oder stoppt die Moral den Instinkt? Dem Menschen wird beigebracht, dass der Verstand das einzig Wahre ist. Instinktives Verhalten wird meist als unkultiviert empfunden. Inwiefern verändern wir uns, wenn wir jahrelang unsere Instinkte und Triebe unterdrücken?” Ein Thema, das wir von hinnerk mit Blick auf Konversionstherapien und „Homoheilung“ mehr als interessant finden. Da INSTINCT eine rein körperliche, nonverbale choreografisch-performative Theaterinstallation mit dem Körper als Ausdrucksmittel ist, gibt es viel Raum für eigene Interpretation gegeben.

monsun.theater, Friedensallee 20, Hamburg, S Altona, 20:45 – 21:15 Uhr, www.monsuntheater.de


OHNSORG-THEATER

Lenz und Firth

Hamburgs Volkstheater Nummer eins hat neben Ausschnitten aus Erfolgsproduktionen wie Nipple Jesus (19:30 – 20 Uhr & 21:30 – 22 Uhr) und Soulmusik mit Love Newkirk (19 – 19:30 Uhr & 21 – 21:30 Uhr) auch Ausblicke in die neue Spielzeit im Programm: Tim Firths Komödie „Kalenner-Deerns“ und erste Kostproben aus „De Mann in’n Stroom“ nach dem Roman von Siegfried Lenz werden vom Ensemble gegeben.

Ohnsorg-Theater, Heidi-Kabel-Platz 1, Hamburg, S+U Hauptbahnhof, 20 – 20:30 Uhr & 20 – 20:30 Uhr, www.ohnsorg.de


Foto: Armin Smailovic

THALIA THEATER

Sehnsucht

Die Story ist bekannt: Als Eurydike stirbt, steht der Sänger Orpheus vor dem Nichts. Doch anstatt die geliebte Frau zu begraben, macht er sich auf, sie aus der Unterwelt zu befreien. Was Regie-Star Antú Romero Nunes, der es liebt Geschlechterrollen infrage zu stellen (das hinnerk Interview), aus dem Stoff macht, ist für hinnerk eine der spannendsten Fragen, die die Theaternacht klären wird. Am 7. September eröffnet das Stück übrigens die Thalia-Spielzeit.

Thalia Theater, Alstertor, Hamburg, S+U Jungfernstieg, 19:40 – 20 Uhr & 20:45 – 21:05 Uhr, www.thalia-theater.de


THEATER IM ZIMMER

Soul, Swing & Jazz

Ja. Zum Abschluss unserer Theaternacht-Tipps noch einmal ein Programmpunkt zum entspannten Lauschen und Genießen. Die jungen preisgekrönten Talente und internationalen Künstler und Künstlerinnen bringen Ausschnitte aus den Sonntagskonzerten dieser – auch architektonischen – Perle der Hamburger Theaterlandschaft.

Theater im Zimmer, Alsterchaussee 30, Hamburg, U Hallerstraße, 20 – 20:30 Uhr & 23 – 23:30 Uhr, www.theater-im-zimmer.de

Foto: Martha Kunicke

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