München will hoch hinaus

Foto: Jörg Garstka

In seiner kommunalpolitischen Kolumne schreibt AZ-Lokalchef Felix Müller diesen Monat über die neu entbrannte Diskussion um Hochhäuser in der Stadt – und über das Bürgerbegehren gegen die E-Garten-Tram.

Er war längst Pensionär, da landete der inzwischen verstorbene Alt-Oberbürgermeister Georg Kronawitter einen seiner größten politischen Erfolge. 2004 war das – und Kronawitter gewann mit seiner Initiative den Bürgerentscheid um Hochhäuser. Höher als 100 Meter dürfen sie seitdem nicht mehr sein. Und das, obwohl alle Rathaus-Fraktionen sich damals genau das wünschten. 

„München bleibt seinem Ruf als Millionen-Dorf treu“, schrieb der „Spiegel“ damals. Dabei gibt es in München durchaus Häuser, die höher als 100 Meter sind, zum Beispiel das Hochhaus Uptown am Georg-Brauchle-Ring (146 Meter) oder die „Twin-Towers“ in Schwabing (126 und 113 Meter). Doch seit 2004 ist Schluss mit Neubauten. Zumindest bis jetzt. Denn im Rathaus werden die Stimmen immer lauter, die wieder höher bauen wollen. Noch traut sich keiner aus der Deckung, der offensiv von Häusern jenseits der 100 Meter spricht. Aber München strebt wieder in die Höhe. Der Grund, klar: der Platz- und Wohnungsmangel. Aber auch eine zunehmend als langweilig und provinziell empfundene Neubau-Architektur spielt eine Rolle.

CSU-Stadtrats-Fraktionschef Manuel Pretzl hat die Diskussion ausgelöst. Er schimpfte auf eine „Clique“ von Architekten, die in München alles entscheide. Pretzl beantragt, dass die Stadtverwaltung künftig bei jedem neuen Bauantrag prüfen muss, ob dort nicht auch ein Wohnhochhaus möglich sei. Ausgerechnet die CSU, bisher eher als Bewahrerin aufgefallen, will also innovativer bauen. Und warum nicht auch in die Höhe? „Wenn jemand innovativ baut, etwa bei der Form des Gebäudes, der Ausgestaltung der Höhe, der Sprache, soll er ein höheres Baurecht bekommen"“ sagt Pretzl. „Wenn man neben dem BMW-Vierzylinder wohnt, dann ist das was, dann sagt man: Daneben wohne ich. Kein Mensch würde sagen: Ich wohne neben den Welfenhöfen.“

Dass Hochhäuser nicht unbedingt für mehr Wohnungen in München sorgen können, liegt an der so genannten 1H-Regel, die in Bayern gilt. Die Norm besagt, dass ein Neubau mindestens eine Haushöhe Abstand zur Nachbarbebauung braucht. Bei einem 100-Meter-Hochhaus ginge entsprechend 100 Meter weit nichts. Nichts? Das will Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) so nicht gelten lassen. Schließlich sind 100 Meter Grünflächen im dicht bebauten München auch ein Gewinn. Reiter steht Hochhäusern auch offen gegenüber. Offener, so scheint es, als zu Beginn seiner Amtszeit. Auch wenn er bei Wohnhäusern nicht von jenseits der 100-Meter-Grenze ausgeht, sondern eher von 60 Metern spricht.

Einig sind sich CSU und SPD auch bei der Park-Tram, der geplanten Straßenbahn-Trasse durch den Englischen Garten. Aber Vorsicht: Die Bayernpartei hat ein Bürgerbegehren dagegen gestartet. „Wir sehen keine andere Möglichkeit, um den ganzen Wahnsinn zu verhindern“, erklärte Stadtrat Mario Schmidbauer. Es sei schizophren, den Park durch einen neuen Tunnel für dem Autoverkehr am Mittleren Ring zu vereinen und ein paar hundert Meter davon entfernt mit einer neuen Trasse für die Trambahn wieder zu trennen. Im Stadtrat übrigens scheint man dieses Bürgerbegehren noch nicht so richtig ernst zu nehmen. Die ersten Reaktionen der AZ-Leser aus Schwabing hingegen: heftig  und zu 90 Prozent gegen die Trambahn. Das Rathaus sollte aufpassen, dass es sich nicht wieder verschätzt. Wie 2004, als die Stadtspitze am Abend des Bürgerentscheids überrascht feststellen musste, dass die Münchner eine ganz andere Meinung zu Hochhäusern.

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