Zeichen setzen für die Zukunft

Foto: SWM/MVG

In seiner kommunalpolitischen Kolumne schreibt Abendzeitung-Lokalchef Felix Müller diesen Monat über den ÖPNV-Plan der großen Rathaus-Koalition, das Lesbenzentrum für München – und über fünf Jahre Szene-Partnerschaft mit Kiew.

Rot-Grün mag in den Ude-Jahrzehnten ein Projekt der beiden Parteien gewesen sein, vielleicht war es sogar ein Münchner Lebensgefühl, wie es zumindest die „SZ“ zum Abschied 2014 traurig schrieb. Große Koalitionen neigen hingegen wenig dazu, Gefühle auszulösen. Höchstens Missgunst – die beiden Partner sehen sich normalerweise als politische Gegner, gönnen sich gegenseitig keine Erfolge. Das war im Münchner Rathaus die ersten Jahre nicht anders. Doch das Jahr 2018 startete mit der allerersten (!) gemeinsamen Pressekonferenz von SPD und CSU. Sie erklärten ihren ÖPNV-Plan für die Zukunft. Als ein gemeinsames Projekt!

Und das hat durchaus das Potenzial, dass man vor der nächsten Wahl milde auf die schwarz-roten Jahre schauen könnte. Denn auch das ist ja eine Wahrheit: Wenn Große Koalitionen eine große Stärke haben, dann ist es die, riesige Infrastrukturprojekte auf den Weg bringen zu können. Die klaren Mehrheiten sind ja da. Und in München dazu auch noch das Geld. 5,5 Milliarden (!) will die Koalition in den Ausbau stecken. Geeinigt hat man sich auf eine Weise, die so wohl nur in München geht (mit eben sehr vollem städtischen Konto): Die beiden „Partner“ stimmten einfach den Herzensprojekten der anderen Seite zu, die Gegenseite tat es ebenso. So soll nun eine U9 kommen, die von der Münchner Freiheit –über den Hauptbahnhof und Esperantoplatz/Theresienwiese bis zu einer neuen Haltestelle Südbahnhof führen könnte – und die überfüllten Innenstadt-Linien entlasten soll. Außerdem will Schwarz-Rot die U5 vom Laimer Platz über Pasing hinaus bis Freiham verlängern, die U4 vom Arabellapark bis nach Englschalking, eine Tram-Verbindung vom Hart nach Kieferngarten, die Tram 23 soll von ihrer jetzigen Endhaltestelle Schwabing-Nord zur Heidemannstraße verlängert werden. Mindestens. Nicht zu vergessen: die Tram-Nordtangente durch den Englischen Garten, die Schwabing und Bogenhausen verbinden soll. Die Münchner CSU hatte sie jahrelang abgelehnt, mit sanfter Mithilfe von Noch-Ministerpräsident Horst Seehofer stimmt sie nun aber doch zu.

Die Münchner Queerpolitiker haben heuer – natürlich – besonders die Landtagswahl im Auge. Auch das CSD-Motto „Bunt ist das neue Weiß-Blau“ ist durchaus als ein Signal in Richtung CSU zu verstehen. „Die CSU wird sich rechts-konservativ profilieren“, befürchtet Rosa-Liste-Stadtrat Thomas Niederbühl. „Ich habe da bisher wenig Hoffnung, was die LGBT-Politik angeht. Umso wichtiger ist es, dass wir zeigen: Bayern ist nicht nur konservativ, sondern auch bunt.“

Die Stadt München könnte in diese Richtung im April ein weiteres Zeichen setzen. Niederbühl rechnet damit, dass dann im Stadtrat der Grundsatzbeschluss für ein Lesbenzentrum fällt. „Den Lesben hat ein selbstverwaltetes Zentrum wie das SUB gefehlt“, sagt er. Niederbühl rechnet im Stadtrat mit einer deutlichen Zustimmung. „Das Hauptproblem wird es dann aber ohnehin sein, geeignete Räume zu finden“, sagt er. Bis Eröffnung gefeiert werden kann, dürfte es also noch eine ganze Weile dauern.

Bereits gefeiert wurde hingegen die jetzt schon fünfjährige Szene-Partnerschaft zwischen München und Kiew. Grünen-Stadträtin Lydia Dietrich hat diese Verbindung von Anfang an mit Leben gefüllt. Sie kann erschütternd erzählen, wie die Demonstranten in der ukrainischen Hauptstadt von Neonazis gejagt wurden, wie die wenigen hundert CSDler vermummt erschienen, um nicht erkannt zu werden – und wie sie als Vertreterin des Oberbürgermeisters in der Partnerstadt von den offiziellen Stellen immer ignoriert und nie empfangen wird (Bürgermeister Kiews ist übrigens nach wie vor ein gewisser Vitali Klitschko). Und trotzdem sieht Dietrich die Partnerschaft als sehr, sehr wichtig an. „Ohne die internationale Aufmerksamkeit würde es dort nicht vorangehen“, sagt sie. Und es sei schon viel vorangegangen. „In der Community ist dort ganz viel passiert“, sagt Dietrich. „Inzwischen kann der CSD in der Innenstadt stattfinden, die Route ist nicht bis zuletzt geheim. Und doch müssen wir immer noch von 5000 Polizisten geschützt werden.“ Was sie sich für die Kiewer Freunde für die nächsten fünf Jahre wünscht? „Ich wünsche mir 10 000 Demonstranten“, sagt Dietrich. „Maximal 200 Polizisten, einen angstfreien CSD. Dass alle ihre Menschenrechte angstfrei und selbstverständlich erleben können.“

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