Moritz Körner: „Wir sind der schärfste Kontrast zur AfD."

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Der 27-jährige Landesvorsitzende der Jungen Liberalen in NRW will in den Landtag. Seine Agenda schafft es dann auch, das Liberale vom Wörtchen Neo zu trennen. Im Interview verrät uns Moritz seine Ansätze zur digitalen Gesellschaft, inneren Sicherheit und dass das Eintreten für sexuelle Minderheiten zur DNA seiner Partei gehört.

FOTO: MARIUS HOPPE

Kannst du dir die hohen Umfragewerte in NRW erklären?

Wir haben in den letzten Jahren in NRW meistens rund zwei Prozent über dem Bundesschnitt gelegen. Das liegt denke ich daran, dass wir im Landtag stark vertreten sind und dadurch auch in den Medien eine Rolle spielen. Und natürlich sind wir durch Christian Lindner einfach präsenter.

Und inhaltlich?

Wir sind der schärfste Kontrast zur AfD. Die machen Politik mit Angst und Ressentiments, und wir setzen auf Mut und Optimismus des Einzelnen. Deswegen sind auch Zukunftsthemen besonders wichtig, was uns als Junge Liberale sehr gefällt. Wir haben das Thema Bildungspolitik ganz stark in den Vordergrund gestellt. Digital darf nicht nur die Pause sein.

Das ist auch dein persönlicher Schwerpunkt, richtig?

Ja, absolut. Wir brauchen zum einen eine gute technische Ausstattung an Schulen und Hochschulen und zum anderen gutes Personal, das auch damit umgehen kann. Das ist ein zentrales Problem in ganz Deutschland. Wir liegen damit unheimlich weit zurück. Wer jetzt in die Schule kommt, wird in zwanzig Jahren einen Job haben, von dem wir heute noch nicht mal wissen, wie der aussehen wird. Aber wir wissen, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit etwas mit Digitalisierung zu tun haben wird.

Was gibt es für die heutige Gesellschaft im Bereich Digitales zu tun?

Wir wollen, dass man nicht mehr so viel Zeit mit Wartemarken in Behörden und Ämtern verbringt. Heutzutage geht das digital wesentlich besser und effizienter und bequemer. Wir wollen ein digitales Bürgerzentrum. In Estland kann man in fünf Minuten seine Steuererklärung online abgeben – warum geht das hier nicht?

Foto: FDP NRW

Hast du eine Idee, warum es noch nicht geht?

Unsere Bürokratie ist nicht mehr zeitgemäß. Es fehlt der Ehrgeiz, auch einmal radikale neue Wege zu gehen und zu sagen, wir machen das jetzt. Die Regierung hat angekündigt, bis 2030 Behördenkommunikation online zu ermöglichen. Das geht viel zu langsam. Deswegen ist eine unserer Forderungen, die auch Christian Linder vertritt, die Schaffung eines Ministeriums für Digitales. Wir müssen alle Aspekte der Digitalisierung gebündelt behandeln. Das ist ja nicht nur die Behördenfrage. Da geht es um schnelle Netze, um Infrastruktur, um juristische Fragen zum Beispiel im Bereich des autonomen Fahrens. Deutschland scheint weltweit das einzige Land zu sein, das es schafft, seine Bürokratie im Rahmen der Digitalisierung noch komplizierter zu machen. Es gibt zwar Pilotprojekte in NRW, wie zum Beispiel das Beantragen von BAföG online, aber nur mit dem Lesegerät für den Personalausweis für 60 Euro Anschaffungsgebühr. Und das Beste: Selbst wenn man es online gemacht hat, muss man es noch mal ausdrucken und abschicken.

„Warum ist das so kompliziert, ich weiß doch, dass das einfacher geht – siehe Onlinebanking.“

Also im Prinzip das klassische FDP-Thema Bürokratieabbau neu belebt?

Absolut. Das ist vielleicht auch ein weiterer Punkt zur Beantwortung deiner ersten Frage. Das kommt bei den Menschen an. Die fragen sich das doch auch: Warum ist das so kompliziert, ich weiß doch, dass das einfacher geht – siehe Onlinebanking.

Die Digitalisierung wird zu massiven Veränderungen am Arbeitsmarkt führen. Wo steht NRW da?

Ich sag immer spottend: Wie viele Gründer braucht man in Nordrhein-Westfalen, um ein Start-up zu gründen? Keinen, die sind alle in Berlin. (lacht) Das ist natürlich überzogen, aber international gesehen gibt es Zentren, in denen Gründer und Kapitalgeber aufeinandertreffen und tolle Projekte starten. Das ist in Deutschland halt Berlin zurzeit. Aber trotzdem frage ich, warum NRW mit einer der höchsten Hochschuldichten nicht mehr schafft.

Die RWTH Aachen ist eine der führenden Innovationsuniversitäten der Erde ...

Richtig. Da hat die Landesregierung zu wenig gemacht. Wir waren hier schon weiter mit unserem Hochschulfreiheitsgesetz. Der FDP-Minister hat damals den Hochschulen die Freiheit gegeben, weitgehend unabhängig auch mit der Wirtschaft zu kooperieren. Die Freiheit der Bildung darf darüber nicht eingeschränkt werden, aber es muss wieder möglich werden, dass Projekte aus der Forschung, aus dem Studium auch ohne große Hürden in Wirtschaftsprojekte münden können, dass Investitionen möglich sind. Und auch, dass die Mentalität verändert wird und ein Scheitern nicht mehr so stark negativ betrachtet wird.

Als schwules Magazin interessiert uns natürlich auch ein anderes Freiheitsthema: die Gleichstellung aller Menschen, explizit die von sexuellen Minderheiten. Auch da ist NRW mit dem Aktionsplan mal Vorreiter gewesen. Du hast einen schönen Post zum Karneval gemacht: „Sei was du sein willst, egal ob Karneval ist der nicht.“ Wie definierst du dich denn?

Zurzeit als ein glücklicher schwuler Singlemann. (lacht) Natürlich mache ich Politik auch, weil ich in diesem Bereich Erfahrungen habe. Aber nicht eingeschränkt auf diesen Bereich oder diese Erfahrungen. Eine vielfältige, offene Gesellschaft ist eines meiner zentralen Anliegen und auch eines der grundsätzlichen liberalen Anliegen einer Partei wie der FDP.

Diese offene Gesellschaft wird im Moment infrage gestellt und bedroht. Wie wichtig ist innere Sicherheit für die FDP?

Wir müssen unsere offene Gesellschaft verteidigen. Dazu müssen auch Probleme angesprochen werden, ohne von der einen Seite skandalisiert zu werden oder von der anderen Seite marginalisiert. Es muss möglich sein, dass Frauen unbehelligt über die Kölner Domplatte laufen können, und es möglich sein, dass das ein schwules Pärchen tut. Ich finde es besonders spannend, wie hier die Konservativen auf einmal ihre große Toleranz entdecken und diese in Talkshows laut beteuern. Mit euren Taten wart ihr ehrlicherweise vor ein paar Jahren und zum Teil bis heute noch nicht so weit.

*Interview: Christian Knuth

www.moritz-koerner.de /

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