BRASILIEN: Dschungelcamp

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Er ist eines der faszinierendsten Ökosysteme der Erde: Im brasilianischen Regenwald lässt sich Biodiversität hautnah erleben. Divers und queer geht es aber auch in den Bars und Klubs der Millionenmetropole Manaus zu, deren einstiger Reichtum noch heute zu spüren ist.

Foto: amazonglamping.com

Ein dumpfes Quaken hier, ein helles Zirpen dort, ab und an ein gellender Schrei. Die Musik der Nacht im Amazonas-Regenwald kann je nach Betrachtungsweise wunderschön oder extrem beängstigend sein. Wer sich nach Sonnenuntergang in das grüne Dickicht wagt, sollte seine Begleitung gut auswählen. Mit dem 26-jährigen Igor, ausgerüstet mit Gummistiefeln, einer hellen Stirnlampe und einer Machete, scheint man auf der sicheren Seite. Seit fünf Jahren lebt und forscht der schwule Herpetologe im Amazonasgebiet. Sein Spezialgebiet: Schlangen und Frösche, von denen es auf dem 300 Hektar großen Areal des Amazon Emotions Private Refuge jede Menge gibt. An die vierzig Amphibien- und zwanzig Schlangenarten hat er gemeinsam mit seinem Freund – auch er Biologe mit dem Schwerpunkt auf Amphibien – bereits nachgewiesen, darunter mindestens eine neue Art. Finanziert wird das Projekt, das Igor mit seinem Freund in Kooperation mit dem Amazonian Biodiversity Studies Centre (CENBAM) durchführt, von Vanessa Marino, Eigentümerin des Grundstücks und der darauf befindlichen Lodge. „Man kann nur schützen, was man kennt“, so Marino, die vor der Eröffnung über zwanzig Jahre lang Erfahrungen als Reiseveranstalterin für Natur- und Abenteuerreisen im Amazonasgebiet sammelte. Zudem ist es ihr wichtig zu wissen, welche Artenvielfalt ihr Stück Urwald zu bieten hat, und investiert daher in Igors Langzeitstudie. „Für uns ist es eine fantastische Gelegenheit, über einen langen Zeitraum unsere Studien zu betreiben“, so Igor. „Zudem habe ich hier die Möglichkeit, unseren Gästen die unglaublich spannende Tierwelt zu zeigen.“

Foto: Dirk Baumgartl

Tukan, Jaguar & Co

Die Nachtexkursion ist sicher eines der Highlights, die man während seines Aufenthalts im Dschungel erlebt. Neben Fröschen sind etliche Insekten wie Nachtfalter, Käfer und Ameisen unterwegs, kleine Reptilien wie Geckos oder Eidechsen findet man dagegen schlafend auf Blättern oder an Baumstämmen. Mit einer UV-Lampe macht sich Igor auf die Suche nach im Dunklen leuchtenden Pilzen, die er schließlich findet. Aber auch Insekten leuchten unter seiner Lampe in grellen Farben auf. Und mit etwas Glück bekommt man kleine Säugetiere wie Baumratten, Capivaras oder Gürteltiere zu Gesicht, während man Tapire oder gar den hier umherstreifenden Jaguar wohl kaum sehen wird.

Foto: Dirk Baumgartl

Ganz anders präsentiert sich der Regenwald bei Tag. Schon kurz vor Sonnenaufgang hört man die Rufe des Tukans, kleine Schwärme von Gelbbrustaras fliegen von Baumkrone zu Baumkrone, und was wie das Rauschen einer fernen Autobahn klingt, sind die territorialen Rufe einer Horde von Brüllaffen. Bei einem Dschungel-Trekking mit einem indigenen Guide und auf Wunsch in Begleitung von einem Biologen wie Igor lernt man vor allem die Pflanzenwelt des hier wachsenden Trockenwaldes kennen. Palmen, Farne, Lianen, Feigen- und Rosenholzbäume sind nur einige der insgesamt 16.000 Baumarten, die man im Amazonasbecken findet. Während in den Baumwipfeln Klammer- und Brüllaffen toben, fliegen zwischen den Baumstämmen schillernde Schmetterlinge, und auch winzig kleine grüne Pfeilgiftfrösche findet Igor dank seiner Erfahrung mühelos. Nichts für schwache Nerven ist die Begegnung mit einer handtellergroßen Vogelspinne, die vom Guide aus ihrer Höhle herausgekitzelt wird.

Foto: amazonglamping.com

Ganz privat

Neben den Wanderungen durch den Regenwald mit lokalen Guides und Biologen stehen bei einem Aufenthalt im gut zwei Autostunden nördlich von Manaus gelegenen Amazon Emotions Private Refuge auch weitere Aktivitäten auf dem Programm. Vom Einkauf der Zutaten für das Abendessen auf einem lokalen Markt über Wanderungen zu den rund um die Kleinstadt Presidente Figueiredo gelegenen Wasserfällen und einem Workshop zum Kennenlernen des indigenen Kunsthandwerks bis hin zu einem kulinarischen Erlebnis mit Produkten aus der Region: Dass sich das Team der komfortablen Lodge ganz und gar seinen Gästen widmen kann, liegt daran, dass hier nur jeweils eine Gästegruppe beherbergt wird: Man ist entweder allein, als Paar, Familie oder eine kleine Gruppe von Freunden mit maximal acht Personen. Das gilt auch für das auf dem Gelände befindliche Glamping-Camp, in dem man den Regenwald mit all seinen Geräuschen und Gerüchen noch unmittelbarer erlebt. In den drei auf hölzernen Plattformen stehenden Zelten haben bis zu zwölf Personen Platz und verfügen über Außenduschen und Toiletten mit Spülung. Seit 2023 gibt es Amazon Glamping zudem saisonal an den Ufern des Rio Negro.

Foto: Dirk Baumgartl

Luxus am Fluss

Der „Schwarze Fluss“ trägt seinen Namen aus gutem Grund: Humin- und Fulvosäuren, die der Fluss im Laufe seiner über 2.000 Kilometer langen Reise vom Bergland Guayanas und Kolumbiens bis zu seiner Mündung in den Amazonas bei Manaus auswäscht, färben das Wasser schwarz. Der Säuregehalt des nährstoffarmen Wassers sorgt zudem dafür, dass sich Mückenlarven im Rio Negro nicht entwickeln und in der Region nur wenige Stechmücken anzutreffen sind. Ein Vorteil, den sich viele Unterkünfte zunutze machen und daher am Rio Negro statt dem arten-, aber auch moskitoreichen Amazonas zu finden sind. Ein weiterer Grund, den Rio Negro für einen Besuch des Amazonas-Regenwaldes zu wählen, ist das gut 100 Kilometer flussaufwärts von Manaus gelegene Anavilhanas Archipel. An die 400 Inseln finden sich im an dieser Stelle bis zu 27 Kilometer breiten Fluss und können während der Trockenzeit besucht werden. Völlig anders sieht die Landschaft in der Regenzeit aus. Dann steht das Wasser bis zu 15 Meter höher und reicht bis unter die Baumkronen der Urwaldriesen. Die „schwimmenden Wälder“, von einem Labyrinth aus Kanälen durchzogen, sind Heimat von Faultieren, Kaimanen, Boas und über 200 Vogelarten. Wer auch im Urwald Wert auf Luxus legt, findet in der Anavilhanas Jungle Lodge die richtige Bleibe. Ähnlich wie in Safari-Lodges in Afrika übernachten die Gäste in großen privaten Villen, ein Pool mit Blick auf den Rio Negro lädt zum Entspannen ein und im Restaurant werden lokale und internationale Gerichte auf Spitzenniveau serviert. Auf dem Programm eines in der Regel zwei bis drei Nächte dauernden Aufenthalts stehen Exkursionen durch die Flusslandschaft und zu den Inseln, eine Nachtsafari mit dem Boot sowie ein Besuch in einer kleinen Gemeinde, deren Bewohner von der Lodge unterstützt werden und Besuchern Auskunft über ihren Alltag geben. Auch Kanufahrten oder das Angeln von Piranhas wird je nach Saison angeboten. Zu den Höhepunkten zählt die Beobachtung von rosafarbenen Flussdelfinen, die oft sehr nahe ans Boot kommen.

Foto: Dirk Baumgartl

Paris der Tropen

Auch von Manaus aus lassen sich Botas, wie die pinken Wassersäuger in Brasilien heißen, besuchen. Einige der Tiere sind besonders standorttreu und halten sich in der Nähe schwimmender Restaurants und Cafés auf, von denen man ins Wasser springen und mit den Delfinen schwimmen kann. Auf privaten Tagesausflügen mit Anbietern wie Amazon Explorers geht es aber auch zur Mündung des schwarzen Rio Nero in den helleren Amazonas, die hier aufgrund unterschiedlicher Wasserdichten, Temperaturen und Fließgeschwindigkeiten fast 11 Kilometer im selben Flussbett fließen, ohne sich zu vermischen. Ebenfalls außergewöhnlich ist der private Besuch bei Vertretern von indigenen Stämmen aus dem nördlichen Amazonasgebiet, die sich zwischen Manaus und Anavilhanas angesiedelt haben und Besuchern ihre Traditionen näherbringen wollen. Wer will, kann in dem kleinen Dorf gemeinsam mit ihnen übernachten und mehr über ihren Alltag kennenlernen. Auch die Großstadt Manaus kann mit kenntnisreichen Guides von Amazon Explorer während einer Belle Èpoque City Tour erkundet werden.

Foto: Dirk Baumgartl

Aushängeschild der etwa 1,8 Millionen Einwohner zählenden Metropole ist das Teatro Amazonas, jenes am Silvestertag 1896 eingeweihte Opernhaus, das in Deutschland vor allem durch Werner Herzogs Film „Fitzcarraldo“ (mit Klaus Kinski in der Titelrolle) eine gewisse Berühmtheit erlangte. Ein Besuch des mit seiner bunt gekachelten Kuppel und dem neobarocken Zuschauerraum beeindruckenden Theaters gehört ebenso zum Pflichtprogramm wie das Schlendern durch die von Gustave Eiffel entworfene stählerne Markthalle am Ufer des Rio Negro. Beide Gebäude sind Ausdruck jenes unermesslichen Reichtums, zu dem die Stadt und ihre Bewohner in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dank des boomenden Handels mit Kautschuk kamen. Mit Gebäuden wie Opernhaus und Markthalle, aber auch durch prächtige Villen und Kolonialbauten, galt Manaus als „Paris der Tropen“, von dem aus Handelsschiffe nach New York oder Liverpool fuhren. „Für die Frauen dieser Zeit war es selbstverständlich, Mode aus Europa zu tragen. Das Hochzeitskleid meiner Großmutter, in dem sie 1911 geheiratet hat, wurde damals in Brüssel gekauft“, erzählt Rui Franco de Sa.

Foto: Dirk Baumgartl

Der 65-Jährige ist eine Institution im queeren Nachtleben von Manaus und Besitzer der Cabaret Disco sowie der schwulen Sauna Clube H2O. „Die Szene in Manaus ist groß, es gibt zahlreiche große und kleinere Bars, darunter die Discos 443 und Central Park. Darüber hinaus befindet sich in der Altstadt von Manaus der älteste queere Klub Brasiliens. Seit 1967 ist der TS Club bereits fester Bestandteil der Szene“, so Rui. Er selbst hat viele Jahre in den USA verbracht, dort studiert und als Architekt gearbeitet. Seit 2003 ist er in seine Heimatstadt Manaus zurückgekehrt, die er vor allem auch als kulturellen Schmelztiegel schätzt. „Viele Einwohner haben portugiesische oder britische Wurzeln, zudem lebt in der Stadt die größte japanische Gemeinde außerhalb von São Paulo, und natürlich spielt die indigene Bevölkerung der Amazonasregion eine bedeutende Rolle“, erzählt Rui. Über das Jahr verteilt sorgen Veranstaltungen wie der Karneval im Februar, das Amazonas Food Festival im März, das Opernfestival im April und Mai, ein Jazz-Fest im Juli, das Musikfestival Boi Manaus im Oktober und nicht zuletzt Silvester für Abwechslung. Mit Maomoon findet rund um den Jahreswechsel in und um Manaus ein mehrtägiges queeres Festival statt – inklusive Bootsparty und Ausflügen in die Umgebung. Damit der Dschungel noch bunter wird.

Foto: Dirk Baumgartl

INFO

www.visitbrasil.com

ANREISE

Die Fluggesellschaften LATAM und GOL fliegen mehrmals täglich nonstop unter anderen ab São Paulo und Brasilia nach Manaus. GOL bietet zudem eine Nonstop-Verbindung ab Miami an. www.voegol.com.brwww.latamairlines.com

Hotel

Das luxuriöse Boutiquehotel Villa Amazônia liegt im Herzen der Altstadt von Manaus und direkt gegenüber dem Opernhaus. Neben geräumigen Zimmern mit allem Komfort verfügt das Hotel über einen kleinen Pool sowie ein exzellentes Restaurant. www.villaamazonia.com

Regenwald

Mit Amazon Emotions hat man die Gelegenheit, den Regenwald unmittelbar und ganz privat zu erleben. Bis zu acht Personen finden in der Lodge mit atemberaubendem Blick auf 300 Hektar Regenwald Platz – auf dem gleichen Grundstück befindet sich auch ein Glamping Camp für bis zu zwölf Personen. Je nach Interesse kann man auf Exkursionen mit einem lokalen Guide den Dschungel bei Tag und Nacht erkunden, zu Wasserfällen wandern oder an Workshops zum Thema Kochen oder Handwerk teilnehmen. Auf Wunsch sind auch Biologen wie der schwule Herpetologe Igor buchbar. www.amazonemotions.com

www.mhtour.com.br

TIPP

Der in schwulem Besitz befindliche Veranstalter MHTour ist auf individuelle Luxusreisen innerhalb Brasiliens spezialisiert und entwirft ganz nach persönlichen Wünschen Reisen in das Amazonasgebiet vom Flug über Transfers und Ausflügen bis zu Hotels und Lodges. www.mhtour.com.br

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