Peru: Ein Hoch auf die Vielfalt

by

Foto: Tobias Sauer

Nirgendwo lässt sich Perus kultureller Reichtum intensiver erleben als auf den Märktenund in den Küchen des Landes. Auf Entdeckungsreise mit schwulen Insidern lernt manviel Neues – und erlebt Überraschungen.

Wenn es stimmt, dass Liebe durch den Magen geht, sollte es nicht lange dauern, bis man sich in Peru so richtig verknallt. Schon der Markt in Miraflores, einem hübschen Viertel der Hauptstadt Lima, reizt die Sinne: Der Geruch von Kräutern liegt in der Luft, in den Farben des Regenbogens leuchtet das angebotene Obst, und über allem rauschen die lauten Gespräche von Käufern und Händlern an den Marktständen. Alleine wäre man hier schnell verloren, doch Guide Christian führt die kleine internationale Reisegruppe souverän durch die engen Gässchen der überdachten Halle. Der 39-Jährige stammt eigentlich aus Regensburg, lebt aber seit sechs Jahren in Lima, wo er gemeinsam mit seinem peruanischen Freund Yurac seine „Skykitchen“-Kurse anbietet und Besuchern die lokale Küche näherbringt.

Christian behält nicht nur den Überblick, sondern er erklärt; zeigt auf die kurzen, dicken und sehr gelben Zuckerbananen, auf rote Drachen- und grüne Kaktusfrüchte. Die Lima-Frucht, die er in die Hand nimmt, sieht aus wie eine Zitrone, schmeckt aber süß. Wollte er auf alle Früchte und Gemüsesorten eingehen, man müsste den ganzen Tag hierbleiben. „Die Inka“, erzählt er, „kannten über 50 Sorten Mais – und mehr als 4.500 Arten von Kartoffeln.“ Und nicht nur die Inka haben in der peruanischen Küche ihre Spuren hinterlassen. Vor ihnen gab es andere Kulturen, nach ihnen kamen die Spanier, und mit denen Einwanderer aus Europa, Asien und Afrika. Für die Sauce zum Fleisch etwa nutzt man gerne Essig, Sojasauce und Rotwein mit etwas Oregano – eine Mischung, die weder asiatisch noch mediterran ist, sondern vor allem typisch peruanisch. Genau wie das Gericht, mit dem die peruanische Küche in den letzten Jahren weltweit berühmt wurde, und das Christian heute mit den Kursteilnehmern kochen will: Ceviche.

Foto: Tobias

Foto: Tobias Sauer

Foto: Tobias Sauer

Foto: Tobias Sauer

Foto: Tobias Sauer

Foto: Tobias Sauer

Die Idee, Touristen erst auf dem Markt und dann mit Messer und Pfanne peruanische Rezepte näherzubringen, kam Christian und seinem Lebensgefährten als die beiden gerade gemeinsam nach Peru gezogen waren. Kennengerlernt hatten sie sich in München. „In Lima gab es nur Kurse, die einen Monat dauerten, wie in der Volkshochschule“, erklärt Christian. Viel zu lang für Besucher aus dem Ausland, die meist nur wenige Tage in der Stadt bleiben – und eine Marktlücke für den Einwanderer, der sich in Peru mittlerweile zuhause fühlt. Dabei ist Peru in Sachen Homo-Rechte weniger fortschrittlich als viele Nachbarstaaten. „Ich bin aber noch nie homophob beleidigt worden“, sagt er. Seit einigen Jahren gibt es zudem auch in Lima einen Pride, auf dem jedes Jahr mehr Besucher demonstrieren. Zurück nach Europa will er jedenfalls erstmal nicht.

Was vielleicht auch daran liegt, dass Peru ständig zu neuen Entdeckungen reizt. Auf einer für südamerikanische Verhältnisse kleinen Fläche – aber immer noch der vierfachen Größe Deutschlands – wechseln sich gleich drei extrem gegensätzliche Landschaften ab: Lima und die Küstenregion liegen erstaunlicherweise in der Wüste, weil die Wolken auf der anderen Seite der Anden abregnen, im fast undurchdringlichen Regenwald am Amazonas. Zwischen den beiden Klimazonen ragen die Berge fast sieben Kilometer hoch in den Himmel – am Gipfelkreuz der Zugspitze hätte man also noch nicht einmal die Hälfte der Höhenmeter hinter sich. Trotz der Nähe zum Äquator kann es im Gebirge mit unter 10 Grad recht kühl werden, tropisch fühlt es sich auf rund 3.000 Metern Höhe jedenfalls nicht an.

Nicht nur kalt ist es so weit oben, auch die Luft wird dünn. Ein paar hundert Meter zu Fuß, und den Ungeübten schwindet der Atem, Treppenstufen werden zur echten Anstrengung. Wer aber Zeit hat, sich an die Höhe zu gewöhnen, kann tolle Wanderungen unternehmen, etwa in die Ruinenstadt Machu Picchu, wo sich das Erbe der Inka am intensivsten erfahren lässt. Beeindruckend sind auch die Märkte, die hier, in der kargen Landschaft, mindestens so bunt sind wie in Lima. Riesige Zwiebeln haben die Marktfrauen zum Beispiel im kleinen Ort Chinchero im Angebot, Kohlköpfe und bergeweise Zitronen und Orangen, Blumen und Kräuter wie Petersilie und Koriander.

Foto: Tobias Sauer

Foto: Tobias Sauer

Foto: Tobias Sauer

Foto: Tobias Sauer

Foto: Tobias Sauer

Foto: Tobias Sauer

Foto: Tobias Sauer

Foto: Tobias Sauer

Die Gegend profitiert vom alten Handelsstraßennetz, das die Inka anlegen ließen, um ihre Hauptstadt Cusco zu versorgen. Noch heute hat sich die einst blühende Stadt eine kosmopolitische Stimmung bewahrt. Altamerikanische und europäische Kulturen befruchten sich nach wie vor gegenseitig und ergeben immer wieder Neues. Für Andrés, der in Cusco gemeinsam mit seinem Freund Carlos das Restaurant und Gästehaus Fallen Angel betreibt, ist das beinahe selbstverständlich. „Wir leben in einer globalen Welt,“ sagt Andrés, „die Distanzen werden kleiner. Also transformieren wir die Trends, kombinieren sie mit Lokalem.“ Den Anfang machen sie in ihrem eigenen Haus: Im kleinen überdachten Innenhof des „Fallen Angel“ begrüßt eine riesige Statue die Gäste, moderne Kunst ist in jedem der individuell eingerichteten Räume zu finden. Die meisten Künstler kommen zwar aus der Gegend, sind aber alles andere als provinziell. Schon seit Jahrhunderten bringen Kunstschaffende vielfältige Einflüsse nach Cusco. „Die Stadt steckt voller Geschichten“, sagt Carlos und verweist etwa auf die Mischung verschiedener Baustile, die viele repräsentative Gebäude der Stadt charakterisieren. Kirchen sind da in Inka-Paläste hineingebaut, deren Vergangenheit man an den riesigen Steinblöcken erkennen kann, die ohne Mörtel passgenau aufeinandergesetzt wurden – eine architektonische Meisterleistung. Auf Gemälden wird die christliche Jungfrau Maria dargestellt mit allen Insignien der alten Berggötter. Und Jesus und seine Jünger genießen auf einem weiteren Bild in der Kathedrale von Cusco das letzte Abendmahl auf äußerst überraschende Weise: Nicht Brot wird hier gebrochen, sondern ein fettes, knusprig gebratenes Meerschweinchen verspeist. Wer darauf anschließend ebenfalls Lust bekommen hat, kann sich die lokale Delikatesse in vielen Restaurants übrigens problemlos bestellen. Und wenn einen Peru erst dazu verführt hat – spätestens dann muss es wirklich wahre Liebe sein!

Back to topbutton