Kolumbien im Aufwind

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Foto: ProColombia/Mario Carvajal

Spätestens seit Einführung der Ehe für alle im Jahr 2016 gehört Kolumbien zu den LGBTIQ*-freundlichsten Ländern Südamerikas. Nicht nur in der Hauptstadt Bogotá weiß die Szene zu feiern – in der an der Karibikküste gelegenen Hafenstadt Barranquilla tanzt man auf dem wohl schwulsten Karneval der Welt.

Wetterleuchten über Bogotá. In schöner Regelmäßigkeit entladen sich die Gewitter am Abend über Kolumbiens Hauptstadt. Umrahmt von den Gebirgszügen der Anden und immergrüner Vegetation liegt die Millionenmetropole auf über 2.600 Metern über dem Meeresspiegel, es herrscht bei Durchschnittstemperaturen von 13 Grad ein gemäßigtes Klima. Mit acht Millionen Einwohnern gehört der Großraum Bogotá zu den am schnellsten wachsenden Städten Südamerikas. Einst unter dem Namen Bacatá Hauptstadt kolumbianischer Ureinwohner, wurde die Stadt 1538 von den spanischen Eroberern offiziell neu als Santa Fe gegründet und später – nach der Unabhängigkeit 1819 – in Bogotá umbenannt. Während der Kolonialzeit wurde das kulturelle Leben der Stadt von den großen katholischen Orden geprägt, deren Kirchen und Klöster das Stadtbild wesentlich prägten. In der historischen Altstadt La Candelaria stößt man nicht nur auf bunte Häuserfassaden, sondern zugleich auf jede Menge Straßenkunst. Bogotá gilt als Hochburg für Graffitikünstler, denen die Stadt und Privatleute etliche Flächen zur Verfügung stellen, um sich zu verwirklichen. Kostenlose Touren von Bogotá Graffiti Tour geben Einblicke in die aktuelle Kunstszene vor Ort. Ebenso sehenswert ist das nicht weit von der Altstadt entfernte Goldmuseum, das die weltweit bedeutendste Sammlung präkolumbianischer Kunstwerke beherbergt und mit seiner Masse von knapp 40.000 Exponaten aus purem Gold den Betrachter fasziniert.

Foto: Dirk Baumgartl

Foto: Dirk Baumgartl

Foto: Dirk Baumgartl

Streifzug durch die Szene

Große Augen bekommt man auch bei einem Ausflug in Bogotás schwule Szene. Dank fortschrittlicher Antidiskriminierungsgesetze und der Einführung der Ehe für alle im Jahr 2016 gilt Kolumbien als eines der LGBTIQ*-freundlichsten Länder Südamerikas, das sich zudem fit macht für queere Touristen aus aller Welt. Die im Aufwind befindliche Tourismusindustrie profitiert dabei von der immer homofeindlicheren Stimmung im Nachbarland Brasilien, das bis zur letzten Parlamentswahl zu den beliebtesten schwulen Reisezielen in Südamerika zählte. Wer sich einen guten Überblick über die Bars und Klubs der Stadt verschaffen will, kann dies mit den Jungs von The Queer Scout tun. Kompetent lotsen die Guides schwule Touristen durch Bogotás Nachtleben. In der Regel die Tour in Südamerikas größtem LGBTIQ*-Klub Theatron, der einen ganzen Straßenblock belegt und bei voller Kapazität bis zu 5.000 Gäste aufnimmt. Diese verteilen sich dann in einem guten Dutzend kleinerer Bars, Cafés und Klubs – auch eine ausschließlich für Frauen reservierte Tanzfläche ist hier zu finden. Bei lauten Reggaeton- und Dance-Klängen lassen die Go-go-Tänzer nicht nur sämtliche Hüllen fallen, sondern auch der größte Tanzmuffel fängt irgendwann an, sich hier zu bewegen. Wer südamerikanische Lebensfreude in Verbindung mit schwulem Hedonismus sucht, der findet sie genau hier.

Foto: Dirk Baumgartl

Schwuler Karneval

Heiße Rhythmen und ekstatischer Tanz prägen auch das Leben in der gut neunzig Flugminuten Richtung Norden gelegenen Hafenstadt Barranquilla. Die Industriestadt an der Karibik ist vor allem berühmt für ihren Karneval, der als einer der fünf größten Karnevale der Erde gilt und auf eine über 100-jährige Tradition zurückblickt. Im Karnevalsmuseum erfährt man alles über die Masken, Gestalten und Tänze des zum mündlichen und immateriellen UNESCO-Welterbe zählenden Events. Vor allem die Figur der Marimondas, einer Art wilder Spaßmacher, prägen das Bild dieses Karnevals. Mit einer Stoffmaske, die mit langer Nase und großen Ohren ein wenig an einen Elefanten erinnert, stürmen die Marimondas wie Kobolde durch die Menge. Bereits vor dem Höhepunkt der Karnevalsumzüge an den vier Tagen vor Aschermittwoch feiert die Stadt mit kleineren Paraden („Guachernas“) in die eigentlichen Festivitäten hinein. Zu den beliebtesten zählt dabei die Guacherna Gay – ein nächtlicher Karnevalsumzug der LGBTIQ*-Szene mit allem Glitzer und Camp, den man sich vorstellen kann: Graziöse Dragqueens, herausgeputzte Tänzer, halb nackte Kerle und ein ganzer Trupp gelb-rot gekleideter Marimondas – auf einmalige und bewundernswerte Weise verbinden sich hier kulturelle Traditionen mit dem Gefühl einer Pride-Parade – und die Zuschauer sind begeistert (zur Blu-Fotogalerie). Nach der Parade und auch während der Karnevalstage feiert die Szene in ihren Bars und Klubs bis in den frühen Morgen – etwa im riesigen, auf zwei Stockwerken befindlichen Lives Megaclub. Hier findet zum Karneval auch ein dreitägiges Gay Circuit Festival statt, zu dem selbst die Szene aus Bogotá anreist. 

Foto: Dirk Baumgartl

INFO

www.colombia.travel/de

HINKOMMEN

Die niederländische Fluggesellschaft KLM fliegt bis zu sechsmal wöchentlich ab Deutschland über Amsterdam nach Bogotá sowie dreimal pro Woche nonstop von Amsterdam nach Cartagena. Geflogen wird mit einer Boeing 787-9 Dreamliner. Zubringerflüge nach Amsterdam gibt es ab zahlreichen deutschen Flughäfen. www.klm.com

TIPP

Der schwule Reiseveranstalter Out in Colombia mit Sitz in Medellín ist ein echter Spezialist in Hinblick auf Kolumbien und LGBTIQ*-Tourismus. Das Team um den US-Amrikaner Sam Castaneda Holden unterstützt vor allem bei der Planung individueller Reisen, bietet aber auch regelmäßig Gruppenreisen an. www.outincolombiatravel.com

Foto: Dirk Baumgartl

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