Schwules Washington: Stolze Hauptstadt

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Foto: Tobias Sauer

Nirgends wirkt US-Präsident Donald Trump so fehl am Platze wie in der weltoffenen, liberalen Hauptstadt Washington. Zum Pride machen deren Einwohner deutlich, was sie von ihm halten.

 Kaum ist das Weiße Haus in Sichtweite, stimmen die Demonstranten einen schwulen Klassiker an. „I will survive“, tönt es in Richtung von Donald Trumps Amtssitz aus hunderten, ja tausenden Kehlen. „Wir werden auch dich überleben“, das ist die Botschaft, die sie dem neuen US-Präsidenten übermitteln wollen. Keinen Zweifel lassen die Teilnehmer, was sie von „The Donald“ halten. „Shame“, Schande, rufen manche Demonstranten. Viele haben Trump-kritische Plakate mitgebracht oder sich sogar kostümiert. So droht eine Superwoman einem karikierten Trump – Merkmale: goldgefärbte Haare und überlange rote Krawatte – mit ordentlich Contra. Trump-Freunde dagegen sind hier keine zu sehen.

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Es sind nicht nur die Bewohner Washingtons selbst, die hier demonstrieren. Clark etwa ist aus New York angereist. Warum er hier ist? „Weil ich schwul bin und das Gefühl habe, dass es gerade jetzt wichtig ist, zusammenzustehen und für unsere Rechte einzutreten.“ Das sei zwar auch ohne einen Präsidenten Trump nötig, meint er. „Trump verschärft es jedoch. Trump ist die Konsequenz, weil wir es nicht genug gemacht haben.“ Und John ist gar aus dem fernen Arkansas, im tiefsten Süden der USA, nach Washington gefahren. „Es ist wichtig, dass Leute aus dem ganzen Land kommen“, meint er. Die Regierung solle ruhig sehen, wie groß die Bewegung für gleiche Rechte sowie für Anstand und Ehrlichkeit in der Politik sei.

In der Tat könnte Trump die Demonstration leicht abtun, hätten an ihr nur Hauptstadtbewohner teilgenommen. Die Stadt gilt als Hochburg der Demokraten. Trump erhielt hier bei der Wahl im November 2016 nur 4,1 Prozent der Stimmen, seine Konkurrentin Hillary Clinton hingegen 92,8 Prozent. Die Ablehnung beruht durchaus auf Gegenseitigkeit. Trump hatte mit Blick auf Washington oft genug erklärt, den dortigen „Sumpf“ trockenlegen zu wollen.

Während Trump bisher keines seiner großen politischen Projekte umsetzen konnte, konzentrierte er sich dafür umso mehr auf Maßnahmen, die vor allem Minderheiten ins Visier nehmen. Der Einreisestopp für Menschen aus mehrheitlich muslimischen Staaten sorgte im Januar nicht nur für Chaos an den amerikanischen Flughäfen, sondern auch für Schlagzeilen weltweit. In Bezug auf die queere Community entfernte das Weiße Haus unter anderem eine Regierungswebsite, die sich mit deren Rechten beschäftigte. Außerdem kündigte Trump an, einen Einstellungsstopp für Trans* in den amerikanischen Streitkräften zu verhängen.

Ryan Bos, dem Sprecher des Pride in Washington, geht es daher vor allem darum, jetzt Kante zu zeigen und die Vorschläge des neuen Herrn im Weißen Haus von vornherein kritisch zu begleiten. „Wir haben eine Verantwortung, in der Hauptstadt unsere Stimme hören zu lassen, sichtbar zu sein auf Amerikas Main Street“, erklärt er kämpferisch. Um sicherzustellen, dass dies auch gelingt, bestand der Pride in diesem Jahr gleich aus zwei Umzügen und einem Festival an zwei Tagen. Zunächst zog am Samstag eine Parade durch das klassische Regenbogenviertel Dupont Circle. In den schönen, von großen Bäumen gesäumten Straßen, die auch außerhalb der Pride-Saison zu ausführlichen Erkundungen einladen, herrschte den ganzen Tag über eine positive, ausgelassene Stimmung, die ansteckend wirkte. Selbst die Angestellten von Kaffeeketten schmückten ihre Dienstkleidung in Regenbogenfarben, ein lokaler Buchladen fragte, welche Werke queerer Autoren man gerne in deren Regalen sehen würde. Viele Bewohner des Viertels hatten ihre Läden, Bars und Privathäuser aus Anlass der Parade äußerst aufwändig mit Flaggen und Luftballons verziert. Bis in den späten Abend hinein wurde anschließend auf einer Block Party gefeiert. In vielen der kleinen Vorgärten saßen Freunde bei einem Bier zusammen und genossen den Tag.

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Am nächsten Morgen folgte dann der Equality March for Unity and Pride mit tausenden Teilnehmern, zu dem jede*r eingeladen war – und in dessen Rahmen es auch zur Gesangseinlage vor dem Weißen Haus kam. Doch damit nicht genug: Denn der Equality March endete in einem Festival auf der Pennsylvania Avenue, die das Weiße Haus mit dem Kapitol, dem Sitz des US-Parlaments, verbindet. Schon von dessen Stufen ließ sich das Festival nicht nur gut sehen, sondern vor allem deutlich hören. Am Abend gab Popstar Miley Cyrus ein Gratiskonzert, während die untergehende Sonne die Kuppel des Parlaments rot leuchten ließ – der Höhepunkt eines Wochenendes, das Washington komplett in die Farben des Regenbogens tauchte.

„Nach den Erfolgen der vergangenen Jahre, als unter anderem die Ehe auch für schwule und lesbische Paare geöffnet wurde, haben manche den Bedarf an Prides infrage gestellt“, erinnert sich Sprecher Ryan an Diskussionen der letzten Zeit. Einige hätten gar gedacht, dass die wesentlichen Aufgaben der queeren Bürgerrechtler erledigt seien. Tatsächlich aber zeige sich, dass der Community die Arbeit nicht ausgehe. „Wichtig ist, dass wir uns von der Unsicherheit und Angst, die die Regierung verbreitet, nicht wieder ins Versteck treiben lassen“, sagt er mit Blick auf Trumps scheinbar willkürliche Verlautbarungen.

Danach sah es in Washington, der stolzen Hauptstadt der USA, auch überhaupt nicht aus. Nur der US-Präsident selbst bekam von alldem persönlich nichts mit. Wie so oft hatte er das Weiße Haus an jenem Wochenende verlassen. Diesmal nicht, um Golf zu spielen, sondern um vor Anhängern in Ohio eine Rede zu halten.

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