#Kolumne • Glaube und Hoffnung

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Foto: Selfie

Glaube und Hoffnung

Nun stehe ich hier am Ende der Zeiten, denn die Welt, in der ich einst lebte, gibt es nicht mehr. Es gibt keine Partys, Bars und Klubs mehr. Keine roten Teppiche, kein Blitzlicht und keine Filmdrehs oder Aufnahmen in Tonstudios. Keine Limousinen mehr, die vor meiner Haustür auf mich warten, keine Häppchen, keinen Champagner, kein Koks. Vom schillernden Mittelpunkt bin ich zu einer grauen Schattengestalt geworden, die in ihrer eigenen Wohnung herumspukt wie ein Geist.

Lebend von den schönen Erinnerungen an eine Zeit, in der alles aus Gold zu sein schien. Meine Kleider bleiben ungetragen und mein Make-up verstaubt auf den Schminktischen. Meine Lieder bleiben ungehört. Niemand, der sauber macht. Mein Putzmann kommt nicht mehr. Ich wohne in Berlin-Mitte und hab oft keinen Handyempfang. Gestern habe ich mit einem sehr hübschen Mann geschlafen, der entsetzlich dicke Oberschenkel hatte. Ist das überhaupt noch erlaubt? Ich hasse dicke Oberschenkel. 


Privilegierte ohne Wertschätzung 

Foto: M. Rädel

Als die Welt für mich scheinbar noch in Ordnung war, litt ich oft an Depressionen, Panikattacken und einem ständig gebrochenen Herz. Die Menschheit hab ich immer schon beweint. Das bleibt also gleich. Im gleichen Moment, in dem ich der größte Profiteur dieser Zeit des Überflusses war, war ich auch ihr größtes Opfer. Kein Traum war mir zu groß und kein Preis zu hoch, um die Visionen umzusetzen, die mein Kopf Tag für Tag auskotzte.

Erst jetzt erkenne ich, wie unwichtig alles war, was ich je getan habe. Wie klein und unbedeutend. Plötzlich sehe ich, dass es der größte Luxus war, in eine Bar zu gehen, dort eine Zigarette zu rauchen, mit Freunden zu reden und Sekt zu trinken. Ein Privileg, von dem ich nie verstanden habe, dass es keine Selbstverständlichkeit war, und bei dem ich jetzt erst realisiere, mit wie viel Glück und Freiheit es zu tun hatte.

Zeit meines Lebens sah ich mich als ein Genie des Wortes und als eine ziemlich gute Geschäftsfrau. Jetzt erkenne ich, es war wertlos, überschätzt und sinnfrei wie das neueste Duckface-Foto eines Influencers. Vielleicht so nötig wie das Posten seines selbst gekochten und optisch wenig ansprechenden Abendessens auf Facebook.

Heute will ich nur noch jenen ein guter Freund sein, die nach dem Untergang meiner Welt für mich da sind und mir jeden Tag meines Lebens Freude und Kraft schenken. Jene, die mich nicht verlassen haben und mit mir gemeinsam daran glauben, dass es nicht erst wieder gut werden muss, weil es schon längst gut ist. Weil es IMMER NOCH gut ist.


Innehalten, Rückbesinnung, Hoffnung

Und er wird kommen! Der große Regen, der all die Leichen und Kranken, all unsere Sorgen und Probleme, Ängste und Nöte und vor allem all den Schmerz, der tief in uns wütet, hinwegspült. So lange sollten wir die Zeit nutzen, um zu klarem Verstand zu kommen. Was ist uns WIRKLICH wichtig und auf was oder wen können wir leicht verzichten? Bei all den Horrormeldungen und schrecklichen Dingen, die wir jeden Tag hören und sehen, die uns die Nachrichten auf einem silbernen Tablett servieren und uns mit einem Diamantlöffel, der Quote wegen, in unsere völlig übersättigten Rachen schieben, kommt es jetzt auf eines an: Bescheidenheit.

Ein Innehalten ist jetzt wichtig. Eine Rückbesinnung auf ganz klare und womöglich altmodische Werte. Es gibt einen Grund, warum uns die Natur diesen gigantischen Infarkt geschickt hat. Vielleicht nur, um sich selbst eine Pause zu gönnen, vielleicht ein letzter Versuch, sich zu reinigen oder zu reparieren. Tja – Greta Thunberg darf sich nicht beschweren. Sie hat alles bekommen, was sie wollte, und noch viel mehr.


Wir werden wieder Leben und Lieben

Alles im Leben ist verbunden und hängt mehr oder weniger zusammen oder voneinander ab. Dessen bin ich mir völlig sicher. Der Wahnsinn, in dem wir uns befinden, wird viel von uns abverlangen und schlimme Opfer fordern. Aber jeder Katastrophe liegt ein neuer Anfang inne. Eine neue Chance.

Auch wenn ich mir sicher bin, dass die meisten Menschen zu dumm sind, daraus zu lernen, so stütze ich mein ganzes Leben auf die Prinzipien von Glaube und Hoffnung. Ich will mich an den fünf Prozent der Menschen orientieren, die intelligent genug sind, um dieses Universum annähernd zu verstehen, und nicht an den 95 Prozent der Dummen, die am Ende dieser Tage so weitermachen, als wäre nie etwas passiert. Die Meinung der Masse war für mich noch nie viel wert.

Wir werden wieder leben und wir werden wieder lieben.

Bis dahin – bleibt oder werdet gesund!

Eure Nina Queer


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