#Kolumne • Schwule brauchen kein Klopapier

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Schriftstellerin Nina Queer hat gerade einen mega Buch-Vertrag, bei einem neuen Verlag, unterschrieben – was sie zur erfolgreichsten queeren Autorin aller Zeiten im gesamten deutschsprachigen Raum macht. Deshalb freut es uns besonders, dass sie einmal pro Woche Zeit findet, um auf männer* ihre Ansichten zum Thema Corona zu schildern. Für uns ist es ein bisschen so wie zu der Zeit, in der MTV erfunden wurde und Andy Warhol einmal pro Woche seine fünfzehn Minuten Sendezeit hatte. GO GIRL!

Foto: Jannik Perse

Die Ausmaße dieser Pandemie sind für Popoliebhaber und Schwanzlutscherinnen noch viel schlimmer als für die Resterampe des Lebens – sprich: HETEROSEXUELLE. Heten beruhigt euch! Die Liebe zwischen Mann und Frau ist nicht normal! Nur weit verbreitet. Wie auch immer. Seit ein paar Wochen haben Beautysalons, Haarstudios und Luxusboutiquen geschlossen, schon sieht man auf der Straße einst stylishe Tucken völlig verwahrlost herumhuschen. Wie Ratten, die nachts aus ihren Löchern kommen, um die Mülleimer zu entern, flitzen sie am helllichten Tag, im Morgenmantel und gehüllt in Depressionen und Lagerfeld, in den Supermarkt, um dort Light-Joghurt, körnigen Frischkäse und Avocados zu erbeuten. Von Nudeln, Brot und Klopapier hält unsere Szene nichts.

Wir essen keine Kohlehydrate, und so etwas Ordinäres wie „SCHEISSEN“ kommt für uns sowieso nicht infrage.

Auch wirtschaftlich trifft die Corona-Krise unser Leben. Nicht nur in diesem Augenblick, sondern vor allem in der Zukunft. Bereits jetzt steht uns allen der Saft bis zu den Mandeln und wir denken Tag und Nacht nur noch ans Bumsen, Saufen, Feiern oder den Urlaub, der uns zweimal jährlich zusteht. Alle vier Dinge gehen aus bekannten Gründen gerade nicht. Die Frage, die sich uns stellen sollte, ist: Welche Klubs und Bars sind überhaupt noch da, wenn wir wieder Party machen dürfen? Die Klubs sind nicht nur Orte der Freude und des Entertainments, sie sind auch Arbeitgeber für Tausende von Menschen und Lebensretter für Kultur jeglicher Art. Und eben diese Klubs sind bedroht und wichtiger als je zuvor. Deshalb sollte man für sie spenden! Einen Euro hat jeder übrig. Da will ich keine Ausreden hören. Was ich aber unmöglich finde, sind die enormen Massen an Privatpersonen, die plötzlich im Internet, verkleidet als bedürftige Künstler, um Spenden bitten. 

Es ist doch eh schon so, dass jeder Trottel, der irgendwann mal auf der Bühne stand oder im Unterschichten-TV auftrat, 5.000 Euro als „Zuwendung“ einstreicht, weil er sich als Künstler ausgibt. Was übrigens mehr Geld ist, als diese Personen jemals in ihrem Leben als „Künstler“ verdient haben. Jetzt muss ich mir bei Facebook und Instagram ständig eintönige und todlangweilige Streams ansehen, bei denen ich untalentierten Menschen dabei zusehen muss, wie sie das Auflegen lernen und für den sinnlosen Mist auch noch Geld haben wollen. Ich frage mich überhaupt, wie diese Menschen bisher gewirtschaftet haben, wenn sie trotz voller Booking-Kalender am TAG 2 nach den Klubschließungen schon um Spenden bitten müssen.

Jeder von uns sollte mittlerweile bemerkt haben, dass es nicht um unsere Einzelschicksale wie zum Beispiel abgesagte Urlaube oder so geht, sondern um das Gemeinwohl. Um das große Ganze.

Aber es gibt auch positive Aspekte in Zeiten der Seuche, die selbst Geschlechtskrankheiten als Wellness-Thema daherkommen lassen. Weil alle verloddert und verdreckt aussehen, postet niemand mehr seine eigene Hackfresse im Internet und ich komme endlich wieder an schöne Bilder von Essen und gute Rezepte. Apropos Essen: Ich trage mittlerweile nicht nur einen Vollbart (und das als Frau), sondern habe auch sechs Kilo zugenommen. Was daran liegt, dass ich alle drei Tage für zwei Monate hamstere und dann alles an zwei Tagen auffresse. 

Na dann … PROST!

Bleibt oder werdet gesund

eure Speckritze Nina Queer


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