#Kolumne • Wir brauchen jetzt keinen CSD!

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Nina Queer ist Bestsellerautorin, Beleidigungskünstlerin und Frauenrechtlerin. Bei männer* schreibt die Drag Queen mit einem Intelligenzquotienten von 145, jede Woche im Tagebuch einer Überlebenden ihre Eindrücke zur Corona-Krise nieder.


So viele von uns müssen auf so vieles verzichten. Ich meine damit nicht persönliche Angelegenheiten wie Geburtstagspartys, Beerdigungen oder Urlaube. Was ich meine, sind existenzielle Dinge wie ein Treffen mit wertvollen Freunden, der Familie, dem Psychologen oder dem Liebhaber. Den Verlust von Geld, sozialem Umfeld oder Jobs. Vielen Menschen geht es sprichwörtlich an den Kragen und es ist wichtiger als je zuvor, zusammenzuhalten und die Krise gemeinsam zu überstehen. Mir ist klar, dass die meisten von euch Artikel und Beiträge sowie Aufrufe zu diesem leidigen Thema längst und vermutlich viel zu oft gelesen haben. Deshalb will ich gleich zum Punkt kommen:

Foto: Stefan Kraushaar

Lasst euch von mir sagen, dass Corona und seine Ausmaße weit größer sind, als es ein normales menschliches Gehirn überhaupt verarbeiten und begreifen kann. Aus ebendiesem Grund bin ich megasauer darüber, wenn ich lese: „CSD KÖLN VERSCHOBEN AUF OKTOBER 2020“.

Wer entscheidet so etwas? Wer übernimmt dafür die Verantwortung? Warum geht man das Risiko ein, eine halbe Million Menschen zu enttäuschen, weil man ihnen etwas verspricht, das nie geschehen wird?

Ich bin äußerst gut vernetzt und kann euch eines mit Sicherheit garantieren: ES WIRD 2020 KEINEN CSD GEBEN! Es wird auch keine anderen Großveranstaltungen geben. Wenn wir im August oder vielleicht auch erst im Oktober wieder unsere Bars und vielleicht ganz kleine Klubs aufmachen dürfen, dann wird dies das Höchste der Gefühle sein. An manchen Tagen sehen die Prognosen meiner Freunde im Robert Koch-Institut und im Bundestag so dunkel aus, dass ich persönlich damit rechne, in diesem Jahr gar nicht mehr aufzutreten. Aber ich bin nun mal eine hoffnungslose Optimistin und wünsche es mir auch anders. Ganz still und geheim in mich selbst hinein. Ohne andere zu belügen oder ihnen Versprechungen zu machen, die ich nicht halten kann.

Zurück zum Thema. Wir alle können Gott dafür danken, wenn wir im Herbst oder im Winter wieder Klubs für bis zu 1.000 Personen öffnen dürfen. Sollte eine weitere Infektionswelle über unser Land rollen, wird natürlich wieder alles dichtgemacht und wir müssen warten, bis im Frühling 2021 endlich ein Medikament auf dem Markt ist und wir alle durchgeimpft sind. Alles andere zu glauben, ist nichts als Dummheit, Unwissenheit und Unfug. Es gibt bereits Hochrechnungen dafür, was passieren würde, wenn auf einer Veranstaltung mit 100.000 Menschen nur zehn Personen SARS-CoV-2 in sich tragen und andere damit infizieren. Auf einen Schlag wären all unsere Bemühungen der letzten Monate umsonst gewesen. Gerade die Kölner, die mit ihrem feuchten Zungengeschiebe im Karneval ganz Deutschland schon einmal in Schieflage brachten, müssten doch am ehesten Verständnis dafür haben.

Liebe Verantwortliche für Versprechungen und Gerüchte dieser Art! Hört auf zu fantasieren und Hoffnung in den Menschen zu wecken, wo keine ist. Hört auf, eure persönlichen Bedürfnisse und Geschäftsinteressen voranzutreiben und eure Gäste, Freunde und Unterstützer dafür zu benutzen! Das empfinde ich als höchst unmoralisch.

Natürlich wünsche ich mir jeden einzelnen CSD!

Alleine in diesem Jahr sollte ich fünf (!) von ihnen moderieren. Und jammere ich darüber, all diese Jobs und gutes Geld verloren zu haben? Nein! Denn ich sehe das große Ganze. Das Wohl der Gemeinschaft. Die Gesundheit der Menschen. ICH SEHE NICHTS ALS LIEBE!

Es wird niemand darunter leiden oder gar sterben, wenn der CSD 2020 einmal ausfällt. – Wohl aber, wenn er stattfindet.

Bleibt oder werdet gesund!

Eure Nina Queer

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