Kuscheliges Handwerk und mutiges Outing: Zwei Lesben mischen das Netz auf

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Jen Ellis schuf etwas, was bei der Vereidigung von Joe Biden allen anderen die Show stahl, während die 18-jährige Helena Dukes ihre Familie auf Twitter als Rassisten outete. Zwei lesbische Frauen prägten den Krisenmonat in den USA auf unorthodoxe Weise, wir stellen sie vor.

Ein „Sozialist“ und Handwärmer von Jen Ellis

Sie waren der heimliche Star bei der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten. Die kultigen Fäustlinge, die Bernie Sanders (79) bei der Vereidigung von Joe Biden trug, wurden zusammen mit dem Senator aus Vermont in unzähligen Memes und Social Media Posts verewigt. 

Bernie Sanders, mit überschlagenen Beinen auf einem Sofa neben den Girls von Sex & the City sitzend ...

„In Vermont ziehen wir uns warm an - wir wissen etwas über die Kälte. Uns geht es nicht so sehr um gute Mode. Wir wollen uns warm halten. Und das ist es, was ich heute getan habe.“

... Sanders sagte anschließend in einem CBS News Interview, er habe nur versucht, warm zu werden. Die Frau, die ihm diese Handschuhe schenkte, ist die 42-jährige Jennifer Ellis, eine lesbische Lehrerin und Mutter aus Vermont. 


Kuschelige Handwärmer als Trostgeschenk

Jen Ellis (42) ist Lehrerin der zweiten Klasse an einer Grundschule und lebt zusammen mit ihrer Partnerin und ihrer Tochter in Essex, Vermont. Sie sagte dem Jewish Insider, dass sie ein langjähriger Bewunderer von Bernie Sanders sei und immer für ihn gestimmt habe. Als Sanders 2016 die Vorwahlen der Demokraten gegen Hillary Clinton verlor, beschloss Ellis, dem Senator ein Geschenk zu machen.

Foto: twitter.com/martingrimm78

Zu dieser Zeit besuchte Ellis' Tochter eine Vorschuleinrichtung, in der Sanders' Schwiegertochter als Direktorin arbeitete. Ellis machte einige ihrer speziellen selbstgemachten Fäustlinge – die sie „Swittens“ nennt, da sie sie aus alten Pullovern herstellt -– für das Personal und beschloss, auch ein Paar für Sanders zu machen. Sie gab sie Sanders' Schwiegertochter mit.

Nicht ohne Stolz fügte sie hinzu:

„Er muss sie wirklich mögen, wenn er sich entschieden hat, sie zu tragen.“

Ellis betonte aber auch: Die „Sache mit den Fäustlingen“ schaffte es nicht, die Herrlichkeit des Moments zu überschatten, in dem sie mit ihrer 5-jährigen Tochter und ihrer Partnerin vor dem Fernseher dabei zusah, wie zum ersten Mal eine Frau als Vizepräsidentin vereidigt wurde.


Alle wollen die „Swittens“

Traurige Nachricht für alle Fans der Fäustlinge: Es ist nicht mehr möglich, sie käuflich zu erwerben. Ellis erzählte dem Jewish Insider, sie habe innerhalb eines Tages mehr als sechstausend Anfragen von Menschen erhalten, die gerne ein Paar der Handschuhe kaufen möchten. Allerdings habe sie weder die Zeit, noch die Lust, die Handschuhe, die sie früher regelmäßig auf Basaren anbot, in Serie zu produzieren.

„Ich werde meinen Tagesjob nicht aufgeben. Ich bin Lehrerin einer zweiten Klasse und Mutter, und all das hält mich sehr beschäftigt.“

Allerdings: Das kultige Bild von Sanders bei der Einweihung kann trotzdem ein Teil der eigenen Garderobe werden. Sanders' Kampagne bietet Sweatshirts mit dem Foto, das den Internetwahnsinn inspiriert hat, zum Verkauf an. Der gesamte Erlös geht an „Essen auf Rädern“-Programme in Sanders' Heimatstaat Vermont.



Helena Dukes: Die „liberale Lesbe der Familie“

Foto: Ted Eytan / CC BY-SA 2.0 / wikimedia.org

Die USA haben einen Monat hinter sich, der in die Geschichtsbücher eingehen wird. Die folgende Geschichte beweist einmal mehr, vor welch schwieriger Herausforderung die neue US-Regierung steht. Das Land ist gespaltener als vielleicht jemals zuvor.

Foto: twitter.com/duke_helena

Am 5. Januar, einen Tag vor dem geschichtsträchtigen Aufstand im Kapitol, fand ein gewalttätiger Protest in der Black Live Matters Plaza in Washington, DC statt. In veröffentlichtem Filmmaterial, das viral ging, spielte eine blutverschmierte Trump-Supporterin eine Hauptrolle. Zu sehen ist, wie sie sich mit einer schwarzen Sicherheitsbeamtin anlegt. 

Die 18-jährige, lesbische Helena Dukes erkannte in den Aufnahmen ihre Mutter – und outete sie, ebenso wie ihre Tante und ihren Onkel, auf Twitter als gewalttätige, demokratiefeindliche Rassisten. Sie twitterte:

„Hallo Mama erinnerst du dich an die Zeit, als du mir sagtest, ich sollte nicht auf BLM Proteste gehen weil sie gewalttätig werden könnten ... bist du das?“

Anschließend veröffentlichte sie einen weiteren Post, in dem sie die Namen ihrer Verwandten nannte, zusammen mit Bildschirmaufnahmen.

„Hallo, das ist die liberale Lesbe der Familie, die mehrere Male für ihre Ansichten und für die Teilnahme an BLM-Protest rausgeschmissen wurde.“


18-Jährige schämt sich für ihre Mutter

In später veröffentlichten Videos ist zu sehen, dass Therese Dukes die Handgreiflichkeiten provozierte. So bedrängte sie die schwarze Sicherheitsbeamtin Ashanti Smith und versuchte, ihr das Handy zu entreißen. Gegenüber dem Washingtoner Radiosender WHUR-FM erklärte diese:

„[Therese] versuchte immer wieder, mein Telefon zu greifen und meine Maske abzunehmen, weil ich sie immer wieder bat, sich von mir fernzuhalten, damit aufzuhören, mir zu folgen, und mir nicht mehr so nah zu kommen.“

Schließlich wehrte sich die 28-Jährige und schlug Therese ins Gesicht. Sie betonte, sie habe um ihr Leben gefürchtet. Die Trump-Anhänger hätten geschrien:

„Hängt sie, wir werden sie töten, sie verdient es zu sterben.“  

Gegenüber CBC Radio sagte Helena Dukes, es sei „das einzig Richtige“ gewesen, ihre Verwandten bei Twitter zu identifizieren. Auch habe Ashanti Smith entsprechend gehandelt, als sie sich wehrte – gewalttätige Rassisten hätten sie schließlich bedrängt und beleidigt. Sie schäme sich dafür, mit ihrer Mutter verwandt zu sein, so die 18-Jährige.


Weitreichende Konsequenzen

Für die Mutter hat das Ganze noch mehr Konsequenzen gehabt: Sie verlor ihren Job. Das UMass Hospital in Worchester, Massachusetts, kündigte via Twitter an, dass Therese nicht länger dort arbeite. In einer Twitter-Erklärung des Krankenhauses hieß es:

„In den letzten 24 Stunden haben wir über soziale Medien zahlreiche Äußerungen der Besorgnis in Bezug auf eine UMass Memorial-Pflegekraft erhalten, die möglicherweise in das gewalttätige Ereignis dieser Woche im Kapitol der Nation verwickelt war. Die betreffende Mitarbeiterin ist nicht mehr Teil unserer Organisation.“ 

Therese Dukes sagte dem Boston Herald, sie habe sich gezwungen gefühlt, ihren Job zu kündigen. 15 Jahre lang habe sie in dem Klinikum als medizinische Assistentin gearbeitet. Nun mache sie sich Sorgen um ihre zukünftigen Jobaussichten. 

Auch für ihre Tochter änderte der Vorfall alles. Helena Dukes schrieb in späteren Twitter-Posts, ihre Mutter habe sie auf die Straße gesetzt. Nach 18 Jahren mentalen Missbrauchs sei es eine sehr befreiende und schmerzvolle Erfahrung zugleich gewesen, ihre Habseligkeiten abzuholen – die von ihrer Mutter „liebevoll“ in Mülltüten verpackt wurden.

Die mutige 18-Jährige hat nun keine finanzielle Unterstützung mehr, um ihren Lebenstraum zu verwirklichen: Aufs College zu gehen und Anwältin zu werden. Daher rief sie eine Spendenaktion ins Leben, bei der inzwischen bereits knapp 75.000 Dollar an Spenden zusammenkamen.

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