Historisch: Britisches Verteidigungsministerium entschuldigt sich

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Nach erfolgreicher Klage eines ehemaligen Funkers der Royal Army hat sich das Britische Verteidigungsministerium (MoD) offiziell für den diskriminierenden Umgang mit homosexuellen Soldat*innen in der britischen Armee entschuldigt. Doch das ist nicht genug, sagen Menschenrechtsaktivisten, und fordern einen proaktiven Umgang.

Wie The Independent berichtet, stellten rund 150 ehemalige Soldaten, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus der britischen Armee entlassen worden waren, einen Antrag auf Entschädigung, nachdem der Falkland-Kriegsveteran Joe Ousalice erfolgreich gegen das britische Verteidigungsministerium (Ministry of Defence, MoD) geklagt und Anfang Dezember als erster britischer Soldat seine aberkannten Auszeichnungen und damit auch seine „Ehre“ zurückerhalten hatte.

Mit seiner Klage auf Wiedergutmachung erzielte Joe Ousalice (68) eine historische Einigung mit der britischen Armee. Das MoD entschuldigte sich bei dem ehemaligen Funker, der 1993 aufgrund seiner Bisexualität zu Unrecht aus dem Dienst entlassen worden war, und räumte ein, dass der Umgang mit Homosexuellen im Militärdienst „falsch, diskriminierend und ungerecht für alle betroffenen Personen war.“ 

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte gegenüber The Independent: „Uns sind weniger als 200 Fälle bekannt, in denen Personen aufgrund ihrer Sexualität entlassen wurden, aber wir nehmen an, dass es Fälle gibt, über die wir nichts wissen.“

Kritik von Queeraktivist Peter Tatchell

User:Colin

Der berühmt-berüchtigte LGBTIQ*-Aktivist Peter Tatchell geht allerdings davon aus, dass die Zahl der auf diese Weise entlassenen Menschen „wahrscheinlich in die Tausende“ gehe. „In den 1980er Jahren, als ich über Entlassungen beim Militär recherchierte, betrug die Zahl der Entlassungen wegen ihrer Sexualität zwischen 100 und 300 pro Jahr.“ Tatchell meint, das Verteidigungsministerium sei in der Aufarbeitung bisher viel zu langsam gewesen und fordert einen proaktiven Umgang mit den Opfern. „Das Verteidigungsministerium sollte sich mit all diesen Personen in Verbindung setzen, um ihnen mitzuteilen, dass sie Anspruch auf Entschädigung haben“, sagte Tatchell.

Auch Emma Norton, Leiterin der Rechtsabteilung von der LGBTIQ*-Menschenrechtsorganisation Liberty und Anwältin von Ousalice, sagte:

„Das Verteidigungsministerium hat LGBT-Angehörige der Streitkräfte jahrzehntelang schrecklich diskriminiert. Sie unterwarfen Menschen erniedrigenden und aufdringlichen Untersuchungen ihres Privatlebens, zerstörten Karrieren und beschädigten Leben. 

Norton betonte vor allem die Wichtigkeit einer angemessenen Aufarbeitung der Auswirkungen dieser Politik auf die LGBTIQ*-Veteranen. 

Hintergrund Diskriminierung in der Royal Army

Gelebte Homo- oder Bisexualität galt in den britischen Streitkräften jahrzehntelang als Sicherheitsrisiko und so war es schwulen, lesbischen und bisexuellen Menschen bis zum Jahr 2000 verboten, in der britischen Armee zu dienen. Tausende Menschen mussten in der ständigen Angst leben, entdeckt und entweder erpresst oder gefeuert zu werden.

Foto: Pixabay

Erst durch ein Gerichtsurteil wurde die Diskriminierung von queeren Menschen in der Royal Army aufgehoben. Die Gesetzesänderung erfolgte, nachdem zwei Soldat*innen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Klage eingereicht hatten und der EGMR einstimmig entschied, dass die Entlassung aus der britischen Armee aufgrund homosexueller Orientierung eine Verletzung des Rechts auf Privatleben darstellt. Daraufhin war das Verteidigungsministerium gezwungen, seine Haltung zu ändern und die Statuten zu überarbeiten. Eine revidierte Fassung des Armed Forces Code of Social Conduct (Kodex der Streitkräfte in Bezug auf persönliche Beziehungen) trat am 12. Januar 2000 in Kraft.

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