Rückschritt für Bukarests LGBTIQ*-Community?

Warum mit der einzigen queeren Szenebar bald Schluss ist

by

Den Betreiber einer queeren Bar in Bukarest würden sich viele vermutlich anders vorstellen. Trond Brathen, dem die einzige LGBTIQ*-Szenebar in der rumänischen Hauptstadt gehört, ist ein großer, hellhäutiger, glatzköpfiger Mann mittleren Alters. Einzig der Name der Bar „Thor’s Hammer“ gibt einen Hinweis auf den Betreiber. Denn Trond ist Norweger, hat Rumänien aber vor mittlerweile fast zehn Jahren zu seiner neuen Heimat gemacht. Aber was zieht einen Norweger – aufgewachsen in einem der LGBTIQ*-freundlichsten Länder Europas – als schwulen Mann in eines der europäischen Länder mit den wenigsten Freiheiten für diese Community? Das sei doch ganz einfach, sagt Trond lachend:

„In Norwegen hast du acht Monate Winter und das Leben ist teuer. Hier hast du acht Monate Sommer und das Leben ist vergleichsweise billig.“

Außerdem gebe es überall Idioten, die einem als queerem Menschen das Leben schwer machen. 

Pfefferspray, Panikknopf und Security 

Foto: Maurice Prior

Dass die Community in Rumänien große Probleme hat, kann Trond aber auch aus eigener Erfahrung erzählen. Mehrmals seien er und seine Gäste in der Bar schon angegriffen worden: „Gerade in den ersten Jahren war das schon krass. Leute sind hier aufgekreuzt, haben meine Gäste belästigt und mit Schlägen gedroht.“ Häufiger habe er auch schon Pfefferspray gegen solche queerfeindlichen Angreifer einsetzen müssen, um sich zu wehren.

„Ohne Pfefferspray geht es nicht. Außerdem habe ich hier in der Bar auch einen Panikknopf, mit dem ich unsere Security-Leute herholen kann.“ 

Doch lieber als über diese problematischen Seiten spricht Trond, den seine Gäste lieber Thor nennen, über die schönen Seiten seines Jobs. „Ich liebe einfach den Kontakt mit den Leuten. Die erzählen mir ihre komplette Lebensgeschichte. So lerne ich viel von ihnen und vom Land kennen.“ Einer von Tronds Stammkunden ist Florin Corsatea. Der 29-jährige Verkäufer kommt nach Feierabend oft auf ein Bier vorbei. Würde er sich in Bukarest offen als Homosexueller zu erkennen geben? „Ja“, sagt er. Das sei in der Hauptstadt normalerweise kein Problem. Anders sehe es außerhalb aus. Viele würden sich verstecken. Und in der Familie?

„Meine Eltern wissen, dass ich auf Männer stehe, aber wir reden nicht darüber.“ Noch immer ist Homosexualität in weiten Teilen Rumäniens ein Tabuthema. Das liege auch an organisierten Kampagnen gegen die queere Community, sagt Trond.

„Den Leuten wird alles Mögliche über uns erzählt, von der orthodoxen Kirche und leider auch von vielen Medien. Die stellen uns wie Tiere dar.“ In einer mehrheitlich sehr konservativ und religiös eingestellten Gesellschaft wie der rumänischen trifft das auf fruchtbaren Boden. 

„Ich hatte schon aufgegeben. Ich war fertig.“ 

Auch Staat und Verwaltung seien voll von diesen Einstellungen, so Trond. Auch damit hat er zu kämpfen: „Ich bin quasi ständig im Kontakt mit meiner Anwältin, um den Laden hier offen zu halten.“ Das Problem: Eine Blockadehaltung der Behörden. Im Frühjahr 2023 hat Trond seine Bar an neuem Standort wiedereröffnet. Allerdings dauerte es neun Monate bis er alle notwendigen bürokratischen Voraussetzungen für die Neueröffnung erfüllt hatte. „Das ist eine Verzögerungstaktik“, meint Trond.

„Ich weiß nie, ob ich diskriminiert werde, weil ich eine LGBTIQ*-Bar eröffnen will oder weil ich kein Schmiergeld zahle.“

Die grassierende Korruption ist ein weiteres großes Problem in Rumänien. Fast hätte Trond für immer Schluss gemacht mit seiner Bar: „Ich hatte schon aufgegeben. Ich war fertig. Aber meine Anwältin hat weiter Druck gemacht, sogar ohne mein Wissen, wofür ich ihr heute sehr dankbar bin.“ Letztlich hätten sie nur deshalb alle notwendigen Lizenzen für die Eröffnung bekommen, weil sie eine 200-seitige Klage eingereicht hatten. „Es ist ein ständiger Kampf“, sagt Trond. 

Auch Aktionen der Polizei machen ihm das Leben regelmäßig schwer. Immer wieder haben Sicherheitsbeamte in der Vergangenheit seine Bar aufgesucht, um es freundlich auszudrücken. „Die stürmen dann hier rein, schreien sofort: ‚Musik aus, Licht an, Ruhe!‘ Als würden sie hier auf Schwerkriminelle treffen“, so Trond Brathen. Ein Einsatz war besonders heftig, erinnert sich der Barbetreiber:

„Da sind hier 20 Polizisten reingestürmt, hochbewaffnet. Ohne Grund. Zwei von denen kamen sogar von der Mordkommission. Das konnte ich wirklich nicht fassen.“

Seine Gäste müssten sich regelrecht rechtfertigen, was sie in der Bar zu suchen hätten. „Da gehe ich sofort dazwischen.“ Damit sie seine Gäste und ihn in Ruhe lassen, würden viele Polizeibeamte dann auch Schmiergeld verlangen. „Sie kontrollieren dann pro forma meine Lizenzen, drohen mit willkürlichen Geldstrafen. Dann zupfen die sich zwei Mal so an ihrer Mütze. Das ist hier ein Zeichen dafür, dass sie Geld sehen wollen“, erzählt Trond. Er stelle sich in solchen Situationen dumm, als wüsste er nicht was diese Geste bedeutet. Generell lässt Trond sich von dem forschen Auftreten der Polizisten nicht einschüchtern.

„Das funktioniert bei mir nicht. Ich verlange zum Beispiel immer, dass sie mir ihre Dienstmarke zeigen. Viele von denen haben die gar nicht dabei. Die schmeiße ich direkt raus.“

Der Norweger ist selbstbewusst, er kennt seine Rechte. Vor Diskriminierung schützen die ihn aber nicht wirklich. So hat er im Zeitraum von vier Jahren etwa 50 solcher Kontrollen erlebt. „Wenn ich andere Barbesitzer hier frage, dann sagen die mir, dass sie vielleicht zwei oder drei Mal im Jahr kontrolliert werden.“ Dass die Polizisten ihn deutlich häufiger aufsuchen, kann Trond sich nur durch die Regenbogenfahnen erklären, die sein Lokal zieren. 

Die Community ist zu schwach   

Was treibt ihn, bei all dem Gegenwind weiterzumachen? „Ich will helfen, dass hier eine Community entsteht“, sagt Trond. Denn die steckt in Rumänien noch ziemlich in den Kinderschuhen. Es gibt neben seiner Bar nur eine einzige andere Szenelokalität, einen queeren Club, der allerdings nur donnerstags bis sonntags öffnet. Außerdem gibt es in Bukarest eine größere NGO, die zum Beispiel die Pride organisiert und queere Interessen vertritt. Doch die Community ist nicht nur klein, sie verhakt sich auch untereinander in unnötigen Streitigkeiten, meint Trond Brathen:

„Die vom Club zum Beispiel – die sind sauer auf mich, weil sie meinen ich nehme ihnen ihre Kunden weg. Und die Organisationen sind einfach sehr unstrukturiert und schlecht organisiert.“

Foto: Maurice PriorTrond Brathen lebt seit etwa 10 Jahren in Rumänien. Mit der „Thor’s Hammer“-Bar belebt er seit 2017 das queere Nachtleben der Hauptstadt

Die Zusammenarbeit sei daher schwierig. Dabei könnte man sich doch gegenseitig unterstützen, um gemeinsam stärker zu sein. Das habe er versucht, sagt Trond. Aber ohne Erfolg. „Ich habe für die NGOs insgesamt schon 25.000 Leu gesponsert.“ Das sind umgerechnet etwa 5000 Euro. „Dafür wollten sie dann eine Pride-Party in meiner Bar feiern. Die wurde dann zwei Tage vorher abgesagt“, so Trond. „Es ist sehr frustrierend.“ 

Immerhin gibt es seit einigen Jahren eine Pride in Bukarest. Erst etwas versteckt in den Seitenstraßen, mittlerweile im Zentrum der Stadt.

„Und die Pride wird immer größer. Im ersten Jahr waren es nur ein paar hundert Leute, 2022 schon 15.000. Und dieses Jahr ganz sicher noch mehr“,

vermutet Trond. Die junge Generation macht ihm Hoffnung auf Besserung. „Die jungen Leute scheren sich wirklich einen Dreck um die Traditionen der Eltern- und Großelterngeneration. Die wollen ihr Leben leben, die wollen frei sein.“ Die Weltoffenheit vieler junger Menschen in den Großstädten macht ihm Hoffnung, dass sich die Dinge in Rumänien zum Besseren wenden. Tronds Stammgast Florin ist einer dieser Jungen, die nicht mehr warten wollen. Auch er sieht Verbesserungen in der gesellschaftlichen Anerkennung. „Aber nur sehr, sehr langsam.“ Die Pride-Feierlichkeiten seien ein wichtiger Schritt, auch wenn die vielen Feiernden seiner Ansicht nach manchmal zu unernst sind:

„Viele sehen darin nur eine große Party, von der sie potenzielle Sexpartner abschleppen können. Das ist nicht okay! Das ist doch keine Community! Wir müssen die Pride nutzen, um uns die Rechte zu erkämpfen, die uns zustehen.“ 

Auch Trond blickt sehr kritisch auf seine eigene Community. Er hält sie in Teilen für unzivilisiert. „Viele schieben lieber ‚ne schnelle Nummer im Gebüsch als sich gesittet in einer Bar zu treffen.“ Seit dem Umzug zum neuen Standort ist Florin einer der ganz wenigen rumänischen Gäste. Dann sind meist noch ein paar Touristen da. Viel los ist selten. Das bringt Trond zu einer schweren Entscheidung.

„Ab August wird das hier keine explizite LGBTIQ*-Bar mehr sein. Der Support der Community ist einfach nicht da. Ich muss meine Rechnungen bezahlen können.“

Klar, auch weiterhin können Florin und andere queere Menschen in Tronds Bar kommen. Aber klar ist auch: Sie und die LGBTIQ*-Community werden im Stadtbild Bukarests und in der ganzen Gesellschaft weniger sichtbar sein.


Back to topbutton