China: Nur noch „richtige“ Männer ins Fernsehen?

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Die staatliche Rundfunkregulierungsbehörde (NRTA) in Peking will nur noch „richtige“ Männer im Fernsehen sehen. Ein Acht-Punkte-Plan verpflichtet TV-Anbieter, auf eine „korrekte ästhetische Ausrichtung des Programms“ zu achten und in Unterhaltungsshows auf „feminine“ Ästhetik und „vulgäre Influencer“ zu verzichten.

Ein am 2. September von der staatlichen Rundfunkregulierungsbehörde (NRTA) in Peking veröffentlichter Acht-Punkte-Plan zur „weiteren Stärkung des Managements von Kunstprogrammen und ihres Personals“ fordert chinesische TV-Anbieter auf, die „traditionelle chinesische Kultur, die Revolutionskultur und die sozialistische Kultur“ zu fördern. Hierzu gehört, eine „korrekte ästhetische Ausrichtung des Programms“ festzulegen, „die Auswahl der Schauspieler und Gäste, den Aufführungsstil, das Kostüm-Make-up usw.“ streng zu kontrollieren, insbesondere aber männliche Darsteller „mit einem weiblichen Stil und andere abnormale Ästhetik“ von den Bildschirmen zu verbannen. Diese Forderung bezieht sich auf einen aus Sicht der chinesischen Machthaber besorgniserregenden Trend, der in Japan und Südkorea seinen Anfang nahm, derzeit in der gesamten asiatischen Welt erkennbar ist und auch schon andere Erdteile erfasst hat: K-Pop. 

K-Pop, Korean Popular Music, bezeichnet ein weit gefasstes musikalisches Genre mit eingängigen Songs und beeindruckenden Choreografien. Beliebt ist K-Pop aber vor allem für seine androgynen Stars, die sich ganz bewusst von traditionellen Geschlechterzuschreibungen abheben, indem sie einen eher weiblichen Look pflegen und sich als LGBTIQ*-Vorbilder aufstellen. So gesehen geht es dabei nicht nur um Musik, vielmehr beschreibt K-Pop ein Lebensgefühl, von dem sich viele (queere) Jugendliche angezogen fühlen. 

China zensiert häufig Inhalte, die als politisch sensibel oder unangemessen erachtet werden. LGBTIQ*-bezogene Inhalte auf Video-Streaming-Apps und in ausländischen Filmen waren der Zensur in der Vergangenheit bereits zum Opfer gefallen (wir berichteten). Obwohl China Homosexualität im Jahr 1997 entkriminalisiert hat, ist die gleichgeschlechtliche Ehe illegal und Themen rund um die LGBTIQ*-Bewegung gelten als heikel. Dazu zählt offensichtlich alles, das den chinesischen Machthabern nicht männlich genug erscheint. Gepiercte Ohrläppchen und Tattoos von jungen männlichen Popstars in Fernseh- und Internetauftritten, aber auch Pferdeschwänze von Männern sollen der BBC zufolge auf chinesischen Fernsehbildschirmen schon unkenntlich gemacht worden sein. Für Lynette Ong, Professorin für Politikwissenschaft am Asian Institute der University of Toronto, ist dies Teil von Xi Jinpings jüngsten Bemühungen, „das zu ‚säubern‘, was er oder die KPCh als unerwünschte soziale Kultur ansieht“.

Foto: AFP / NOEL CELIS

Türkei untersucht schädliche Auswirkungen von K-Pop

Doch nicht nur China scheint ein Problem mit dem K-Pop-Trend zu haben – auch in der Türkei stehen ‚zu androgyne Männer‘ auf dem Prüfstand. Nach Angaben von Hurriyet will das Ministerium für Familie und Soziales eine Untersuchung über K-Pop einleiten, nachdem drei Mädchen von Zuhause ausgerissen waren, um wegen ihrer Liebe zu K-Pop und K-Drama (koreanische Fernsehserien) nach Südkorea auszuwandern.

Unter dem Vorwand, soziale Medien hätten schädliche Einflüsse auf Jugendliche, zeigen sich türkische Behörden sehr besorgt, seit die koreanische Welle, die auch unter der koreanischen Bezeichnung „Hallyu“ bekannt ist, auch in die Türkei übergeschwappt ist. Beamte des Ministeriums werden mit folgenden Worten zitiert:

„Koreanische Popbands rufen weltweit Bewunderung durch Bilder und ihre unterschiedlichen Musikstile hervor, indem sie Social Media effektiv nutzen.“

Untersucht werden sollen eventuelle schädliche Auswirkungen auf die junge Generation in der Türkei, so das Ministerium. Dafür will sich das Ministerium laut Milliyet auch mit den Plattformbetreibern von Twitter, YouTube, Instagram, Facebook usw. treffen. Gemeinsam soll eine Strategie entwickelt werden, um die Verbreitung schädlicher Inhalte in sozialen Medien zu verhindern. 

Keine Frage: Die K-Pop-Industrie wird von einem kapitalistischen Motor betrieben, der zum Teil auch vor problematischen Marketingtechniken wie Queerbaiting nicht zurückschreckt. Dennoch stellt sich die Frage, ob die Bekämpfung von K-Pop nicht eher zu verhindern versucht, dass junge Menschen an ihre eigene Stimme glauben und selbstbewusst für sich einstehen, wozu der Leadsänger der koreanischen K-Pop-Band BTS Kim Nam-joon 2018 in einer Rede vor den Vereinten Nationen zum Auftakt einer internationalen Initiative von UNICEF zur Stärkung von Jugendlichen aufgerufen hatte. Seine Botschaft:

„Egal, wer ihr seid, wo ihr herkommt, welche Hautfarbe ihr habt oder welche Geschlechtsidentität: Erhebt eure Stimme!“

Foto: Jung Yeon-Je / AFP

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