Bei TikTok unerwünscht: Drogen, Terrorismus und Homosexualität

by ,

Bei der Suche nach Hashtags mit queeren Inhalten erhält man auf TikTok in mehreren Sprachen und Regionen keinerlei Ergebnisse. Der Grund? Die App hat einschlägige Hashtags mit sogenannten Shadowbans geblockt.

Das „Shadow banning“ – eine Art Zensur in sozialen Netzwerken und Foren – dient der Blockierung von Nutzerinhalten, ohne dass die es merken. Ein „Shadowban“ sorgt dafür, dass die Sichtbarkeit bestimmter Inhalte verringert oder gänzlich unterdrückt wird und Uploads weniger bis gar keine Menschen mehr erreichen.

So neulich geschehen bei TikTok. Der chinesische App-Betreiber hat Hashtags mit LGBTIQ*-Inhalten unterdrückt – in mindestens acht Sprachen und mehreren Regionen, darunter Russland, Bosnien-Herzegowina und Jordanien. Das geht aus einem Bericht des Australian Strategic Policy Institute (ASPI) hervor, der in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde.

Homosexualität in gleicher Schublade wie Drogen und Terrorismus 

Laut Bericht hat TikTok Hashtags zu Homosexualität in der gleichen Weise kategorisiert, wie terroristische Gruppen, illegale Substanzen und Schimpfwörter. Betroffen waren Hashtags mit dem Inhalt „homosexuell“ in Sprachen wie Russisch (гей), Arabisch (الجنس_مثلي), aber auch Bosnisch (gej) und Estnisch (gei). Ebenfalls unterdrückt wurden Begriffe wie #transgender oder #transitioning auf Arabisch und #I am a gay oder #I am a lesbian auf Russisch. Die Zensur betraf nicht nur Bürger eines bestimmten Landes, sondern alle Nutzer, die diese Sprachen sprechen, unabhängig davon, wo auf der Welt sie leben.

Foto: Solen Feyissa / unsplash / CC0

Andere LGBTIQ*-bezogene Hashtags wurden vollständig blockiert. Ein von ASPI gepostetes Video mit dem Hashtag GayArab war beispielsweise nicht mehr auffindbar. Stattdessen erschien eine #null-Seite.

Immer die gleichen Ausreden

Gegenüber ASPI berief sich TikTok in einer Stellungnahme – mal wieder – auf technische Probleme, Gesetze und das Nutzerverhalten. Die Sichtbarkeit sei entweder aufgrund einschlägiger lokaler Gesetze eingeschränkt worden oder weil sie bei der Suche nach pornografischen Inhalten verwendet wurden. Zumindest räumte das Unternehmen ein, dass einige zusammengesetzte Sätze in arabischer Sprache falsch moderiert worden sind – ein Übersetzungsfehler, so das Unternehmen. Um ähnliche Probleme in der Zukunft zu vermeiden, überprüfe das Unternehmen derzeit alle Begriffe, die irrtümlich moderiert wurden. Abschließend erklärte TikTok:

„Darüber hinaus möchten wir klar zum Ausdruck bringen, dass TikTok unsere LGBTQ-Creator auf der ganzen Welt nachdrücklich unterstützt, und dass wir stolz darauf sind, dass LGBTQ-Inhalte mit Milliarden von Ansichten zu den beliebtesten Kategorien auf der Plattform gehören.“


Werbekampagnen nur Kosmetik oder tatsächliche Unterstützung von Minderheitenrechten?

Ganz widersprüchlich zu dem in Westeuropa und den USA aufgebauten Bild als Kämpfer*in für die Meinungsfreiheit und die Rechte von Minderheiten – auch unser Verlag hat schon mit dem Unternehmen für eine CSD-Kampagne kooperiert – hat eine Veröffentlichung des britischen The Guardian im gleichen Jahr bewiesen, dass die Historie der recht jungen App schon einige dunkle Flecken auf der ach so bunten Werbeweste ausweist.

Laut geleakten Informationen aus dem inneren Zirkel des Unternehmens hatte TikTok lokale Moderationsrichtlinien für die verschiedenen Länder der Welt, die es in sich hatten. Die darin enthaltenen Löschvorschriften gingen weit über die in Ländern wie der Türkei oder Russland tatsächlich gesetzlich verbotenen queeren Inhalte hinaus und machten LGBTIQ* für dortige User fast völlig unsichtbar. Auch auf diese Veröffentlichung reagierte das Unternehmen reumütig. Man gab an, dass die Regeln aus den Anfangszeiten der App stammten, geändert würden und verwies auf sein nachweislich queerfreundliches Engagement in der westlichen Welt.

Gefährliche Einflussnahme aus China möglich

TikTok verfügt wegen seiner immensen Größe und der unglaublich jungen Nutzerstruktur über die Fähigkeit, den Informationsfluss über geografische Regionen, Themen und Sprachen hinweg zu steuern und einzusetzen – verdeckt und auch ganz öffentlich. Das macht TikTok zu einem mächtigen politischen Akteur mit globaler Reichweite.

Foto: Morning Brew / unsplash / CC0

Das gilt natürlich auch für Google, Apple und vor allem Facebook, aber TikTok agiert nicht als rein privatwirtschaftliches Unternehmen, das sich im Zweifel vor unabhängigen Gerichten und Untersuchungsausschüssen rechtfertigen muss. Wie alle Unternehmen aus dem Reich der Mitte hat die kommunistische Partei Chinas generell das Recht, nicht nur alle Daten der User einzusehen, sondern spezifische Einfluss- und Zensurrechte. Auch wenn das selbstverständlich immer wieder abgestritten wird, wie im Fall der erst kürzlich in westliche Hände zurückgekauften App Grindr (wir berichteten). Wer das nicht glaubt, kann gerne versuchen, Videos der Studentenproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 auf TikTok zu finden. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste sagt der Volksmund – erfunden hat das zerbrechliche Geschirr die heutige Volksrepublik schon vor Tausenden von Jahren.

Die USA, die unter der Trump-Administration einen Wirtschaftskrieg gegen China führen und neben Grindr auch schon den Smartphone-Riesen Huawei in die Knie zwangen, haben ganz aktuell erreicht, dass der Datenbankspezialist Oracle das US-Geschäft von TikTok-Betreiber Bytedance übernimmt. Fortsetzung folgt ...

Back to topbutton