187 Unterzeichner fordern Menschenrechtsrat zum Handeln auf

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Nach einer corona-bedingten Pause hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHCR) seine Arbeit wieder aufgenommen. Zur 44. Sitzung des UNHCR, die für heute geplant war, hat eine Koalition aus 187 queeren Menschenrechtsorganisationen eine gemeinsame Erklärung vorgelegt, in der die Auswirkungen von COVID-19 auf die queere Community weltweit beschrieben werden.

Die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 ist ein globaler Notfall mit weitreichenden sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen für alle. Doch die Pandemie hat Diskriminierung, Gewalt und andere Verletzungen der Menschenrechte aufgrund SOGIESC (sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität oder -ausdruck und Geschlechtsmerkmale) in besonderer Weise entlarvt und verschärft. Es gibt Belege dafür, dass sowohl die staatlichen Maßnahmen bei der Erbringung von Gesundheitsleistungen oder der Umsetzung von Ausgangssperren als auch die Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen zum Teil unverhältnismäßige und diskriminierende Auswirkungen auf Randgruppen, einschließlich LGBTIQ*s, hatten bzw. haben (wir berichteten). 

Um den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHCR) auf die Folgen der Covid-19-Pandemie für die Menschenrechte von LGBTIQ*s zu sensibilisieren, haben sich 187 globale queere Organisationen zu einer Koalition zusammengeschlossen und eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet.

Die von ILGA World, der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (ISHR), COC Nederland, OutRight Action International, dem Schwedischen Verband für Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Transgender-, Queer- und Intersex-Rechte (RFSL), GATE und ARC International verfasste Erklärung wurde dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHRC) im Vorfeld der 44. Sitzung vorgelegt. Diese sollte heute beginnen, wurde jedoch verschoben. Ein neuer Termin soll in Kürze bekannt gegeben werden.

Relevante Kernbereiche für Queers

Die Erklärung The impacts of COVID-19 outbreak on LGBTI persons' human rights benennt zunächst fünf Kernbereiche, die sich während der Krise für LGBTIQ*s in der ganzen Welt als relevant herausgestellt haben. Diese sind:

1.) Recht auf Gesundheit

Die Staaten müssen den Zugang zu Gesundheitsversorgung und Dienstleistungen für jede Person gewährleisten, einschließlich sexueller und reproduktiver Gesundheit, ohne jegliche Diskriminierung. 

2.) Zunahme von Stigmatisierung und Diskriminierung, Abstempeln von LGBTIQ*-Personen als Sündenbock

Die Staaten sollen bei der Umsetzung von Sofortmaßnahmen die internationalen Menschenrechtsgesetze und -standards einhalten und die Anforderungen an Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und Nichtdiskriminierung erfüllen, auch auf Grundlage von SOGIESC. Im Gegenzug müssen die Staaten davon absehen, bestimmte Einzelpersonen oder Gruppen ins Visier zu nehmen oder Maßnahmen zu ergreifen, die bestehende Rechte zum Schutz von LGBTIQ*-Personen zurückschrauben. Hassreden, die darauf abzielen, den Ausbruch mit der LGBTIQ*-Gemeinschaft in Verbindung zu bringen, müssen bekämpft werden.

3.) Zugang zu Wohnraum, Wasser und sanitären Einrichtungen

Staaten haben die Aufgabe der Gewährleistung von integrativen Unterkünften für alle Personen, unabhängig von SOGIESC, sowie der Umsetzung von Maßnahmen, die es LGBTIQ*-Personen möglich machen, erlebte Gewalt und Diskriminierung, die in einem privaten Kontext, einschließlich in Häusern und Unterkünften, zu melden.

4.) Recht auf Arbeit und Auswirkungen auf den Lebensunterhalt

Die Staaten sollen sicherstellen, dass Notfallmaßnahmen zur Bewältigung der sozioökonomischen Auswirkungen der Pandemie und Wiederaufbaupläne für LGBTIQ*-Personen – insbesondere für transsexuelle, ältere und obdachlose LGBTIQ*-Personen – integrativ sind.

5. ) Einschränkungen des bürgerlichen Raums

Es ist unerlässlich, dass Regierungen und multilaterale Institutionen trotz Krise Transparenz wahren, ihren Verpflichtungen nachkommen, eine echte Beteiligung der Zivilgesellschaft nicht beiseite schieben und den Zugang zu nationalen, regionalen und internationalen Systemen der Rechenschaftspflicht sicherstellen. Staaten und Interessengruppen sollen Aktionslinien umsetzen, die darauf ausgerichtet sind, das Engagement der Zivilgesellschaft und der Menschenrechtsverteidiger in den Gremien und Mechanismen der Vereinten Nationen aufrechtzuerhalten und ihre Kontinuität zu gewährleisten.

Handlungsempfehlungen für Staaten

© Yann Forget / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-3.0

Es wird anerkannt, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie dringend und notwendig sind, allerdings müssen die Staaten auf die Einhaltung der internationalen Menschenrechtsverpflichtungen achten und die Verwundbarkeit bestimmter Gruppen, einschließlich LGBTIQ*-Personen, berücksichtigen.

Um dies zu erreichen, haben die Verfasser der Erklärung für jeden der oben genannten Bereiche konkrete Handlungsempfehlungen für Staaten und Interessenvertreter formuliert, betonen aber gleichzeitig, dass die Konzeption, Umsetzung und Evaluierung der staatlichen Reaktionen auf die Krise in Absprache mit der Zivilgesellschaft erfolgen soll. Es soll sichergestellt werden, dass

„dieser Notstand im Bereich der öffentlichen Gesundheit weder bestehende Missverständnisse, Vorurteile, Ungleichheiten oder strukturelle Barrieren verschärft noch zu verstärkter Gewalt und Diskriminierung von Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität, Ausdrucksweise oder unterschiedlichen Geschlechtsmerkmalen führt“.

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