Die Homophobie des Petras Gražulis: Überzeugung, PR oder Selbsthass?

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Nachdem er in einer Zoom-Konferenz mit einem halbnackten Mann erwischt wurde und sich anschließend in Lügen verstrickte, nutzte Litauens homophober Politiker Petras Gražulis die Chance nicht etwa, wie von einigen gehofft, für ein Coming-out – stattdessen setzte er jetzt mit einem skurrilen Video noch einen drauf.

Ungefähr zur selben Zeit, als der EU-Abgeordnete József Szájer, damals noch Mitglied von Ungarns rechtspopulistischer Regierungspartei Fidesz, in Brüssel mit heruntergelassenen Hosen erwischt wurde (wir berichteten), ereignete sich in Litauen ein seltsamer kleiner Vorfall. Der als homophob geltende Politiker Petras Gražulis (62) bekam während einer Konferenzschaltung des litauischen Kulturausschusses plötzlich Gesellschaft: Ein scheinbar nackter Mann erschien hinter ihm auf dem Bildschirm.

Gražulis verstrickte sich in der Folge in Lügen. Auf die Frage, wer der Mann ist, behauptete er zunächst, es sei sein Sohn. Eine halbe Stunde später änderte er seine Geschichte: Nun soll der geheimnisvolle Fremde plötzlich der Journalist Andrius Tapinas gewesen sein, der den Politiker laut dessen Angaben „seit Monaten verfolgt“ habe.

„Ja, ich habe gesagt, dass [es mein] Sohn war, aber wenn ich mir das Video genauer ansehe, kann ich garantieren, dass es Andrius Tapinas ist. Er verfolgt mich überall, es ist kein Wunder, dass er hierher gekommen ist.“

Foto: User Homo ergaster / CC BY-SA 4.0 / wikimedia.org

Allerdings: Der Mann sah nicht wie Tapinas aus. Ein Umstand, der sich laut Gražulis mit „fortgeschrittener Videotechnik“ erklären lasse. Selbsterklärend sorgten der Vorfall und die seltsamen Erklärungsversuche des Politikers in Litauen für Spott und Häme. Möglicherweise wäre dies anders gekommen, wäre Gražulis nicht einer der größten Gegner der Queercommunity in Litauens Politiklandschaft.


Viele Schläge gegen die Community

Die Geschichte der homophoben Aussetzer von Petras Gražulis ist lang: 2010 wollte er ein Gesetz ins Parlament einbringen, das Geldstrafen für jeden vorsah, der „homosexuelle Beziehungen fördert“ – zwei Jahre später soll er eine Veranstaltung, auf der LGBTIQ*-Rechte diskutiert wurden, gestürmt und gefordert haben, alle homosexuellen Menschen müssten Litauen verlassen.

Außerdem ist er einer der Organisatoren der litauischen Anti-Gay-Proteste und der Gegendemonstrationen der Baltic Pride Parade in Litauens Hauptstadt Vilnius – 2013 wurde er sogar wegen Störung der LGBTIQ*-Parade festgenommen. Im selben Jahr soll er einer litauischen Queerorganisation ein „Geschenk“ überreicht haben: Eine Männerhose mit Reißverschluss am Hintern.


Homophobes Trällern statt Coming-out

Das von einigen erhoffte Coming-out von Gražulis – oder zumindest eine Änderung seiner queerfeindlichen Politik – blieben in der Folge des Zoom-Vorfalls leider aus. Im Gegenteil: Der 62-Jährige legte jetzt sogar noch eins drauf. In einem am 12. April veröffentlichten Video springt er mit einer Gruppe junger Männer herum und trainiert in Schuhen mit spezieller Federung. Dazu singen sie gemeinsam ein homophobes litauisches Lied:

„Kas nešokinės tas pyderas“ – was in etwa soviel bedeutet wie: „Wer nicht springt, ist eine Schwuchtel.“

Das skurrile Video soll ein Protest gegen die COVID19-Bestimmungen sein, die den Zugang zu Fitnessstudios und Sportaktivitäten beschränken, rechtfertigt sich Gražulis. Er betonte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender LRT.lt, dass die Gruppe das homophobe Lied ausgesucht, er aber nichts dagegen einzuwenden gehabt habe.


Ethikkommission ermittelt

Die Polizei gab bekannt, sie würde überprüfen, ob mit dem Videodreh gegen die aktuell in Litauen geltenden COVID-19-Beschränkungen verstoßen wurde – aber auch die Ethikkommission des litauischen Parlaments überprüft den Vorfall. Gražulis sei schon öfter von der Kommission untersucht worden, so Aušrinė Norkienė, Leiterin der Kommission, gegenüber LRT.lt:

„Er ist normalerweise eines der beliebtesten Objekte unserer Untersuchungen. Ob wir helfen, ihn zur Vernunft zu bringen, weiß ich nicht, aber wir versuchen es.“

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