Ehe für alle in Estland

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Das estnische Parlament Riigikogu hat in erster Lesung einen Gesetzentwurf verabschiedet, der homosexuellen Paaren ab 1. Januar 2024 die gleichen Eherechte wie heterosexuellen Paaren einräumt. In den kommenden Wochen soll über den Inhalt des Entwurfs beraten werden.

Seit 2014 gibt es in Estland ein Gesetz zur eingetragenen Partnerschaft. Es gewährt schwulen und lesbischen Paaren einige Rechte, wurde POLITICO zufolge aber nie ordentlich umgesetzt, da es stets eine konservative Partei in der Regierung gab, die den Beschluss von Umsetzungsgesetzen blockierte. Entsprechend birgt die eingetragene Partnerschaft unzählige Rechtsunsicherheiten und wird daher auch kaum angenommen.

„Seit fast einem Jahrzehnt gibt es kaum oder gar keine Fortschritte, wenn es um die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare in Estland geht“, bedauerte Lauri Läänemets, Innenminister und Vorsitzender der Estnischen Sozialdemokratischen Partei, im März gegenüber POLITICO. Unter anderem mit dem Versprechen, daran etwas zu ändern, war Ministerpräsidentin Kaja Kallas im März in den Präsidentschaftswahlkampf gezogen ... und war erfolgreich.

Foto: Dogukan Keskinkilic / ANADOLU AGENCY / Anadolu Agency via AFP

Kallas hatte die „Ehe für alle“ auch bei den Koalitionsverhandlungen in den Vordergrund gestellt. Erstmals befürworten alle Koalitionspartner der Regierung – Reformpartei, Eesti200 und SDE – die Gleichstellung. Endlich sei es „an der Zeit, allen Menschen in Estland gleiche Rechte zu gewähren“, freute sich Estlands Sozialministerin Signe Riisalo, wie Kallas Mitglied der Reformpartei, gegenüber Baltic News Network.

„Gesellschaftliche Veränderungen geschehen nicht über Nacht. Aber mit diesen gesetzlichen Änderungen, die eher technischer Natur und sehr symbolisch sind, wird sich die Zahl der Menschen mit hasserfüllten Stimmen definitiv verringern.“

Was bringt die estnische Ehe für alle?

Der Gesetzentwurf 207 SE sieht das Recht auf Eheschließung für zwei erwachsene Personen vor, unabhängig von ihrem Geschlecht. Die Möglichkeit, eine eingetragene Partnerschaft einzugehen, wird neben der Ehe beibehalten. Außerdem soll es ein vereinfachtes Verfahren für den Übergang von der bisherigen eingetragenen Partnerschaft zur Ehe geben.

Sowohl die Ehe als auch die eingetragene Partnerschaft bieten Rechte und Pflichten für Paare, die sich hauptsächlich auf den Erhalt von Leistungen, die Verwaltung von Eigentum, Wohnraum und Erbschaften beziehen. Im Gesetzentwurf ist auch die Regelung der Erbfolge im Familiengesetz im Zusammenhang mit dem Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare definiert. So sollen für homosexuelle Paare künftig die gleichen Rechte gelten.

Der Gesetzentwurf wurde am 22. Mai in erster Lesung angenommen und muss nun noch zwei weitere durchlaufen, bevor das Gesetz hoffentlich am 1. Januar 2024 in Kraft treten kann. 

Knappe Mehrheit der Bevölkerung dafür

Jüngste Untersuchungen zeigen, dass die Unterstützung in der estnischen Bevölkerung für die gleichgeschlechtliche Ehe zunimmt. Laut einer Umfrage, die vom Estonian Human Rights Center in Auftrag gegeben wurde, sind 53 Prozent der Estinnen und Esten aktuell der Meinung, die Ehe für alle sei ein guter Schritt. Im Jahr 2021 waren es lediglich 47 Prozent. 65 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, dass gleichgeschlechtliche Paare das Recht haben sollten, ihre Partnerschaft offiziell eintragen zu lassen, ein Plus von 1 Prozent gegenüber 2021. Das berichtete die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ERR News.

Konservative dagegen

Die konservative Partei EKRE mit ihrem Vorsitzenden Martin Helme (männer berichtete) versucht, mit allen Mitteln Stimmung gegen das geplante Gesetz zu machen. Als der Gesetzesentwurf in erster Lesung verabschiedet wurde, protestierten hunderte Menschen vor dem Parlamentsgebäude in Tallinn und forderten, die geplanten Regelungen zur Ehe für wieder zurückzunehmen. Organisiert wurde der Protest wurden von einer konservativen Vereinigung und der konservativen Partei.

ERR zufolge haben Oppositionsparteien bislang bereits über 700 Änderungsanträge zum Entwurf eingereicht, um die Verabschiedung des Gesetzes zu verzögern, über 550 stammten von EKRE-Mitgliedern.

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