Gabun entkriminalisiert Homosexualität

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Weniger als ein Jahr, nachdem ein neues Strafgesetzbuch gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen in Gabun unter Strafe gestellt hatte (wir berichteten), stimmte der gabunische Senat am Montag überraschend für die Aufhebung dieses Gesetzes.

Sogar mit großer Mehrheit sprach sich das gabunische Oberhaus des Senats für die Rücknahme des Verbotes aus. In einer Sitzung, die am Montag unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, stimmten 59 Senatoren dafür, 17 dagegen, vier enthielten sich der Stimme. Wie Reuters berichtet, war die Abschaffung des Gesetzes zuvor bereits vom Unterhaus beschlossen worden. 

Die Hintergründe dieses plötzlichen Sinneswandels sind unklar, seitens der Regierung gab es keine Erklärung, warum sie beschlossen hat, das Gesetz zu revidieren. 

Damit die Änderung in Kraft treten kann und der Schandparagraf endgültig aus den Gesetzbüchern gestrichen werden kann, muss das Gesetz noch von Präsident Ali Bongo ratifiziert werden. Bongo äußerte sich bisher nicht öffentlich zu dieser Frage, seine Frau Sylvia hatte sich für die Gesetzesänderung ausgesprochen. Sie sagte, die Möglichkeit, frei zu lieben, ohne verurteilt zu werden, sei ein grundlegendes Menschenrecht.

Debatte zwischen Konservativen und Liberalen

Innerhalb der gabunischen Gesellschaft entfachte die Abstimmung eine heftige Debatte. Einige Politiker und religiöse Autoritäten hätten den Status quo gerne beibehalten, um „religiöse und traditionelle Werte nicht zu gefährden“. So hatte die katholische Erzdiözese in Libreville vor der Abstimmung am Montag ihre Missbilligung zum Ausdruck gebracht und die Senatoren in einer Erklärung aufgefordert, mit Nein zu stimmen:

„Im Namen der in unseren verschiedenen Kulturen enthaltenen Weisheit unserer Vorfahren, die das Leben, die Liebe und die Familie feiert, sagen wir Nein zur Entkriminalisierung der Homosexualität.“

Erzdiözese Libreville

Gregue Nguele, Rechtsanwalt und Spezialist für Staatsbürgerschafts- und Menschenrechtsfragen, erklärte gegenüber Gabon Media Time, die Regierung sei mit der Entkriminalisierung lediglich ihren internationalen Verpflichtungen nachgekommen.

Foto: twitter.com/GregueElQassem

In einem beachtenswerten Aufsatz schrieb Nguele, es sei merkwürdig, dass „die religiösen Autoritäten nur dann in die Bresche springen, wenn es um Fragen der sexuellen Intimität von Personen geht. Lange Zeit wurden sie zu Fragen befragt, die die Zukunft der Nation betreffen, unser Zusammenleben bedrohen und große Sorgen des gabunischen Volkes darstellen. Sie haben geschwiegen und einige kaum hörbare Fragmente gestottert, mit dem Argument, dass sie sich nicht in den politischen Bereich einmischen wollen, weil ‚alle Macht von Gott kommt‘“. Ein weiteres Argument, das von den Verteidigern der Kriminalisierung homosexueller Handlungen entwickelt wurde, sei die Wahrung der Bantu-Bräuche

„Plötzlich geben sie vor, Gewohnheiten und Bräuche zu verteidigen, die sie nicht kennen oder praktizieren. Aber über welche Bantu-Bräuche sprechen wir? Über eine zutiefst verderbte Gesellschaft, die an Wert verliert, ohne Richtschnur scheitert und verfällt. Eine Gesellschaft, in der nur ein gewisser finanzieller und materieller Komfort angestrebt wird.

Die empirische Untersuchung der gabunischen Gesellschaft zeigt uns, dass die Verderbtheit der Sitten im Zentrum des Zusammenbruchs unseres sozialen Gefüges steht, ohne, dass Homosexualität die zentrale Ursache ist:

  • viele Fälle von Inzest,
  • sexueller Missbrauch von Minderjährigen und Kinderpornografie, 
  • frühe Sexualität und frühe Schwangerschaft,
  • soziale Förderung aufgrund der Zugehörigkeit zu esoterischen Kreisen oder gegen sexuelle Gefälligkeiten
  • junge Mädchen, die im College von erwachsenen Liebhabern unterstützt werden,
  • etc.“

Diese „sozialen Phänomene“, die tatsächlich das soziale und familiäre Gefüge zerstörten, würden ignoriert und verleugnet. Jeder sei privat davon bewegt, sehe es aber nicht in seinem Verantwortungsbereich, sie zur Sprache zu bringen und anzuprangern. Daher dürfe es bei Homosexualität erst recht nicht gemacht werden:

„Unsere berüchtigten Bantu-Sitten ... dürfen auf keinen Fall dazu verwendet werden, unsere Mitmenschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu stigmatisieren. ... Während die Entkriminalisierung das Recht auf eine Gemeinschaft (homosexuell) anerkennt, ohne einer anderen Gemeinschaft (heterosexuell) etwas wegzunehmen, hat die aktuelle Debatte zu einer Vielzahl von Argumenten geführt, die absichtlich übertrieben sind.“

Gregue Nguele, Gabon Media Time

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