Ghana: Journalist outet sich im Live-TV

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Die Queercommunity in Ghana bittet um Hilfe: Mit der Eröffnung ihres ersten festen Treffpunktes hat sich die Situation dramatisch verschlechtert. Gegner der Community haben sie wieder fest ins Visier genommen, verbreiten durch die Medien Lügen und wollen die Schließung des Raumes erzwingen. Noch ist die Adresse der Location nicht bekannt. Nur eine Frage der Zeit? Die Queers fürchten um ihre Sicherheit. 

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Alex Kofi Donkor, Leiter der Organisation LGBT+ Rights Ghana, sprach letztes Jahr mit männer* über die Situation in Ghana, die weit verbreitete Homophobie im Land und die unermüdliche Arbeit gegen Hass, Intoleranz und Gewalt. Der engagierte Queeraktivist machte deutlich: Die Liebe zur Queercommunity in Ghana treibt ihn an, ihr Mut, ihr fester Zusammenhalt und ihre Hoffnung darauf, dass sich die Dinge im Land eines Tages ändern.

„Aber ich kann nicht einfach die Lage hier hinter mir lassen und in einem anderen Land leben. Die Dinge müssen sich ändern. Hier. Ich fühle mich verantwortlich. Wenn ich reise, dann komme ich zurück, um damit weiterzumachen, womit wir begonnen haben. Ich konzentriere mich nur auf Ghana – und auf das, was ich dem Land bieten kann. Damit wir eines Tages an den Punkt kommen, an dem wir als gleichberechtigte Bürger dieses Landes leben können.“

Die neuesten Entwicklungen in Ghana zeigen: Dieser Punkt ist noch sehr weit entfernt.


Eröffnungsfest: Aus Freude wurde Angst

Inzwischen hat sich die Lage in Ghana zugespitzt. Alex Kofi Donkor ist in großer Sorge. Eine Hetzkampagne gegen die queere Organisation überschattet die Eröffnung der eigenen Büroräume, die Mitglieder werden bedroht, teilweise sogar durch ihre eigenen Familien. Durch homophobe Hetze, Hass und Falschinformationen sind Gesundheit, Wohlergehen und in letzter Konsequenz sogar das Leben der Queers in Gefahr. Was ist passiert?

Am 31. Januar veranstaltete LGBT+ Rights Ghana anlässlich der Eröffnung des eigenen Community Raums eine Spendenaktion für Mitglieder der Queercommunity und ihre Verbündete. Eigentlich ein Grund zur Freude! Gegenüber männer* sprach Kofi Donkor letztes Jahr noch vage von der Hoffnung, dass die Gruppe irgendwann einen festen Ort hat, an dem sie sich treffen kann, einen Platz, der nur ihnen gehört. Die Angst jedoch war damals schon da: Angst davor, dass Menschen diesen Ort angreifen würden. Das ist auch der Grund, warum sie die Adresse geheim halten. 

Die Befürchtungen waren berechtigt, für Homophobe war die Eröffnung des Raumes scheinbar eine große Provokation. Es folgte eine negative Berichterstattung in den öffentlichen und sozialen Medien, angefeuert durch Falschinformationen. Menschen wurden gegen die Aktivist*innen aufgestachelt, die nun große Angst davor haben, dass die noch geheime Adresse ihres Büros in Ghanas Hauptstadt Accra an die Öffentlichkeit gerät.


Einflussreicher Homohasser plädiert für Schließung

An vorderster Front der Gegner: Moses Foh-Amoaning, Exekutivsekretär der National Coalition for Proper Human Sexual Rights and Family Values. Er forderte am 11. Februar die Regierung und die Ghanaer Polizei auf, das neu eröffnete Büro zu schließen. Der Grund: Die Einrichtung des Raumes sei verfassungswidrig, da der Schutz der sexuellen Orientierung in der Verfassung des Landes nicht genannt wird. Foh-Amoaning hat seine Forderung seitdem in sozialen Medien mehrfach wiederholt und fordert auch die strafrechtliche Verfolgung derjenigen, die an der Schaffung des Raumes beteiligt waren.

Die National Coalition for Proper Human Sexual Rights and Family Values bezeichnet sich auf ihrer Facebook-Seite selbst als:

„...Zusammenschluss von christlichen, muslimischen und traditionellen Herrschern, Führern und Institutionen, der am 18. Dezember 2013 mit dem alleinigen Ziel gegründet wurde, eine fokussierte und erforschte intellektuelle Antwort auf die wachsende Bedrohung durch die Aktivitäten von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT) in der Welt zu geben.“


Aktivist*innen geben nicht auf

Der Vorstand und die Arbeitsgruppe von LGBT+ Rights Ghana reagierten mit einem Kommuniqué, in dem sie sich gegen die falschen Darstellungen in den Medien wandten und ihr verfassungsmäßiges Existenzrecht bekräftigten. Sie erklärten auch, dass dies nur einer von mehreren Kreuzzügen sei, die der Exekutivsekretär und seine Verbündeten gegen die queere Community von Ghana geführt haben. Bis jetzt sei die Atmosphäre im Land angespannt und feindselig, da viele Ghanaer auf die Kampagne von Foh-Amoaning reagieren. Die Queers fürchten das weitere Verbreiten von Hass und Lügen, die am Ende laut den Aktivist*innen nur einen Zweck haben: Menschen gegen sie aufzuhetzen.

Die Organisation gibt einen düsteren Ausblick in die Zukunft: Sie befürchtet weitere Schritte der homophoben Gruppierung, darunter Petitionen an die Regierung, den Gang vor Gericht, um die Schließung zu erzwingen, sowie die aktive Suche nach dem Büroraum, um einen Mob auf die Mitglieder von LGBT+ Rights Ghana zu hetzen. In den Zeilen, die die Aktivist*innen verfasst haben, schwingt wieder die Angst mit. Die Angst davor, dass Mitglieder verfolgt, bedroht und unter Druck gesetzt werden könnten.

Politischer Druck

Doch die Queeraktivist*innen geben sich noch lange nicht geschlagen: Sie haben einen Stufenplan erstellt und wollen sich ebenfalls mit Petitionen an den Präsidenten und das Parlament von Ghana wenden. Darin sollen Forderungen der Koalition als unmenschlich und verfassungswidrig entkräftet und besonderer Schutz von LGBTIQ*-Personen in Ghana gefordert werden. Über soziale Medien werden sie weitere Aufklärungsarbeit leisten, um die Menschen, die gegen sie sind, davon zu überzeugen: Was sie tun, ist ihr Menschenrecht und schadet niemandem. 

Foto: LGBT Rights Ghana

Sicherheitsmaßnahmen für das Büro

Die Gruppe wünscht sich stärkere Sicherheit in den Büroräumen, darunter Vorrichtungen wie einen Elektrozaun, Feueralarm, hohe Mauern, Überwachungskameras, Wachpersonal und Schließsysteme. Außerdem wollen sie ein Notfallprotokoll für einen möglichen Angriff festlegen, sich mit Hochdruckwasserschläuchen und Tränengas ausrüsten. Doch alleine können sie den Kampf nicht gewinnen: Die Organisation will alle Verbündeten auf nationaler und internationaler Ebene zusammentrommeln, auch solche, die die ghanaische Regierung sanktionieren könnten, falls sie sich auf die Seite von Foh-Amoaning und seinen Verbündeten stellt.


Update vom 28. Februar 2021

Journalist outet sich im Live-TV 

Die Queercommunity und ihr Kampf für Gerechtigkeit sind derzeit in Ghana in aller Munde. Nun hat ein Journalist die Situation genutzt, um sich klar zu positionieren: Ignatius Annor outete sich in einer Fernsehsendung im Live-TV als schwul – beachtlich in einem Land, in dem Homosexualität illegal ist und die Community derzeit so viel Gegenwind und Aggressivität zu spüren bekommt.

Annor trat via Videoschaltung in der Sendung PM Express auf dem englischsprachigen Sender JoyNews auf. Er war eingeladen worden, um über die Situation zu sprechen – darüber, dass die Organisation, die sich den „Familienwerten“ verschrieben hat, einen der wenigen Schutzräume für queere Menschen in Ghana attackiert und dessen Eröffnung als Attacke gegen die Kultur des Landes diffamiert. 

Er sagte Moderatorin Ayisha Ibrahim:

„Dies ist das allererste Mal, dass ich Ihr Medium benutze, um zu sagen, dass ich nicht nur ein Aktivist für die Rechte der sexuellen Minderheiten Afrikas bin, was Sie die LGBT+-Gemeinschaft nennen werden, sondern dass ich schwul bin.“

Annor gestand, seine Sexualität in der Vergangenheit verleugnet zu haben – aus Angst vor privaten und beruflichen Konsequenzen, unter anderem der, seinen Job bei einem Fernsehsender in Ghanas Hauptstadt Accra zu verlieren. In Ghana dürfe man nicht offen sagen, wer man sei, so der Journalist – daher wäre ein Safe Space für Queers so lebenswichtig.

Die Community würde lediglich darum bitten, so lieben zu dürfen wie heterosexuelle Menschen lieben dürfen, und als menschliche Wesen akzeptiert zu werden, die Respekt, Freundlichkeit und Würde verdienen.

„Es fühlt sich nicht so an, als wäre ich ein Mensch, der das Recht auf Arbeit verdient, das Recht auf Bildung und ganz einfache Menschenrechte wie das Recht dorthin zu gehen oder zu fahren wo auch immer ich in Ghana als offen schwuler Mann sein möchte.“


Polizei stürmt und schließt Büro

Am Mittwoch gab LGBT+ Rights Ghana die traurige Nachricht auf Twitter bekannt: Sie haben ihre Büroräume wieder verloren, Beamte der Nationalen Sicherheit stürmten am Morgen die Örtlichkeiten. Ein paar Tage zuvor hätten traditionelle Führer gedroht, das Büro niederzubrennen, die Polizei habe der Community nicht geholfen.

„In diesem Moment haben wir keinen Zugang mehr zu unserem Safe Space und unsere Sicherheit ist bedroht. Wir rufen alle Menschenrechtsorganisationen und Verbündete auf, sich gegen diese Angriffe und Hassverbrechen, denen wir ausgesetzt sind, auszusprechen.“

Unbestätigten Berichten zufolge habe der Vermieter Asenso Gyambi die Adresse des Ortes gegenüber der Polizei bekanntgegeben – er habe nicht gewusst, dass die Räumlichkeiten von einer LGBT+-Rechtsgruppe genutzt werden würden.

Obwohl sie diese eine Schlacht fürs Erste verloren haben, geben die Aktivist*innen den Kampf nicht auf. Auf Twitter erklären sie:

„Während dieser unglückliche Vorfall passiert ist, möchten wir alle unsere Mitglieder und queere Ghanaer ermutigen, ruhig zu bleiben. Geratet nicht in Panik. Wir werden triumphieren. Die Polizei mag unser Büro gestürmt und geschlossen haben, aber das wahre Büro ist in unseren Herzen und Köpfen.“


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