Indonesien: „Behandlung“ Homosexueller, sonst Kindesentzug?

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Mitglieder des Repräsentantenhauses in Indonesien haben einen Gesetzesentwurf zur ‚Förderung‘ der „Familienresilienz“ eingebracht. Darin wird Homosexualität als sexuelle Abweichung definiert, die mit der erzwungenen Internierung von queeren Personen in Rehabilitationslagern einhergeht.

Die RUU Ketahanan Keluarga (Familienresilienz-Gesetz) soll indonesische Familien durch die Förderung religiöser und traditioneller Werte vor negativen externen Kräften, wie vor Globalisierung und Technologie, schützen. Artikel 85 des Gesetzentwurfs sieht laut der Jakarta Post vor, dass eine staatliche Stelle für „Familienresilienz“ eingerichtet wird, um „Familienkrisen aufgrund sexueller Abweichungen“ durch „spirituelle Führung“ sowie soziale, psychologische und medizinische Rehabilitationsmaßnahmen zu bewältigen.

Behandlung sonst Kindesentzug möglich

Sexuelle Abweichungen werden im Gesetzentwurf als „Drang, sexuelle Befriedigung durch ungewöhnliche und unvernünftige Wege zu erreichen, zu denen Sadismus, Masochismus, Inzest und Homosexualität gehören“ definiert.

„Familien, die aufgrund sexueller Abweichungen unter Krisen leiden, müssen ihre Mitglieder Behörden melden, die sich mit Familienresilienz oder Rehabilitationseinrichtungen befassen, um sich einer Behandlung zu unterziehen“, heißt es in Artikel 86 weiter.

Konkret würde das bedeuten, dass sich Betroffene bei staatlichen Rehabilitationszentren zur „Behandlung“ melden müssen. Tun sie das nicht, haben die Behörden das Recht, ihre Kinder vorübergehend oder dauerhaft zu entziehen.

Wenngleich der aktuelle Entwurf von Politikern mehrerer Parteien unterstützt wird und nun an den Präsidenten zur weiteren Diskussion übermittelt werden soll, wird er von den meisten Fraktionen im Parlament abgelehnt. Mit einer tatsächlichen Einführung des Gesetzes dürfte somit nicht zu rechnen sein. 

Queers in Indonesien seit Jahren unter Druck

Menschenrechtsorganisationen weisen darauf hin, dass sich die Lage in Indonesien besorgniserregend zuspitzt, da sich die Einstellung der Gesellschaft gegenüber der LGBTIQ*-Gemeinschaft zunehmend verschärft. Das ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass das in der Provinz Aceh seit einigen Jahren gültige Scharia-Gesetz von muslimischen Hardlinern immer wieder auch in die seit Jahren andauernde Reform des Strafrechtes aus britischer Kolonialzeit eingebracht wird.

Die RUU Ketahanan Keluarga ist nur eine von vielen kontroversen Gesetzesvorlagen, die das Parlament in den letzten Jahren vorgelegt hat, um sich konservative Wählerstimmen zu sichern. Bereits im September des letzten Jahres sollte ein umfangreiches Gesetzespaket zur Verschärfung des Strafrechts im indonesischen Parlament verabschiedet werden. Nach heftiger Kritik aus dem In- und Ausland kündigte Präsident Widodo an, den Gesetzesentwurf noch einmal überarbeiten zu lassen (wir berichteten). 

Razzien in Schwulensaunen (wir berichteten), Auspeitschungen von homosexuellen Männern (wir berichteten), öffentliche Demütigungen von Trans*-Personen – all das zeigt, dass Diskriminierung und Repression an der Tagesordnung stehen, nicht nur in der ultra-konservativen Provinz Aceh, in der das islamische Recht gleichgeschlechtliche Beziehungen verbietet.

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