Warum wir uns nicht über die erste Frau an Italiens Spitze freuen

Vergangenen Sonntag wurde Giorgia Meloni mit ihrer rechtsextremen Partei Partei Fratelli d'Italia (FDI) - „Brüder Italiens“ - zur Wahlsiegerin. männer* teilt, warum dies alles andere als ein Grund zum Feiern ist.

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Nun ist es also offiziell: Giorgia Meloni wurde vergangenen Sonntag in Italien zur Wahlsiegerin. Ihre Partei Fratelli d'Italia (FDI) - „Brüder Italiens“ - wurde die stärkste Kraft. Zusammen mit den Bündnispartnern der rechtsnationalen Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini und der Forza Italia (FI) des langjährigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi führt sie Italien nach rechts. 

Meloni bezeichnete sich in einer ihrer berühmtesten Reden 2019 als „eine Frau, eine Mutter, eine Italienerin, eine Christin“. Drei Jahre später wird sie nun aller Wahrscheinlichkeit nach das mächtigste Amt Italiens einnehmen. Doch wer ist Giorgia Meloni?

Ein Leben im Geiste Mussolinis 

Meloni begann ihre politische Karriere bereits weit rechtsaußen. 1996, mit gerade einmal 19 Jahren, wurde sie zur Chefin der rechten Studentenverbindung Azione Studentesca gewählt. Auf dem Emblem der Verbindung ist das Keltenkreuz zu sehen, ein beliebtes Symbol von Rechtsextremen in Europa. Wenig verwunderlich, dass sie den Faschisten und

Diktator Mussolini in einem Interview als „guten Politiker“

bezeichnete. Als Abgeordnete für die rechte Partei National Allianz (AN) zieht Meloni 2006 ins Abgeordnetenhaus ein. Zwei Jahre später wird sie zur jüngsten Ministerin der Nachkriegsgeschichte, als sie 2008 unter Berlusconi zur Jugendministerin gemacht wird. 

2012 mitbegründete Meloni die heute von ihr geführte FDI. Auch das Parteilogo der „Brüder Italiens“ ist alles andere als unproblematisch: Die Flamme, an sich bereits ein neofaschistisches Symbol, lodert auf einem horizontalen Strich. Dieser Strich steht für den Sarg von Mussolini - einem von Adolf Hitlers engsten Verbündeten, und laut Meloni „guten Politiker“. Die Flamme soll seinen Geist symbolisieren. 

Der FDI verbündete Parteien in Europa sind unter anderem die rechtsextreme spanische Partei Vox und die polnische rechtsnationale PiS. Auch Tino Chrupalla und Alice Weidel, die Bundessprecher der AFD gratulierten Giorgia Meloni zum Wahlsieg. Die Wahl bezeichneten sie als einen weiteren 

„Sieg der Vernunft“. 

Salonfähiger Faschismus 

Meloni versuchte bereits im letzten Jahr die italienische Vergangenheit in ein neues Licht zu stellen. So sagt sie in einem Interview im August, „die italienische Rechte hat den Faschismus seit Jahrzehnten hinter sich gelassen“. Auch in ihrer Partei gäbe es

 „keinen Platz für Nostalgiker des Faschismus, für Rassismus und Antisemitismus“,

behauptet sie vor rund einem Jahr. So wollte sie sich in den Wochen vor der Wahl auf die Rolle als Regierungschefin vorzubereiten: Meloni versucht ihr postfaschistisches Bild abzulegen, welches sowohl ihr als auch ihrer Partei anhaftet. 

Foto: Andreas Solaro / AFP

Dass diese Bemühungen ernst gemeint sind, ist allerdings schwer zu glauben. Meloni hetzt in ihren Reden häufig gegen Minderheiten: Sie ist anti-EU, gegen das Abtreibungsrecht, und wettert gegen „Masseneinwanderung“, welche sie mit Seeblockaden stoppen will. Außerdem hetzt sie – wenig überraschend – auch gegen die sogenannte „LGBT-Lobby“. Einer der wenigen Unterschiede der FDI zu anderen rechtsextremen Parteien ist die Position zu Putins Angriffskrieg in der Ukraine: Meloni verurteilte diesen von Anfang an und stellte sich unmissverständlich auf die Seite der Ukraine. Auch Waffenlieferungen hat die selbsternannte Transatlantikerin befürwortet.  

Die „LGBT-Lobby“ in Italien

In der wohl berühmtesten Rede ihrer Karriere 2019 hetzte Meloni gegen die von ihr sogenannte „LGBT-Lobby“: 

„Ich glaube nicht an einen Staat, der die Rechte der Homosexuellen denen anderer Bürger vorzieht. Sie wollen uns unserer Identität berauben.“

Vom Bevorzugen queerer Menschen kann allerdings keine Rede sein. Zwar gibt es in Italien seit 2016 eine eingetragene Partnerschaft, jedoch ist eine homosexuelle Ehe in dem christlich geprägten Land nicht vorgesehen. Auch Adoptionen sind für queere Paare nicht möglich. 

Erst im vergangenen Jahr hat die queere Gemeinschaft Italiens einen schweren Rückschlag erfahren müssen. Aktivist:innen hatten lange für ein Antidiskriminierungsgesetz gekämpft, welches  der Sozialdemokrat Alessandro Zans einleitete. Das Gesetz hätte Queerfeindlichkeit gesetzlich mit Rassismus gleichgestellt: Akte der Gewalt, Aufrufe zur Gewalt und Diskriminierungen gegen LGBTIQ* hätten Täter:innen bei Verstoß mit Freiheitsstrafen gedroht (männer* berichtet).

2020 passierte das Gesetz bereits das Abgeordnetenhaus, bevor es im darauffolgende Jahr mit erschreckender Mehrheit von den Senator:innen in Rom abgelehnt wurde. Mit verantwortlich: Meloni und ihre Brüder Italiens, die das Gesetz von Anfang an ablehnten, sich aber nicht zu schade waren, nach einem schweren homophoben Gewaltakt Mitgefühl für das Opfer zu heucheln: Sie sei „angesichts dieser absurden und brutalen Gewalt in Rom auf Kosten eines jungen Mannes schockiert“, schrieb Meloni damals auf Facebook und fügte hinzu: „Diese Bilder sind eines zivilisierten Landes unwürdig (männer* berichtete).

Die LGBTIQ* Gemeinschaft in Italien und Europa war geschockt (männer* berichtet). Der queere Aktivist Andrea Pastore beschreibt den Moment der Abstimmung: 

„Als ich gesehen habe, wie diese Politiker:innen klatschten und grölten, als wären sie in einem Fußballstadion, habe ich mich so sehr für mein Land geschämt“. 

Zwar lebt der 32-jährige offen homosexuell, doch fühlt er sich auch heute „wie ein Bürger zweiter Klasse.“ Er ist beunruhigt vom aggressiven und diskriminierenden Ton der rechtsaußen Parteien. Auch in der anbrechenden Legislaturperiode von Meloni lassen sich wohl keine Verbesserungen für Queers in Italien erwarten – im Gegenteil: LGBTIQ* befürchten eher eine Verschlechterung ihrer Lage. *AFP/dp

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