Junge queere Australier*innen erleben Missbrauch

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Eine kürzlich in Australien durchgeführte Studie über die Häufigkeit häuslicher Gewalt bringt besorgniserregende Ergebnisse über Misshandlungserfahrungen von jungen LGBTIQ*-Australier*innen ans Licht.

Eine von Wissenschaftler*innen verschiedener australischer Universitäten durchgeführte Studie zeigt, dass mehr als 75 Prozent der queeren Jugendlichen von Missbrauch und Misshandlung durch ihre Eltern oder andere Autoritätspersonen berichtet haben.

Die von Professor Daryl Higgins, dem Direktor des Instituts für Kinderschutzstudien an der Australian Catholic University, geleitete Studie stützt sich auf die Ergebnisse der im vergangenen Jahr durchgeführten Australian Child Maltreatment Study (ACMS). Diese Studie ist mit 8.500 Teilnehmer*innen die umfangreichste und repräsentativste Erhebung zur australischen Sexualität, da bei der Volkszählung im Jahr 2021 zwar Daten über das Geschlecht erhoben wurden, nicht aber über die Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung einer Person.

Junge queere Australier*innen als Zielscheibe von Missbrauch

Von den Australier*innen im Alter von 16 bis 24 Jahren, die sich als genderdivers identifizierten, gaben erstaunliche 90,5 Prozent an, schon einmal misshandelt worden zu sein. Die häufigste Form der Misshandlung, von der diese jungen Menschen berichteten, war emotionaler Missbrauch, dicht gefolgt von häuslicher Gewalt. Mehr als drei Viertel der jungen Australier*innen (77,5 Prozent) erlebten mehrere Formen von Misshandlungen, darunter emotionale, körperliche oder sexuelle Missbrauch, häusliche Gewalt oder Vernachlässigung.

Die Ergebnisse der Studie belegen, dass Befragte mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten im Vergleich zur Gesamtstichprobe in allen fünf Bereichen der Kindesmisshandlung höhere Raten aufwiesen: körperliche Misshandlung (49,9 Prozent im Vergleich zu 32,0 Prozent), sexuelle Misshandlung (51,9 Prozent im Vergleich zu 28,5 Prozent), emotionale Misshandlung (58,3 Prozent im Vergleich zu 30,9 Prozent), Vernachlässigung (26,4 Prozent im Vergleich zu 8,9 Prozent) und häusliche Gewalt (58,2 Prozent im Vergleich zu 39,6 Prozent).

Was den sexuellen Missbrauch von Kindern betrifft, so ergab die Studie auch, dass Kinder oder Jugendliche, die sich in einer Weise ausdrücken, die nicht den Geschlechternormen und -verhaltensweisen entspricht, von klein an einem höheren Risiko der Misshandlung durch Eltern, Betreuer*innen oder anderen Erwachsenen oder einer Viktimisierung (einschließlich sexueller Viktimisierung) durch Geschwister oder anderen Kindern und Jugendlichen ausgesetzt sind.

„Zum ersten Mal können wir feststellen, dass Australier mit unterschiedlichen Identitäten eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, eine der fünf verschiedenen Formen von Kindesmisshandlung zu erleben“, sagte Higgins gegenüber dem Sydney Morning Herald

„Dieser signifikante Zusammenhang könnte einige der gesundheitlichen Ungleichheiten einschließlich psychischer Probleme erklären, die bei Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtern und Sexualitäten festgestellt wurden.“

Eltern schlecht gerüstet

Dr. Paula Fernandez Arias, Geschäftsführerin von Queerspace, einer Organisation, die sich für die psychische Gesundheit der LGBTIQ*-Community in Melbourne einsetzt, erklärte gegenüber dem Sydney Morning Herald, dass der Missbrauch, den queere Menschen erfahren, mit geschlechtsspezifischer und homophober Diskriminierung zusammenhängt.

„Diese Erfahrungen stammen aus systemischen Formen der sehr tief verwurzelten Diskriminierung, die auf heteronormativen und heterosexistischen Paradigmen beruht. Das ist genau die gleiche Art von treibender Kraft hinter der Gewalt gegen Frauen. Die Vorstellung, dass an der Spitze der Pyramide ein weißer, heterosexueller Mann steht, und dass jede Abweichung von diesem Parameter ein Risiko darstellt“,

so Arias.

Daryl Higgins erklärte gegenüber ABC News, dass der Zweck der Studie ursprünglich nicht darin bestand, die Prävalenz von Geschlechtervielfalt und Sexualität zu untersuchen, sondern eine umfassendere Studie über Kindesmissbrauch durchzuführen. „Wir wollten wissen, wie weit verbreitet das Thema ist und ob es sich im Laufe der Zeit verändert, denn natürlich haben wir sowohl ältere als auch jüngere Australier*innen befragt. 3.500 Personen im Alter von 16 bis 24 Jahren“, sagte Prof. Higgins.

Auf die Frage, warum er glaubt, dass junge Menschen in der Queer-Community häufiger von Missbrauch und Misshandlung betroffen sind, sagte Higgins, dass dies mit den einzigartigen Erfahrungen zusammenhängt, die man als junge*r, queere*r Australier*in macht. Außerdem sei die Wahrscheinlichkeit groß,

„dass Eltern nicht über die richtigen Fähigkeiten verfügen, um sich um Kinder zu kümmern, die sich als Erwachsene mit unterschiedlicher Sexualität oder unterschiedlichem Geschlecht identifizieren“.

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