Missbrauchsverfahren gegen HIV-Arzt: Drei Freisprüche, eine Verurteilung

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Im Mammutprozess gegen einen Berliner HIV-Schwerpunktarzt sind vier der fünf zu erwartenden Urteile gesprochen. Nur in einem der Fälle wurde der 63-Jährige zu einer Geldstrafe verurteilt, in drei Fällen hieß es Freispruch. Ein Fall bleibt offen. 

Über zehn Jahre liefen Ermittlungen gegen den szenebekannten Arzt in Berlin, fünf Fälle von mutmaßlichem sexuellem Missbrauch an Patienten während der Untersuchungen in der Praxis des Arztes wurden schließlich angeklagt (männer* berichtete). Nach 22 Verhandlungstagen und der Abtrennung eines des fünf Verfahren fiel am gestrigen Montag das Urteil:

Dreimal Freispruch und ein Schuldspruch wegen sexualisierter Gewalt gegen einen Patienten. Das Amtsgericht Berlin verurteilt den Arzt zu einer Geldstrafe von 45.000 Euro (150 Tagessätzen zu je 300 Euro), erließ aber wegen der Dauer des Verfahrens und der hohen Belastung 30 Tagessätze. In dem verurteilten Fall habe es laut Gerichtsurteil nach einer nicht zu beanstanden rektalen Untersuchung im Jahr 2012, eine kurze Manipulation am Penis gegeben, die nicht in Einklang mit einer medizinischen Untersuchung zu bringen sei. Laut vorsitzendem Richter sexueller Missbrauch. 

Interesse an Verfahren äußerst hoch

Foto: Elena Mozhvilo / unsplash / CC0

Der Fall hatte besonders in der Berliner Szene für Aufsehen gesorgt, da der nun verurteilte Arzt hohe Bekanntheit genießt und sich außerdem resolut gegen vorverurteilende Berichterstattung zur Wehr setzt. Und so sind auch die Reaktionen auf das gestrige Urteil, gegen das noch Berufung eingelegt werden kann, größtenteils von erheblicher Emotionalität geprägt. Ein anonymer Leser bei queer.de fasst die Reaktionen unter der Überschrift Rechtsstaat so zusammen: 

„Hilfe, das Gericht wendet auch für diesen Arzt rechtsstaatliche Prinzipien an. Das geht ja gar nicht.

Es ist sehr verwunderlich, dass immer diejenigen die das Recht angewendet wissen wollen, dann aufschreien, Wenn das Recht nicht exakt so ausgelegt wird wie sie es persönlich haben möchten und als interessierte Laien auslegen.

Darüber hinaus: 150 Tagessätze bedeutet: vorbestraft! Und auch für jemanden mit 9000 Einkommen (Tagessatz 300 × 30 Tage gleich 9000 ) ist die Strafe nicht unerheblich.

Und zuletzt: er wurde in einem(!) Fall verurteilt, wegen einer unangemessenen Anal-Untersuchung. Kein Raub, kein Mord, keine Vergewaltigung sondern ein sexueller Übergriff Im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit! Und dass er dafür nicht ins Gefängnis muss (wäre er wahrscheinlich auch nicht gekommen weil Bewährung bei < 2 Jahren), mag Leute die rachsüchtig sind, ebenfalls nicht befriedigend, ist aber juristisch gesehen völlig angemessen! Gerichte sind nicht dazu da, jeden lebenslang ins Gefängnis zu befördern, dessen vollzogene strafbare Handlungen uns anwidern.“

Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, sind noch keine Details seiner Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit des Arztes bekannt. 


Update 8. November 2021

Sowohl der Arzt als auch die Staatsanwaltschaft haben nach übereinstimmenden Medienangaben Berufung gegen das Urteil eingelegt.

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