Razzia in Ghana: „Wir werden sie alle verbrennen!“

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In einem erschreckenden Video ist zu sehen, wie Polizeibeamte in Ghana 22 Menschen verhaften – unter dem Vorwand, diese hätten an einer „lesbischen Hochzeit“ teilgenommen. Es ist der jüngste in einer Reihe von Angriffen gegen die Queercommunity in Ghana. Er zeigt abermals, mit welcher Brutalität homo- und trans*feindliche Kräfte aus Staat und Gesellschaft verhindern wollen, dass LGBTIQ* sichtbar und frei agieren.

Erschreckendes Videomaterial aus Ghana Web zeigt die Momente, nachdem die Polizei ein Anwesen in Obomeng, Kwahu South, im Osten des Landes gestürmt hat. „Warum schubst du mich so?“, schreit einer der angeblichen Hochzeitsgäste einen Mann an, der ein Polizist zu sein scheint. „Nehmt alle fest!“, hört man eine Stimme außerhalb des Sichtfeldes rufen. Man sieht Gerangel, schließlich hetzt jemand: „Wir werden sie verbrennen, wir werden sie alle verbrennen!“. Den Aktivist*innen zufolge ist der Mann zum Glück kein Polizist, sondern „nur“ ein Anwohner, der hinzukam, um die Polizei zu unterstützen. Er dürfte einer jener Ghanaer sein, die in den letzten Wochen von queerfeindlichen Allianzen im Land aufgehetzt wurden. 


Keine Hinweise auf Hochzeitsfest

Die LGBTIQ*-Interessengruppe African Equality Center verbreitete weitere Infos über den jüngsten Vorfall staatlicher Diskriminierung in Ghana via Twitter. Vom Internetsender AngelTV Ghana wurden Nana Effah Opinaman III, Häuptling (Oberhaupt einer Region im ghanaischen Regierungssystem) der Region Kwahu Obomeng sowie Sergeant Francis Gomado vom Regionalen Polizeikommando Ost zu den Festnahmen interviewt. 

Häuptling Opinaman III erklärte, einige Einwohner hätten Gerüchte über eine Lesbenhochzeit gehört. Er habe in Antwort darauf seine Leute organisiert, um die Veranstaltung zu überprüfen. Er verdeutlichte, LGBTIQ* zu sein sei in Ghana ein Tabu – und versprach den Bürgern, er würde Rituale durchführen lassen, um die Stadt und besonders das Haus, in dem das Event stattfand, zu „reinigen“.

Sergeant Gomado unterrichtete die Zuhörer derweil davon, dass 22 Personen in Polizeigewahrsam genommen wurden. Sie hätten mitgeteilt, es habe sich bei der Versammlung um eine Geburtstagsfeier gehandelt, nicht um die Trauung zweier Frauen. Die Polizei hätte auch keine Hinweise gefunden, die auf eine Hochzeit hindeuteten. Die anfänglichen Anklagen würden mit der Missachtung von COVID-19-Protokollen zusammenhängen, so der Wachtmeister. Er betonte jedoch: Im weiteren Verlauf der Ermittlungen könnten Anklagen hinzukommen, wenn zusätzliche Informationen gesammelt würden.

Homosexualität ist in Ghana illegal, Zuwiderhandlungen können mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.


Stonewall-Moment in Ghana

In Ghana brennt aus queerer Sicht seit Wochen die Luft: Das ganze Land diskutiert über Homosexualität, Fürsprecher und Gegner der Community mobilisieren sich. Auslöser: Die queere Organisation LGBT+ Rights Ghana eröffnete ein eigenes Büro, einen Safe Space für queere Menschen – den ersten im Land. Das an sich reichte offenbar, um eine homophobe Lobby auf den Plan zu rufen, die ihren Einfluss nutzte, um die Bürger des Landes gegen die Aktivist*innen aufzustacheln (wir berichteten).

Foto: Screenshot YouTube / JoyNews

Ende Februar hatten sie schließlich Erfolg: Der Vermieter der Örtlichkeiten meldete die queere Organisation. Sobald die Adresse bekannt war, stürmten Beamte der Nationalen Sicherheit das Büro. Das Vorgehen der Regierung und der queerfeindlichen Lobby im Land sorgten international für Entrüstung, auch einflussreiche Prominente stellten sich mit einem offenen Brief gegen den Hass. Unter ihnen befand sich Model Naomi Campbell sowie einige der prominentesten Menschen ghanaischer Herkunft: Schauspieler Idris Elba und der offen schwule Chefredakteur der britischen Vogue, Edward Enninful (wir berichteten).


Abgeordnete planen queerfeindliches Gesetz

Als Folge der queerfeindlichen Hetze formten 30 Abgeordnete in Ghana parteiübergreifend eine „Gläubige gegen LGBTIQ*“-Allianz, um einen Gesetzesentwurf gegen die Förderung von LGBTIQ*-Rechten zu unterstützen. Sollte dieser Entwurf durchs Parlament kommen, würde er Queers noch weiter kriminalisieren. Auf den Weg gebracht wurde er vom Parlamentarier Samuel Nartey George, der diesen Schritt auf Facebook ankündigte:

„Wir haben Stellung bezogen und unsere Absicht angekündigt, einen privaten Gesetzentwurf vorzulegen, um die Befürwortung und den Akt der Homosexualität in all ihren aktuellen und zukünftigen Formen ausdrücklich zu kriminalisieren und zu verbieten.“

Er sagte, die Regierungsmitglieder müssten die Traditionen, die Kultur und die religiösen Überzeugungen des Landes hochhalten und sich gegen die wachsende Befürwortung homosexueller Rechte in Ghana wehren. Die Gesetzesvorlage würde die bestehenden Gesetze zu diesem Thema verstärken und erweitern, so George.

„Mögen wir uns in diesem Kampf gegen die Geißel und Perversion, die Homosexualität darstellt, vereinen. So wahr uns Gott helfe.“


Stark: Aktivist*innen lassen sich nicht unterkriegen

Es wäre sicher verständlich, hätten die Aktivist*innen angesichts der massiven Angriffe den Mut und die Kraft verloren, weiterzukämpfen – aber so scheint es nicht. Stattdessen startete LGBT+ Rights Ghana eine Spendenaktion, um ihr Büro neu aufzubauen. Diesmal stehen jedoch einige Änderungen an: Sie wollen ein eigenes Gemeindezentrum bauen, eine gut ausgestattete Anlage mit High-Tech-Sicherheitssystem. 

Die Gruppe schreibt auf ihrer gofundme-Seite:

„Es wird Risiken geben, angesichts des Klimas, das durch die Eröffnung unseres ersten Raumes geschaffen wurde, aber unsere Absichten sind, unser Unterstützungsnetzwerk zu erweitern, um Verbündete und diejenigen in Ghana einzubeziehen, die nicht direkt Teil unserer Gemeinschaft sind, uns aber zur Seite stehen.“

Die Aktivist*innen erklärten, das Zentrum solle sechs Hauptzwecken dienen: So soll es unter anderem neben einem Büro und einem Aktivismuszentrum für Projektplanung auch die erste Bibliothek mit queerer Literatur in Ghana beinhalten, sowie einen Raum zur Gesundheitsaufklärung. Die Queeraktivist*innen haben inzwischen knapp $43.000 von den bis dato als Ziel gesteckten $100,000 erreicht.


hier LGBT+ Rights Ghana per Spende unterstützen 

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