Libanons queere Indie-Helden werden in ihrer Heimat von religiösen Eiferern an den Pranger gestellt

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Libanons schwuler Sänger Hamed Sinno und seine Band Mashrou' Leila sind in ihrer Heimat zum Mittelpunkt eines rigiden Angriffs der Behörden auf freie Meinungsäußerung geworden. Religiöse Eiferer nahmen einen bevorstehenden Mashrou'-Leila-Auftritt beim Byblos-Festival Anfang August zum Anlass für eine gerichtliche Beschwerde. Die Band verletze in ihren Songtexten und Social-Media-Aktivitäten die Gefühle von Gläubigen. Das Gericht stimmte zu.   

Mashrou' Leila ist die Band, bei deren Kairo-Konzert im Herbst 2017 mehrere Besucher festgenommen wurden, weil sie Regenbogenfahnen geschwenkt hatten (blu berichtete). Sie ist auch die Band, deren Sänger Hamed Sinno sich offen zu seinem Schwulsein bekennt. Und sie ist auch die Band, die sich immer wieder gegen Machtmissbrauch und Einschränkung (queerer) Menschenrechte positioniert (blu berichtete). Dass die Truppe bei Traditionalisten im Libanon, wo die gesetzlichen Verbote von „sexuellen Aktivitäten gegen die Natur“ in der Vergangenheit immer wieder ins Feld geführt wurden, um Homosexuelle zu verurteilen, einen schweren Stand hat, versteht sich von selbst. Andererseits haben Mashrou' Leila in ihrer Heimat (wie überall in der Welt) eine treue Fangemeinde, für die sie am 9. August beim diesjährigen Byblos Festival spielen wollen. 

Jedoch: die katholische Eparchie von Byblos forderte letzte Woche in einem öffentlichen Schreiben ein Verbot des Auftritts, weil sie die Inhalte der Mashrou'-Leila-Songs als „unvereinbar“ mit den religiösen Werten ihrer Stadt empfindet. Zeitgleich mit dem Schreiben wurde eine gerichtliche Beschwerde gegen die Band eingereicht, die dazu führte, das zwei Bandmitglieder sich einer sechsstündigen Anhörung stellen mussten, deren Folge war, dass die Richter ihnen auferlegten kirchenkritische Inhalte von ihrer Facebook-Seite zu löschen und eine öffentliche Entschuldigung herauszugeben. 

Letztere veröffentlichten Mashrou' Leila kurz darauf auf ihren Social-Media-Kanälen. Das Schreiben ist allerdings weniger eine Entschuldigung als eine Richtigstellung. So wird ohne Umschweife klargestellt, dass die Vorwürfe auf Songtextzeilen beruhen, die aus dem Kontext gerissen wurden, und dass es sich bei dem Ganzen um eine „diffamierende Kampagne handelt, die ausschließlich auf Behauptungen beruht, die nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein könnten, und die die Freiheit des Ausdrucks angreifen.“ 

Menschenrechtsinitiativen wie Human Rights Watch (HRW) verurteilen die Angriffe und Auflagen gegen die Band derweil scharf und fordern die libanesische Regierung zum Handeln auf: „Die Regierung des Libanon muss sicherstellen, dass Mashrou' Leila sicher auftreten können, und dringend Gesetze reformieren, die die freie Meinungsäußerungen kriminalisieren“, heißt es in einem öffentlichen HRW-Schreiben. „Der Libanon sollte sich entscheiden, welche Art von Land er sein möchte: eines, das den öffentlichen Diskurs kontrolliert und diktiert, oder ein Vorbild für Toleranz und ein Zentrum der Kunst, Musik und Kultur.“

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