Entsetzen in Pakistan nach Morden an Trans*frauen

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In Pakistan wurden innerhalb von zwei Tagen zwei Trans*frauen erschossen und eine weitere schwer verletzt. Die Community trauert und lebt in Angst. Die Taten machen erneut darauf aufmerksam, wie marginalisiert transgeschlechtliche Menschen in dem südasiatischen Land sind. 

Gul Panra starb am 9. September in der nordwestlichen pakistanischen Stadt Peshawar. Laut der Organisation Trans Action Pakistan wurde sie sechsmal aus nächster Nähe angeschossen und starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Gemeinsam mit einer anderen Trans*frau wurde sie auf einer Hochzeit attackiert – das andere Opfer, Chahat, überlebte schwer verletzt.

Die beiden Frauen waren angeheuert worden, um bei der Hochzeit aufzutreten – eine in Pakistan übliche Tradition. Sie waren bereits im Begriff, die Hochzeitsfeier zu verlassen, als plötzlich Unbekannte auftauchten und das Feuer auf die beiden eröffneten. Die Täter konnten fliehen.

Der Polizeichef von Cantt, Hassan Jahangir Wattoo, sagte, das Motiv sei noch nicht klar und der Fall werde derzeit noch untersucht. Es wurden noch keine Verhaftungen vorgenommen. Das überlebende Opfer Chahat habe jedoch Informationen über die Täter geben können, die eine Identifizierung ermöglichen könnten.


13-jähriger erschießt seine Schwester

Nur einen Tag später erschütterte ein weiterer Mord an einer Trans*frau in Pakistan die Community. Auch sie kehrte von einem Tanzauftritt nach Hause zurück – wo sie von ihrem Bruder erschossen wurde. Er ist erst 13 Jahre alt. Die Tat ereignete sich in Swabi, einem Bezirk der Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Nordwesten Pakistans.

Der zuständige Polizeibeamte Muhammad Fahim sagte, die Frau sei von einer Tanzparty in Rawalpindi, einer Stadt südlich von Islamabad, zurückgekehrt, als ihr Bruder Muhammad Hammad das Feuer eröffnete und sie tötete. Hammad wurde verhaftet und befindet sich in Polizeigewahrsam. Laut Polizei sei der Bruder sauer und wütend gewesen, weil seine Schwester auf der Party getanzt habe. Es soll sich um eine Tat im Affekt gehandelt haben, nicht um geplanten Mord. Die Polizei hat eine vollständige Untersuchung ihres Todes versprochen und anderen Transsexuellen in der Region Sicherheit zugesichert.


Entsetzen in Pakistans Queercommunity

Die Taten lösten in Pakistan Wut, Trauer und Mitgefühl aus. Kurz nach dem ersten Mord trendete der Hashtag #JusticeforGulPanra auf Twitter.

Trans Action Pakistan zeigte auf Facebook ein Video von Chahat und Gul Panra, die kurz vor ihrem Angriff um Schutz baten. Dazu schrieben sie:

„Es gibt keine Sicherheit für uns. COVID-19 hat uns verwundbarer gemacht, aber wir können nicht [nur] das dafür verantwortlich machen. Selbst vor COVID waren wir nie sicher. Wir fragen uns, ob die Polizei uns überhaupt als Menschen betrachtet“


Staatliche Diskriminierung in Pakistan

Viele Aktivist*innen zogen Vergleiche mit anderen Gewalttaten gegen Frauen in Pakistan, darunter die kürzliche Festnahme der Trans-Aktivistin Julie Khan am 10. August unter angeblich erfundenen Anklagepunkten. Obwohl ihr gesetzlicher Geschlechtsstatus nicht 'männlich' war, wurde Khan in der Männerabteilung des Gefängnisses von Adiala festgehalten.

Mitglieder und Verbündete der pakistanischen Transgender-Gemeinschaft hatten am 16. August in der Hauptstadt Islamabad demonstriert. Sie waren der Meinung, Khans Verhaftung sei rechtswidrig gewesen und ohne Haftbefehl durchgeführt worden. Zudem habe Khan durch Polizeibeamten gewaltsame Misshandlung erfahren. Am 17. August, einen Tag nach den Protesten, wurde Kahn gegen Kaution freigelassen. 

Die pakistanische Regierung gab im Januar bekannt, dass Krankenversicherung für transgeschlechtliche Menschen künftig kostenfrei sein soll (wir berichteten). Doch obwohl Pakistan das dritte Geschlecht gesetzlich anerkennt, ist die Transgender-Community des Landes mit weit verbreiteter Gewalt, Diskriminierung und Missbrauch konfrontiert. Aktivist*innen versuchen ihr möglichstes, um Vorurteile abzubauen und Verständnis zu schaffen – erst vor knapp drei Wochen fand der Trans Pride Pakistan statt (wir berichteten). 

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