Homosexualität: Polarisierung der russischen Gesellschaft?

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Laut einer am 15. Oktober veröffentlichten Umfrage des unabhängigen russischen Meinungsforschungsinstituts Levada Center ist die russische Gesellschaft in der Frage nach der Gleichberechtigung von Homosexuellen zunehmend gespalten. Während heute mehr Russ*innen eine negative Meinung über homosexuelle Beziehungen haben als noch vor fast einem Jahrzehnt, hat der Anteil derer, die queeren Lebenskonzepten gegenüber aufgeschlossen sind, zugenommen.

69 Prozent der Befragten gaben an, der Aussage, dass „Erwachsene das Recht haben, im gegenseitigen Einvernehmen gleichgeschlechtliche Beziehungen einzugehen“, nicht zuzustimmen. Im Jahr 2013 lag der Anteil noch bei 60 Prozent. Für die Umfrage wurden vom 23. bis zum 29. September 1634 Personen ab 18 Jahren in allen Teilrepubliken Russlands zu ihrer Einstellung gegenüber LGBTIQ*s befragt.

Wendejahr 2013

Zurückzuführen ist diese Entwicklung wohl auf die Einführung des umstrittenen Gesetzes zur „Schwulenpropaganda“ 2013. Mit dem Gesetz, das die ‚Förderung‘ von Homosexualität unter Minderjährigen verbietet, ging zum einen die Marginalisierung von Minderheiten und das Fehlen einer sichtbaren Lobby einher. Zum anderen begünstigten das Wiedererstarken der Religion und die Förderung konservativer „traditioneller Werte“ die Ablehnung von liberalen westlichen Einstellungen.

Foto: Roman Holst / instagram.com/roman-holst

Gleichzeitig ist der Anteil derer, die finden, dass Erwachsene das Recht haben sollten, im gegenseitigen Einvernehmen Beziehungen mit Menschen gleichen Geschlechts einzugehen, auf 25 Prozent gestiegen. 2015 waren es noch 19 Prozent. Der Anteil derer, die angaben, unentschlossen zu sein, ging von 17 Prozent auf 7 Prozent zurück.

Große Abweichungen in den Altersgruppen

Mit zunehmendem Alter der Befragten nahm die Unterstützung für homosexuelle Paare ab und der Widerstand deutlich zu. Bei Befragten von 18 bis 24 Jahren ist die größte Unterstützung vorhanden – 53 Prozent dieser Altersgruppe befürworteten das Recht von homosexuellen Erwachsenen auf eine Beziehung, etwa 39 Prozent vertraten die gegenteilige Ansicht. Ganz anders hingegen die Meinung der Befragten, die 55 Jahre und älter sind: In dieser Altersgruppe äußerten 81 Prozent eine Abneigung gegen homosexuelle Beziehungen, lediglich 13 Prozent gaben an, solidarisch zu sein.

Auf die Frage nach ihren persönlichen Ansichten über Schwule gaben 38 Prozent an, sie würden „Ekel und Angst“ empfinden. Diese Zahl ist in den letzten 20 Jahren deutlich gestiegen (2003 – 21 Prozent, 2013 – 26 Prozent, 2015 – 24 Prozent). Im gleichen Zeitraum stieg aber auch der Anteil derer, die Homosexuellen neutral gegenüberstehen, von 23 Prozent auf 32 Prozent.

Wer Queers kennt, hasst sie weniger

Die Umfrage belegt auch eine starke Korrelation zwischen Personen, die eine queere Person persönlich kennen, und der Unterstützung für LGBTIQ*-Rechte. 11 Prozent der Russinnen und Russen haben Bekannte mit einer homosexuelle Orientierung, 87 Prozent nicht. Unter denen wenigen, die homosexuelle Bekannte haben, glauben 65 Prozent, dass Menschen das Recht auf gleichgeschlechtliche Beziehungen haben, 27 Prozent glauben das nicht. Bei denjenigen, die keine solchen Bekanntschaften haben, sind es 19 Prozent bzw. 75 Prozent.

Foto: Andre Roksen/CCO Public Domain

Das unabhängige Meinungsforschungsinstitut, das zwangsweise in das Register jener gemeinnützigen Organisationen aufgenommen wurde, die laut putinscher Lesart „die Funktionen eines ausländischen Agenten“ ausüben, kommt zur Schlussfolgerung:

„Mit anderen Worten, die öffentliche Meinung zu diesem Thema ist polarisierter als je zuvor.“

 Die detaillierte Aufschlüsselung aller Ergebnisse hat das Levada Center HIER veröffentlicht. 

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