Los Angeles: Warum eskalierten die transphoben #WiSpa-Proteste?

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In Los Angeles verhaftete die Polizei mehrere Dutzend Menschen, nachdem Demonstrationen gegen Trans*-Rechte in einem Wellnessbad ausgeartet waren. Das Bad ist LGBTIQ*-friendly und verfolgt eine eine trans*inklusive Politik, das heißt, trans* Frauen ist es erlaubt, Einrichtungen für Frauen zu nutzen.

Anfang Juli zirkulierte im Internet ein Video, in dem sich eine wütende Kundin bei den Mitarbeitenden des Wellnessbades Wi Spa über eine trans* Frau im Frauenbereich des Spas beschwerte. Die Mitarbeitenden des Wi Spa erklärten der Frau, das Spa halte die Nichtdiskriminierungsgesetze ein und sei bestrebt, die Bedürfnisse all seiner Kunden zu erfüllen, woraufhin die Frau entgegnete, so etwas wie Transgender gebe es nicht. Die Aufnahme verbreitete sich im Netz schnell auf feministischen und Anti-Trans*-Webseiten. Rechte Medien wurden darauf aufmerksam. Fox News verbrachte zum Beispiel mehrere Tage damit, die lokale Meldung in eine Nachricht von nationaler Tragweite zu verwandeln. Der Tenor: Trans*inklusive Politik gefährdet cis-Frauen.

Proteste von rechts-fundamentalistischer Allianz forciert?

Immer mehr aufgebrachte Menschen versammelten sich, um gegen das Wi Spa zu demonstrieren. Neben Frauen mit Schildern wie „Schütze weibliche Räume“ und „In Frauenhäusern ist es schlimmer“ demonstrierten auch religiöse Konservative und Männer, die Helme und Masken trugen, um ihre Gesichter zu verdecken. All diese Leute passen in ein aufkommendes Muster eines Bündnisses aus antisemitischen Verschwörungstheoretikern der Alt-Right-Bewegung, rechtsextremen Gruppen wie den Proud Boys, religiösen Rechten und trans*-ausschließenden TERFs. Sie nutzen dieselben Medienkanäle und arbeiten koordiniert zusammen. So belegen Fotos der Proteste die Anwesenheit von Arthur Schaper, dem organisatorischen Leiter von MassResistance. „Pro-Family“ und „Anti-LGBT-Agenda“ gehören eigenen Angaben zufolge zu den Hauptbelangen der Organisation. Wie The Guardian berichtete, skandierten die Demonstrierenden auch Behauptungen über Pädophilie und riefen „Rettet unsere Kinder“ – einen von QAnon-Verschwörungstheoretiker*innen in die Welt gesetzten Slogan.

Proteste eskalieren – Polizei antwortet mit Gewalt 

Als Gegendemonstrierende eine Kundgebung „Keine Bigotterie in LA“ veranstalteten, unter die sich Berichten zufolge auch Antifa-Mitglieder mischten, spitzte sich die Lage zu, bis die Situation am vergangenen Wochenende eskalierte. Es kam zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen den beiden Gruppen. Auf einigen Videos ist zu sehen, wie Menschen mit Schusswaffen bedroht werden, auf anderen, wie eine Anti-Trans*-Demonstrantin mit einem Messer auf eine Pro-Trans*-Gegendemonstrantin und eine andere Anti-Trans*-Demonstrantin, die versuchte, ihr beim Aufstehen zu helfen, einstach.

Der Dokumentarfilmer Rocky Romano, der das obige Video drehte, wurde weniger später selbst Opfer einer Attacke. Ein rechter Demonstrant schlug ihm mit einem Metallrohr von hinten auf den Kopf, obwohl seine Weste mit der Aufschrift „PRESS“ deutlich zu sehen ist. Glücklicherweise trug er einen Helm.

Die LAPD rückte in Kampfausrüstung an und versuchte, die Demo aufzulösen. Videos zeigen, wie Demonstrierende und Polizei wieder und wieder aneinandergeraten. Auch zu sehen sind Beamte, die Demonstrant*innen mit Schlagstöcken schlagen und Trans*-Flaggen zerstören. 

Einer Frau wurde ohne ersichtlichen Grund mit einem Gummigeschoss aus nächster Nähe in den Bauch geschossen. Sie war eine Gegendemonstrantin der Anti-Trans*-Kundgebung vor dem Wi Spa. 

In einem YouTube-Statement betonte die LAPD, auf beiden Seiten seien Elektroschocker, Messer und Pfeffersprays gefunden worden, auch seien Rauchbomben und andere Gegenstände auf die Beamten geworfen worden. Die Verhaftungen mehrerer Dutzend Menschen haben stattgefunden, weil die Menschen den Befehl zur Auflösung der Demonstration ignoriert hätten, so die Polizei.

Alles inszeniert?

Mittlerweile lassen mehrere Faktoren Zweifel an der Richtigkeit der Behauptungen im Video aufkommen. Im ursprünglichen Video, das zu den gewalttätigen Protesten führte, ist keine trans* Person zu sehen, auch konnte die Polizei keine bestätigenden Beweise dafür finden, dass an diesem Tag überhaupt eine trans* Person anwesend war. Zeug*innen, die den Vorwurf bestätigen hätten können, gibt es nicht. Mitarbeitende des Spas bestätigten gegenüber Los Angeles Blade, dass an diesem Tag keine trans* Kundin auf der Gästeliste stand. Die Behandlung im Spa ist nur nach Vereinbarung möglich, und die meisten trans* Kund*innen des Spas sind dem Personal gut bekannt.

Ebenfalls möglich ist, dass eine Person nur vorgab, trans* zu sein, um den Eklat zu verursachen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Hoaxes zur gezielten politischen Desinformation eingesetzt werden: 2016 ermutigten Anti-Trans*-Aktivist*innen im Bundesstaat Washington gezielt cis* Männer, Fraueneinrichtungen zu betreten, woraufhin ein cis* Mann den Frauen-Umkleidebereich eines Swimmingpools betrat und behauptete, er habe ein Recht darauf, dort zu sein. 

Transgender im Visier rechtsextremer Gruppen

Sodann werden Aufrufe zur Verteidigung von „weiblichen Räume“ und „Frauenrechten“ zum Schlachtruf eines Kulturkrieges, bei dem sich Anti-Trans*-Aktivismus mit anderen Formen des rechtsextremen Aktivismus mischen. Dr. Joe Mulhall, Forschungsleiter der renommierten britischen Anti-Extremismus-Bekämpfungsgruppe Hope Not Hate, sieht darin einen Trend. In einem Interview mit The Herald sagte Mulhall, in den letzten Jahren werde unverhältnismäßig oft über Trans*-Rechte gesprochen. Weil Transphobie in der Öffentlichkeit stärker akzeptiert sei als beispielsweise Rassismus oder Antisemitismus, sehe man „heute mehr transfeindliche Inhalte innerhalb der extremen Rechten als gegen jede andere Minderheit“. Für extrem rechte Bewegungen stelle der Hass auf Transgender den „Weg zum Mainstream“ dar.

„Über Juden zu sprechen tut das nicht. Damit wird man geächtet. Aber wenn man über Trans*-Themen spricht, öffnet das die Türen zum Mainstream. Die Rechtsextremen sagen Dinge, von denen sie wissen, dass sie auf den Kommentarseiten der rechten Presse ein Echo finden werden.“

Dr. Joe Mulhall

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