Ungarn: Neuer Affront gegen Queers und Europäische Union

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Ungarn will Werbung für Homosexualität verbieten. Der Begriff ist irreführend, denn gemeint sind auch Information und Aufklärung zu Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit. Was die erneute Eskalation mit der EU zu tun hat und wie die reagiert ...

Foto: NurPhoto via AFP / WIktor Szymanowicz

Neuerdings plant die Regierungspartei des ungarischen Ministerpräsidenten, jegliche „Werbung“  für Homosexualität oder Geschlechtsumwandlungen bei Minderjährigen zu untersagen. Verboten werden sollen allerdings nicht in erster Linie küssende Cola-Trinker oder kuschelnde IKEA-Käuferinnen, sondern Bildungsprogramme an Schulen ebenso wie bestimmte Filme und Aufklärungsbücher zum Thema. Aber natürlich auch Werbung von Großunternehmen, die sich mit Homosexuellen solidarisch erklären, wird es dem Gesetz nach nicht mehr geben. Am 10. Juni brachte Orbáns Fidesz-Partei den Änderungsvorschlag ins Parlament ein, am 15. Juni soll darüber abgestimmt werden.

Ein Bündnis aus mehreren NGOs verurteilte das Vorhaben umgehend als massiven Einschnitt in die Meinungsfreiheit und Kinderrechte. Die ungarische Regierung kopiere „diktatorische Modelle, die den von der Mehrheit der Ungarn als wichtig erachteten europäischen Werten zuwiderlaufen”, kritisierte das Bündnis in einer Pressemitteilung, und wende sich „gegen ihre eigenen Bürger”, sollte sie „dem Beispiel Russlands und Chinas” folgen.

Eskalationsspirale im Kampf mit der EU

Man kann schon fast die Uhr danach stellen: Immer, wenn es gute Nachrichten aus der LGBTIQ*-Community zu vermelden gibt, startet Orbán einen Frontalangriff gegen Queers. 

Im Mai letzten Jahres wurde ein Gesetz verabschiedet, das die nachträgliche Änderung des bei der Geburt eingetragenen „biologischen Geschlechts“ und damit die Änderung bzw. legale Anerkennung des Geschlechts von trans* Personen verbietet (wir berichteten). Der Entwurf war am 31. März, dem Internationalen Tag der Transgender-Sichtbarkeit, im Parlament eingereicht worden. Im Dezember hatte die Fidesz-Partei ein Gesetzespaket zum Schutze der „die Selbstidentität der Kinder entsprechend ihrem Geschlecht bei ihrer Geburt“ beschlossen, wonach nur mehr das zugewiesene Geschlecht zum Zeitpunkt der Geburt über die Definition des Geschlechts eines Menschen entscheidet. Außerdem wurde Homosexuellen verboten, Kinder der zu adoptieren (wir berichteten). Der Entwurf hierzu war am 10. November in das ungarische Parlament eingebracht worden – an dem Tag, an dem nach zähen Verhandlungen endlich der Sieben-Jahres-Haushaltsplan inklusive Rechtsstaatsmechanismus mit Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Grundwerte der EU beschlossen wurde.

„LGBTIQ-Freiheitszone“?

Als Antwort auf die Diskriminierung von Homosexuellen in Ungarn und Polen hatte das Europaparlament am 12. März die gesamte EU zur „LGBTIQ-Freiheitszone“ erklärt und deutlich gemacht, „alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente“ zu nutzen, um sicherzustellen, dass die Grundrechte sexueller Minderheiten respektiert werden. Bei Verstößen drohen Straf- und Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge (wir berichteten) und die Streichung von EU-Mitteln (wir berichteten).

Foto: Johanna Geron / AFP

Laut Beschluss vom März sollte der Rechtsstaatsmechanismus am 1. Juni wirksam werden, doch Polen und Ungarn äußerten Bedenken und irgendwann wurde es still um das ach so hoch gepriesene Instrument zur Ahndung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit. Bis zur Plenumssitzung des Europaparlaments in der vergangenen Woche: Am 9. Juni leiteten die Europaabgeordneten nämlich ein Untätigkeitsverfahren gegen die EU-Kommission ein. Sollte die Kommission die neue Regelung nicht unverzüglich anwenden, droht ihr eine Klage. 

Das wiederum bringt die EU-Kommission in Bedrängnis. Denn die Staats- und Regierungschefs hatten sich darauf geeinigt, so schreibt die ZEIT, dass die Kommission erst tätig wird, wenn über die Klage, die Ungarn und Polen gegen den Rechtsstaatsmechanismus angestrebt hatten, entschieden wurde.

Ungarn, wahrlich not amused, antwortete am 10. Juni mit dem einleitend genannten Gesetzesvorhaben.

Was jetzt?

Dávid Vig von Amnesty International Hungary forderte die Europäische Union auf, ihren Worten nun auch Taten folgen zu lassen. Sofortige Maßnahmen müssten ergriffen werden, um Ungarn in die Schranken zu weisen.

Wir dürfen gespannt sein. Fortsetzung folgt garantiert ...

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