Usbekistan: Feindseligkeit gegen Queers schlägt in Gewalt um

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Nach internationaler Kritik an geplanten Änderungen des usbekischen Strafgesetzbuchs, wonach Homosexualität künftig als, „Verbrechen gegen Familie, Moral und Kinder“ eingestuft werden soll, geraten homo-/transphobe Proteste in der Hauptstadt Taschkent zunehmend außer Kontrolle und arten in rohe Gewalt gegen queere Menschen aus.

In den letzten vier Jahren gab sich Usbekistan zunehmend modern und reformwillig. Unter Präsident Shavkat Mirziyoyev, der 2016 auf den autoritären Amtsvorgänger und Staatsgründer Islom Karimov folgte, wandte sich das Land einer politisch fortschrittlicheren Agenda zu. Mirziyoyev kündigte Öffnungen und Reformen an. In die usbekische Verfassung wurde die Gewährleistung von Privatsphäre, Gleichheit und Nichtdiskriminierung aufgenommen.

Doch für die queere Bevölkerung des Landes gilt das nicht. Neben Turkmenistan ist Usbekistan der einzige postsowjetische Staat, der sexuelle Beziehungen zwischen Männern immer noch verbietet und mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren ahndet. Am 22. Februar kündigte die Regierung neue Anti-LGBTIQ*-Gesetze an: Das Strafgesetzbuch des Landes soll dahingehend geändert werden, dass Homosexualität nicht mehr nur wegen des Straftatbestands der „Sodomie“ geahndet wird, sondern als „Verbrechen gegen Familie, Moral und Kinder“ eingestuft wird.

Queers als politische Sündenböcke

Laut einem Mitglied von ILGA-Europe, das mit der LGBTIQ*-Community in Usbekistan zusammenarbeitet, zielt die Einstufung homosexueller Liebe als Verbrechen gegen Familie, Kinder und Moral darauf ab, queere Menschen zu politischen Sündenböcken zu machen. „Jetzt wird alles, was mit Familien passiert, alles, was mit 'Moral' passiert, LGBT-Menschen angelastet“, sagte der junge Mann, der lieber anonym bleiben wollte, dem Guardian. Es sei im Grunde „eine Formalisierung der Praxis, LGBT-Menschen für das Versagen des Staates zu instrumentalisieren“. In Ländern wie Polen oder Russland war Ähnliches zu beobachten.

Mehr als 40 Menschenrechtsorganisationen, darunter ILGA-Europe, forderten Usbekistan in einer gemeinsamen Erklärung öffentlich dazu auf, seinen Verpflichtungen als Mitglied des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen nachzukommen und endlich Reformen durchzuführen. Denn zuletzt vor einem Jahr äußerte sich der UN-Menschenrechtsausschuss in einem Bericht sehr besorgt über die 

„anhaltenden Berichte über Diskriminierung, Belästigung und Gewalt, einschließlich Erpressung, willkürlicher Verhaftung, Folter und sexuellem Missbrauch, gegen lesbische, schwule, bisexuelle und transsexuelle Personen durch staatliche Beamte und Privatpersonen, auch an Orten des Freiheitsentzugs, sowie über die obligatorische Offenlegung privater medizinischer Informationen“. 

Stimmung im Land kippt

Die Debatte um Artikel 154 und die Entkriminalisierung von Homosexualität hat die Stimmung im Land in den letzten Wochen aufgeheizt und die generell schon weit verbreitete Homophobie im Land neu entflammt.

Rasul Kusherbayev – ein junger Abgeordneter des usbekischen Parlaments, der sich als Verfechter eines „positiven Wandels im Land“ betrachtet – schrieb zum Beispiel auf Telegram, dass der Tag, an dem homosexuelle Beziehungen legalisiert werden, den Tod der Nation bedeuten würde. „Wenn sie sagen, dass dies gegen die Menschenrechte verstößt, spucke ich auf diese Rechte. Der Freund einer Nation wird keinen so unlogischen, unnatürlichen Vorschlag machen, der letztendlich zum Aussterben von Generationen führen wird “, schrieb Kusherbayev.

Aber auch von den Befürworter*innen der Entkriminalisierung war in den vergangenen Wochen in den sozialen Medien heftig über die Reform des Strafgesetzbuchs diskutiert worden. Der bekannte Blogger Miraziz Bazarov, der als aktiver Befürworter von LGBTIQ*-Rechten gilt und sich immer wieder kritisch über den extrem konservativen Wertekanon in Usbekistan äußert, hatte die Weigerung der usbekischen Regierung, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu entkriminalisieren, scharf kritisiert. Auf Instagram stellte Bazarov die Regenbogenfahne neben die usbekische Nationalflagge und schrieb:

„Der Kampf gegen Homophobie ist eine der Grundlagen für die Entwicklung einer toleranten Zivilgesellschaft und damit für eine beschleunigte wirtschaftliche Entwicklung.“

Als Antwort auf die öffentliche Debatte in den sozialen Medien führte Usbekistan am 30. März Gesetze ein, die das Veröffentlichen von „Respektlosigkeiten“ gegenüber Gesellschaft und Staat verbieten. Mit ihnen sollen Medien und Online-Kommentatoren daran gehindert werden, sich für die Entkriminalisierung von Homosexualität einzusetzen, sagen Menschenrechtsorganisationen. Seitdem kennen Homo- und Transphobie im Land kein Halten mehr. 

Am vergangenen Wochenende schlugen die queerfeindlichen Proteste in der Hauptstadt Taschkent in rohe Gewalt gegen queere Menschen um. Zwei Teenager wurden bei den Zusammenstößen schwer verletzt.

Wie das in den USA ansässige Onlinemedium Eurasianet berichtete, ist auch Miraziz Bazarov unter den Opfern der Unruhen. Er wurde von einer Gruppe maskierter Männer zusammenschlagen und musste in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Drei Tage später haben Sicherheitskräfte sein Haus durchsucht und Dokumente und einen Computer beschlagnahmt. 

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