Diskriminierung von Queers am Arbeitsplatz noch weit verbreitet

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LGBTIQ*-Arbeitskräfte in Deutschland machen immer noch häufig Erfahrung mit Diskriminierung am Arbeitsplatz. Das geht aus einer gemeinsamen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Universität Bielefeld hervor.

Grafik: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin

Obwohl der Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gesetzlich verankert ist, ist das Arbeitsleben ein Bereich, der für Angehörige sexueller Minderheiten vergleichsweise oft mit Diskriminierung verbunden ist. Fast 30 % der homosexuellen Arbeitskräfte haben in den letzten zwei Jahren Erfahrungen mit Diskriminierung am Arbeitsplatz gemacht. Bei Trans*-Menschen ist der Anteil noch höher und liegt bei über 40 %.

Zu diesem Ergebnis kommt eine am 2. September im DIW Wochenbericht 36 / 2020 veröffentlichte Studie, die vom sozio-oekonomischen Panel (SOEP) am DIW Berlin gemeinsam mit der Universität Bielefeld als Befragung von LGBTIQ*-Menschen in Deutschland zu ihren Erfahrungen und Erwartungen im Arbeitsumfeld durchgeführt wurde.

Offenheit mit eigener sexueller Orientierung ist branchenabhängig

Grafik: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Fast ein Drittel der Befragten gab an, die eigene Sexualität oder Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz geheimzuhalten. Mobbing oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sind keine Seltenheit, besonders Trans*-Menschen berichten überproportional oft davon. 

Der Umgang mit der sexuellen Orientierung ist jedoch stark abhängig von der jeweiligen Branche. So sind queere Menschen im produzierenden Gewerbe und in der Land- und Forstwirtschaft unterrepräsentiert. In diesem Bereich haben sich nur 57 % der LGBTIQ*-Menschen gegenüber Kolleginnen und Kollegen geoutet. Im Gesundheits- und Sozialwesen, wo queere Menschen anteilig häufiger vertreten sind, sprechen hingegen knapp drei Viertel der Befragten offen über ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität. Insgesamt sind 69 % der Befragten vor der Belegschaft, aber nur 60 % vor Vorgesetzten geoutet.

Für die Autorinnen und Autoren der Studie liegt der Schluss nahe, dass LGBTIQ*-Menschen bestimmte Branchen meiden, weil sie dort mehr Diskriminierung befürchten.

Grafik: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Dr. Mirjam Fischer, wissenschaftliche Mitarbeiterin des SOEP am DIW Berlin, gibt in einem Interview konkrete Hilfestellungen für Unternehmen, die sich um ein diskriminierungsarmes Arbeitsumfeld bemühen. Wichtig sei, so Fischer, dass Unternehmen sich in Stellenausschreibungen und auf der Website, aber auch im Betrieb selbst ganz klar zur Gleichstellung von LGBTIQ*-Menschen positionieren. Außerdem sollten queere Beschäftigte innerhalb des Betriebs eine Ansprechperson haben, an die sie sich bei Erfahrungen mit Diskriminierung wenden können. Zu vermeiden sei allerdings, „dass diese Thematik zu oft angesprochen wird“, meint Fischer:

„Es ist nämlich auch eine Form von Ausgrenzung, wenn ständig vermittelt wird, dass man besonders interessant ist, weil man ‚anders‘ ist, auch wenn das gut gemeint sein kann.“

Politische Stellungnahmen und Forderungen

Für Ulle Schauws und Sven Lehmann, Sprecherin und Sprecher für Queerpolitik der grünen Bundestagsfraktion, ist die gegenwärtige Situation nicht tragbar. Sie fordern einen bundesweiten Aktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit und für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. Außerdem sei die Bundesregierung in der Pflicht, „dafür Sorge [zu] tragen, dass die Bundesverwaltung bei der Umsetzung von Diversity-Strategien ihrer Vorbildfunktion gerecht wird“.

Jens Brandenburg, Sprecher für LSBTI der FDP-Bundestagsfraktion, sagte, eine „formale Diversity-Strategie dürfe kein Feigenblatt sein für tatsächliche Veränderungen in der Unternehmenskultur“. Kleine Unternehmen bräuchten mehr Unterstützung und der Staat müsse mit gutem Beispiel vorangehen, so Brandenburg. Queere Lehrkräfte dürften von den Schulbehörden nicht entmutigt werden, sondern zu einem selbstbewussten Umgang ermutigt werden. Die Bundeswehr müsse endlich dezentrale LSBTI-Ansprechpersonen benennen.



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