Queer im Parlament: Überraschung bei Debatte über Grundgesetzänderung

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Foto: J. Klaus

Diese Parlamentswoche begann mit einer wichtigen Nachricht. Das Gesundheitsministerium legte einen Referentenentwurf zum Verbot von Konversionstherapien vor, also Behandlungen die Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit „heilen“ sollen. Auch wenn die demokratischen Oppositionsparteien hier einige Einschränkungen im Entwurf kritisierten, so schwang doch ein Lob in ihren Statements mit. Gesundheitsminister Jens Spahn hat geliefert (blu berichtete).


Foto: Deutscher Bundestag / Thomas Köhler/ photothek.net

Die AfD lehnt ein solches Verbot selbstverständlich generell ab.

„Sexuelle Identität“ mit Verfassungsrang rechtlich schützen? 

Foto: LSVD

Im Bundestag wurde am Donnerstag zu später Stunde (es war bereits Freitagmorgen) und vor lichten Reihen erstmals über den gemeinsamen Gesetzentwurf von FDP, DIE LINKE und Bündnis90/Grüne zur Erweiterung des Grundgesetzes in Artikel 3 Absatz 3 um das Merkmal „sexuelle Identität“ in erster Lesung debattiert. Eine alte Forderung der Community, schließlich haben viele Staaten einen solchen Schutz schon in der Verfassung, wie z.B. Südafrika seit 1996. Ulle Schauws von den Grünen machte darauf aufmerksam, dass das Fehlen des Merkmals „sexuelle Identität eine Rechtsungleichheit fortschreibe“ und, dass man nun auch der letzten von den Nationalsozialisten verfolgten Gruppe an dieser Stelle im Grundgesetz einen expliziten Schutz gewähren müsse. 

Jens Brandenburg von der FDP bat in seiner Rede darum, dass die CDU sich von den Argumenten überzeugen lassen solle. Schließlich habe seine Fraktion, wie auch die SPD, ihre Position geändert und favorisiere nun die Grundgesetzänderung. Doris Achelwilm (DIE LINKE) betonte, die Gesundgesetzänderung „gebiete die Vergangenheit und hilft heute.“ Sie hob hervor, dass Mehrheiten sich ändern können und dann auch wieder LGBTIQ* gesetzgeberisch diskriminiert werden könnten, deshalb müsse mit der Grundgesetzänderung ein dauerhafter Diskriminierungsschutz garantiert werden. Der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner verwies in seiner Rede darauf, dass seine Fraktion das Anliegen grundsätzlich unterstütze, er allerdings denn „schnellen Weg“ der Opposition schwierig fände, da sie es versäume den großen gesellschaftlichen Konsens zu suchen, denn schließlich benötige man im Parlament für die Grundgesetzänderung eine 2/3-Mehrheit. 

Und sie bewegt sich doch: Union signalisiert Gesprächsbereitschaft

Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde

Überraschend war der Beitrag von Dr. Volker Ullrich von der CSU. Er wandte sich gegen diejenigen, „die das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen“, blickte in die Reihen der AfD und beendete seine Rede mit den Worten „lassen sie uns intensiv über die Grundgesetzänderung beraten – mit einem offenen Ergebnis.“ 

  „Ich glaube, dass wir durch dieses Merkmal auf alle Fälle Menschen noch stärker auch durch eine grundgesetzliche Verankerung vor Diskriminierungserfahrungen schützen können, und dass auf der anderen Seite auch wichtige gesetzgeberische Entscheidungen eine verfassungsrechtliche Fundierung bekommen“, Dr. Volker Ullrich, CSU

Das Klang nicht nach Blockade und lässt uns hoffen, dass es hier in den Reihen der CDU/CSU zu einem Sinneswandel gekommen ist.

Wenn Ullrich wirklich für seine Unions-Fraktion sprach, so war seine Rede eine faustdicke Überraschung, die zeigt, dass Menschenrechtsfragen auch in der Union, vielleicht auch wegen des zunehmend deutlichen Windes aus der Vergangenheit, nicht mehr ideologisch bzw. parteipolitisch instrumentalisiert werden sollen. Dass die AfD ihren Redebeitrag dazu nutzte, einmal mehr queere Lebensweisen abzuwerten, verdeutlicht vielleicht, was bei der CDU hinter den Kulissen ins Rollen gekommen ist. 

International ausweichen, national einfach machen

Auch in dieser Woche machten die Opposition von ihrem parlamentarischen Fragerecht Gebrauch. Die FDP fragte zu „LSBTI-Inklusionskonzept für die Auswärtige Politik und die Entwicklungszusammenarbeit“ erhielt jedoch nur Allgemeinplätze als Antwort. Zudem legten Familien- und Justizministerium in dieser Woche Gesetzentwürfe zur Verbesserung bzw. Hilfe zu Adoptionen vor, die auch Regenbogenfamilien besserstellt, das Kabinett winkte die Änderungen durch. (Infos zum Gesetz HIER)

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