ZWISCHEN DEN ZEILEN

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Mir schwant Buntes, wenn ich daran denke, dass sich in diesem Jahr jene Begebenheiten von 1969 zum fünfzigsten Mal jähren, bei denen sich eine Ansammlung von Menschen, endlich der fortwährenden Demütigung, Ausbeutung, Gewalt und Ausgrenzung widersetzte - bei einer Razzia in der Spelunke „Stonewall Inn“ in der New Yorker Christopher Street.

Denn seitdem erinnern wir uns mit unterschiedlichen Veranstaltungsformaten in den Sommermonaten daran, entweder in Anspielung auf den Geburtsort der Bewegung als „Christopher-Street-Day“ oder auf den damals auf immer mehr Lippen laut gewordenen Schlachtruf „Gay Pride“ und erneuern alljährlich unsere Forderungen nach Akzeptanz und Gleichstellung und nach dem Ende von Diskriminierung und Ausgrenzung.

Foto: CSD Hanau

Da passt es, dass in diesem Jahr im GAB-Verbreitungsgebiet gleich an zwei neuen Orten CSDs stattfinden. Dabei ist der „CSD Mittelhessen“ zwar ein alter Bekannter, aber findet er nach langer Pause in diesem Jahr mal wieder in Marburg statt. Zuvor war das Event einige Jahre in Wetzlar und in Gießen zuhause.

Nagelneu ist dagegen der Hanauer CSD. Die Idee dazu gab es jedoch schon seit dem Jahr 2000. Wie gut sie aufgenommen wurde, zeigen der große positive Zuspruch und die zahlreichen Unterstützungsbekundungen. Dem Osten des Rhein-Main Gebietes schwant also Buntes ...

Harte Fakten

Braucht es im Jahr 2019 überhaupt noch neue Christopher-Street-Veranstaltungen?

Immerhin rennen wir von einer lesbischen oder schwulen Hochzeit zur nächsten und sogar die Ampeln an der Frankfurter Konstablerwache zeigen an, dass hier auch gleichgeschlechtlich-händchenhaltendes Überqueren akzeptiert ist.

Doch 313 Menschen haben hierzu möglicherweise eine andere Meinung. Denn so viele waren im letzten Jahr nach Angaben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat von „homo- bzw. transphob motivierten Straftaten“ im Themenfeld „Sexuelle Orientierung/Hasskriminalität“ betroffen.

Von ihnen wurden 91 sogar Opfer einer Gewalttat.

Im Jahr 2017 waren ebenfalls 313 Menschen Betroffene von Straftaten gegen LGBT*IQ. Darunter 74 Gewalttaten – als eine signifikante Steigerung seit letztem Jahr.

„Die Dunkelziffer von homophoben und trans*phoben Straften ist extrem hoch“, kommentiert die Bundestagsabgeordnete Ulle Schauws die Zahlen aus dem Innenministerium, die sie als Antwort auf ihre schriftliche Anfrage erhielt.

Foto: Stefan Kaminski

Einige Betroffene trauten sich nicht nach Übergriffen überhaupt eine Anzeige zu erstatten. „Die Diskrepanz in der Erfassung der Straftaten zwischen den Bundesländern variiert. Berlin ist beispielsweise das einzige Bundesland, das überhaupt explizit die Zahlen der homo- und transphoben Straftaten in der Kriminalitätsstatistik veröffentlicht.“

So berichtet das Antigewalt-Projekt Maneo im Jahr 2017 allein aus Berlin 324 Übergriffe.

Es fehle eine Präventionsstrategie im Sinne eines bundesweiten Aktionsplans mit konkreten Maßnahmen, sagt Schauws.

Wo ein Wille ist, ist ein Weg

Dabei kann Politik handeln – wenn sie will.

So wurde bekannt, dass der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn noch in diesem Jahr ein Verbot der sogenannten „Konversionstherapien“ durch „Homo-Heiler“ anstrebt.

Eine gesetzliche Regelung scheint geboten, denn der Bund Freier evangelischer Gemeinden hat gerade erst im letzten Dezember eine sogenannte „Orientierungshilfe“ heraus gegeben, in der er Lesben und Schwulen rät, „auf die Praktizierung dieser Prägung zu verzichten und sexuell enthaltsam zu leben“. Außerdem legt er Homosexuellen nahe, sich einer Therapie zu unterziehen.

Wer sich also fragt, wofür sie*er in diesem Sommer noch bei einem CSD auf die Straße gehen soll – es gibt mehr Themen, als uns lieb sein kann.

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