KI-Razzia gegen Twitter-Nutzer: „Anzeige ist raus!“

In der Branche für Erwachsenenunterhaltung geht zur Zeit die Angst um. Eine Staats-KI der Landesmedienanstalt in NRW hat es offenbar auf die Twitter-Profile von Darstellern und Produzenten abgesehen. Unsere Gastautoren Tim und Julian warnen.

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Eine KI namens KIVI

In der Pornoszene passiert gerade etwas ganz Großes. Es scheint so, als würde die von der Landesmedienanstalt in Nordrhein-Westfalen eingesetzte Künstliche Intelligenz „KIVI“, das VI steht für „vigilare“, das lateinische Wort für „überwachen“, tatsächlich erste Wirkung zeigen und jetzt besonders unter Twitter-Nutzern und Pornoproduzenten Angst und Schrecken verbreiten. Ein künstlicher Automatismus, welcher unermüdlich nach strafbewährtem Inhalt das gesamte deutschsprachige Netz (geplant ist diese KI auch in andere Länder zu verkaufen und einzusetzen) durchforstet ist ja eigentlich erst einmal positiv zu bewerten, schließlich sind unsere ganzen Behörden überfordert mit dem Aufkommen von Straftaten insgesamt.

Keine Verwarnung, der Rechtsstaat schlägt zu

Doch hier und jetzt geht es uns Pornoproduzenten und sich selbst darstellenden Erotik-Modellen an den Kragen. Etliche Berichte häufen sich, dass Twitter Emails an Nutzer versendet, deren Inhalt brisant darstellt, das u.a. Polizeibehörden auf dem betreffenden Account des Nutzers Inhalte gefunden haben, welche in Deutschland verboten seien. Dies ist quasi die Vorabinfo für jeden Twitter-Nutzer der solch eine Email in den letzten Tagen erhalten hat. Andere hatten nicht das „Glück“ vorab daraufhin gewiesen worden zu sein. Hier flatterten gleich Schreiben mit Aufforderung sich schriftlich zu einer begangenen Straftat zu äußern in den Briefkasten. Man ist Beschuldigter, weil man vermeintlich gegen den §184 StGB, Verbreitung von pornografischen Schriften (Erzeug.) verstoßen habe. Mindestens jetzt ist man besser beraten einen spezialisierten Strafrechtsanwalt zu konsultieren, um so zu erreichen Akteneinsicht zu bekommen und somit auf dem gleichen Stand der Ermittlungen zu sein, wie die Staatsanwaltschaft und die Polizei. Verstößt man gegen den o.g. Paragraphen generell, hat man also zunächst pornografisches Material veröffentlicht und NICHT sichergestellt, dass Minderjährige darauf nicht zugreifen können. Der Jugendschutz wurde also nicht gewahrt.

Kein Jugendschutz durch Plattformbetreiber

Dies betrifft in unserer Pornoblase ja nun eigentlich – fast alle und jeden – weltweit! Denn wie vorher auf tumblr kann man seit jeher auf dem Kurznachrichtendienst „Twitter“ ja ungehemmt pornografische Bilder und Videos hochladen. Diese können zwar als sensibel markiert und auch können Accounts privat geschaltet werden, dies zerstört dann leider die Reichweite somit den Nutzen, wenn man nebenher eben mit Erotik Geld verdienen möchte, aber viel interessanter ist, dass diese Einstellungen gerade für Minderjährige keine Hürde darstellen.

Kurzum – die Landesmedienanstalten NRW, mit ihrem Direktor Tobias Schmid dürften zumindest erfreut sein, dass nun sehr viele Menschen aus der Pornobranche in Deutschland aus Angst vor drohenden Polizeiermittlungen und Gerichtsverfahren ihre Accounts gänzlich löschen oder aufhören Inhalte zu produzieren und zu verbreiten.

Auch wir, Tim und Julian – ein reisendes, schwules Pärchen aus Berlin - mit unserem eigenen Pornoprojekt sind betroffen. Unser Twitter-Account wurde Gegenstand von Ermittlungen. Ein eingeschalteter Anwalt hat sich der Sache angenommen und wir sind gespannt bald Einzelheiten zu den Ermittlungen zu erfahren. Auch wir haben zunächst all unsere Socialmedia-Kanäle angepasst und können zumindest für unsere Subscriber Entwarnung geben. Wenn Erwachsene sanfte Pornografie konsumieren / anschauen, ist dies natürlich nicht strafbar.

Angst haben wir nicht!

Wir verstehen wie wichtig generell der Schutz Minderjähriger betreffend dieser Thematik ist. Und auch Unwissenheit schützt nicht vor Konsequenzen. Jedoch möchten wir begreifen, warum z.B. Twitter nicht einfach, aufgrund des hohen Aufkommens von Pornografie auf ihrer Plattform Möglichkeiten für einen geschützten Raum und Altersverifikationen, eben für sensible Profile von Sexarbeiter*innen und Porno produzierenden Menschen, anbietet. Wie kommt es nunmehr dazu, dass sofort die „Anzeige ist raus“-Taktik angewendet wird und alle greifbaren Twitter-Nutzer auch tatsächlich belangt werden.

Die Suche nach legalen Lösungen

Foto: Jonathan Raa / NurPhoto / AFP

Wie können wir Erotik-Darsteller*innen und produzierende rechtssicher und unter Einhaltung aller Vorschriften auch wirklich in der deutschen Erwachsenenunterhaltung existieren, ohne stets mit einem Bein im Gefängnis zu stehen? Nach wie vor steht Deutschland mit dem Pornokonsum immer noch in den Ranglisten sehr weit vorne. Müssen wir deutschen Erzeuger solcher Inhalte nun unserem Heimatland den Rücken kehren, weil es in anderen Ländern vermeintlich leichter erscheint arbeiten zu können?

Dies sind Fragen die sicherlich nicht nur uns alleine umtreiben dürften. Sicher gibt es jetzt Menschen, welche diesen Beitrag lesen und sich denken... „Ja, dann hört doch alle einfach auf Pornoinhalte auf Twitter zu veröffentlichen!“ Die generelle Lösung kann allerdings nicht sein, dass die alleinige Verantwortung auf die Account-Nutzer zukommt, wenn diese sich in vermeintlicher Rechtssicherheit (Twitter schließt uneingeschränktes Hochladen von Pornografie seit jeher nicht aus.) wähnten und es hier auch bei vielen Menschen um die eigene Existenz geht und sie ihre Leistungen bewerben möchten.

*Tim & Julian

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