Litwinschuh, Steinert und der König – #DenkDochMalNach!

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Eines muss man der Erregungsmaschine Facebook und ihren Vasallen von Rechts zugestehen: Spalten können sie wie kaum etwas seit Gorleben und Wackersdorf. Dass dieser Spaltpilz jetzt auch tief in die Community getrieben wird, ist kontraproduktiv. Ein Kommentar.

Fehler sind Fehler und müssen benannt werden

Wenn sich der Geschäftsführer des LSVD Berlin-Brandenburg Jörg Steinert und der geschäftsführende Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld Jörg Litwinschuh mit dem ehemaligen „Breitbart"-Autoren und der „Alt Right“-Bewegung nahe stehenden, homophilen US-Botschafter Richard Grenell ablichten lassen, dann kann das als eine nicht hinzunehmende Verharmlosung oder schlimmer noch, eine stillschweigende Zustimmung zu dessen politischer Agenda wahrgenommen werden. Besonders, wenn es im Rahmen queerer Institutionen wie dem Lesbisch-Schwulen Stadtfest Schöneberg oder dem Berliner CSD passiert. Die Aufregung der politisierten Szeneteile war und ist richtig,

Über die Form könnten einige Akteure angesichts des Engagements beider Herren trotzdem nachdenken, denn Vernichtungswille sollte für Queer-Aktivisten niemals eine Triebfeder sein. So etwas widerspricht in meinem Verständnis jeglicher politischer Debattenkultur, die fruchtbare demokratische Entscheidungsprozesse fördern soll. Shitstorms wie der an der Facebook-Pinnwand Litwinschuhs am vergangenen Sonntag werden vom politischen Gegner ebenso dankbar für eigene Zwecke missbraucht, wie der eigentlich auslösende Gegenstand selbst. So wenig nachvollziehbar, wie das für den Einzelnen sein mag, so konkret wird es aber benutzt: „Schaut mal, die können sich doch nicht mal selber leiden ...“, oder „Hass und Hetze können die doch selbst am besten ...“ sind nur einige der Beispiele, die außerhalb der beiden bewegten Filterblasen „rechts und links“ der breiten Masse hängen bleiben.

Etwas mehr Gelassenheit – ohne dabei nachlassend im Widerspruch gegen Missstände zu werden – täte gut.

Kunstfreiheit nicht nur von Rechts bedroht

Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, dass nach der unsäglichen Kampagne gegen Falk Richters Theaterstück „Fear“ inklusive knallhartem gerichtlichem Feldzug der rechtskonservativen christlichen Hardlinerin Gabriele Kuby oder der Diskussion über das (frauenfeindliche) Gedicht an einer Außenwand der Berliner Alice Salomon Hochschule auch eine, wenn nicht DIE Koryphäe schwuler Kunst Ziel eines Angriffs wurde. Nur scheint Ralf König nicht Opfer der üblichen Verdächtigen zu sein, wie im Sommer, als eine seiner Zeichnungen im Rahmen einer katholischen Prozession Ziel verleumderischer, homo- und sexfeindlicher Presseberichte wurde. Jetzt scheinen sich Queeraktivist*innen über die satirische Zeichenkunst des Comiczeichners zu erregen.

Foto: Ralf König

Sein Wandbild in Brüssel wurde mit den Worten „Transphobie“ und „Rassismus“ beschmiert. Mir persönlich fehlt jedes Verständnis dafür, einen Vorreiter des aufklärenden gezeichneten Humors dermaßen falsch verstehen zu können oder zu wollen. Hätten sich die Schmierenden mit dem Werk Königs und seiner stetigen künstlerischen Auseinandersetzung mit Klischees aus Religion, Gesellschaft und Sexualität auseinandergesetzt, hätten sie eventuell auf ihre Aktion verzichtet. Hoffe ich. Oder doch nicht, weil durch die Eingangs beschriebene Zuspitzung fast jeglicher politischer Diskussion gar keine Zeit, kein Wille für gegenseitiges Verständnis mehr übrig ist?

Vielleicht war es aber auch in Brüssel – wie vorher schon in Dahlem – einfach nur zu warm. #DenkDochMalNach!

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