Homo- und transphobe Online-Vorfälle in Berlin mehr als verdoppelt

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Foto: arno

„Der MANEO-Report führt uns immer wieder vor Augen, dass die Regenbogenhauptstadt Berlin auch Schattenseiten hat," so Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) bei der Vorstellung des Berichtes. Die Zahl homo- und transfeindlicher Übergriffe im Internet hat sich in Berlin im Jahr 2020 mehr als verdoppelt. 

„Die pandemiebedingten Rückgänge bei den gewalttätigen Übergriffen werden scheinbar durch Beleidigungen und Bedrohungen online kompensiert", erklärte Behrendt zu Veröffentlichung des MANEO-Reports 2020 am Mittwoch. Demnach gingen die Fallzahlen homo- und transfeindlicher Gewalt in Berlin zwar um 49 Fälle auf insgesamt 510 zurück. Der Anteil der Übergriffe im Netz stieg allerdings von 42 auf insgesamt 106 Fälle. Dabei handelte es sich sowohl um Beleidigungen als auch Nötigungen und Bedrohungen. Das Antigewaltprojekt sieht diese Entwicklung insbesondere im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Lockdown verhindert Gewalt?

Die Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum führten laut MANEO ebenfalls zu einem leichten Rückgang von physischer homo- und transfeindlicher Gewalt. Gut 120 Fälle verzeichnete die Organisation im Jahr 2020, häufigste Tatorte waren dabei öffentliche Straßen und Verkehrsmittel. Viele Taten ereigneten sich trotz Corona-Einschränkungen am hellichten Tag und in aller Öffentlichkeit, kritisierte MANEO.

Auch im sozialen Nahbereich stellte die Organisation eine Zunahme fest. 16 Prozent der Fälle ereigneten sich demnach im Wohnumfeld oder der Familie, im Jahr 2019 lag der Anteil bei zwölf Prozent. Auch diese Zunahme  könnte mit sozialer Enge und Isolation im Rahmen der Corona-Pandemie zusammenhängen, erklärte MANEO.

Polizei verzeichnet höchste Zahl seit Aufzeichnungsbeginn

Im Jahr 2020 wurden laut Kriminalitätsstatistik für Berlin insgesamt 372 Fälle antiqeerer Straftaten gezählt, im Vorjahr wurden insgesamt 349 Fälle registriert. Die aktuelle Fallzahl ist laut polizeilichen Ansprechpartner*innen für LGBTIQ* somit die höchste, die seit der Auswertung unter dem Aspekt „politisch motivierte Taten gegen die sexuelle Orientierung“ registriert wurde. Die Polizei weist aber darauf hin, dass die Höhe der statistisch erfassten Fallzahlen von verschiedenen Faktoren abhänge, darunter das tatsächliche Fallaufkommen, aber auch die Anzeigebereitschaft durch Geschädigte und Zeug*innen sowie das Erkennen und Bewerten von Straftaten als politisch motivierte Kriminalität bei der polizeilichen Bearbeitung.

Der in den vergangenen Jahren verzeichnete Anstieg der Fallzahlen wird vor diesem Hintergrund positiv bewertet und die Gründe weniger in einer tatsächlichen Steigerung der Kriminalität vermutet, als in einer Verbesserung der Anzeigebereitschaft und der verbesserten Wahrnehmung der spezifischen Tätermotivation durch Polizistinnen und Polizisten.


MANEO – DAS SCHWULE ANTI-GEWALT-PROJEKT IN BERLIN ist das älteste und erfahrenste Projekt seiner Art in Deutschland. MANEO engagiert sich seit 31 Jahren schwerpunktmäßig in vier Tätigkeitsfeldern (Kernbereiche): Opferhilfe: schwule und männlich-bisexuelle Jugendliche und erwachsene Männer, die Opfer von Gewaltstraftaten und Diskriminierung wurden (z.B. homophobe Gewalttaten, häusliche Gewalt, sexuelle Übergriffe oder andere Formen von Gewalt wie Raub, Diebstahl, etc.) werden beraten und unterstützt. Erfassung von Gewalttaten: schwulenfeindliche und LSBT*-feindliche Gewalttaten werden in Berlin erfasst und ausgewertet. Gewaltprävention und Öffentlichkeitsarbeit: die Öffentlichkeit wird über Homophobie und Hassgewalt informiert, die Szenen auf Gefahren hingewiesen, Multiplikatoren mit Informationen und Gesprächen vernetzt und mobilisiert. Engagement und Empowerment: bürgerschaftliches Engagement wird bestärkt, ehrenamtliche Mitarbeiter geworben und Spenden gesammelt. Zu den weiteren Aufgabenbereichen zählen Vernetzung – auf der Berliner Landesebene, der Bundesebene und international – sowie Ressourcensicherung, d.h. Qualitätsmanagement und Finanzierung.

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