Umstrittene Predigt jetzt Fall für Antidiskriminierungsstelle?

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Am 27. Dezember hielt Stefan Oster, Bischof von Passau, im Passauer Stephansdom eine Predigt zum Fest der Heiligen Familie, die für heftige Debatten eine eine Welle an Entrüstung gesorgt hatte. 

„Ist die klassische Familie heute noch das Normale?“

In seiner Predigt „Ist die klassische Familie heute noch das Normale?“ widmet sich Oster „der Sache mit dem Normalen und der Norm“, wie er sagt. 

So polarisierend der Titel auch ist, im Grundsatz geht es Oster darum, jenen Gläubigen, die ein traditionelles Familienbild vertreten und sich deshalb im politischen Diskurs schnell in eine Ecke gestellt sehen, Verständnis entgegenzubringen und Mut zuzusprechen. Das darf sein – Bischof Oster kommt seiner Rolle als Seelsorger nach, der seinen Schäfchen Orientierung zu geben versucht. Dass er hierfür das von einer ominösen „Gender-Bewegung“ beeinflusste Familienbild „dem klassischen und vor allem noch religiös geprägten Bild von der ach so heiligen Familie“ gegenüberstellt, kommt wie eine Reihe weiterer Aussagen des Bischofs äußerst tendenziös daher.

Um nicht Gefahr zu laufen, Bischof Oster verkehrt zu zitieren, haben wir uns entschieden, jene für die queere Community besonders verstörenden Passagen der Predigt im Wortlaut wiederzugeben: 

Intersexualität 

„Und dort, wo es tatsächlich so genannte Intersexualität gibt, dort hat die Natur die Variante eines Menschen hervorgebracht, dem etwas fehlt, nämlich die klare Zugehörigkeit zu einem der beiden Geschlechter. Und damit fehlt so einem Menschen fast immer auch die Fähigkeit sich fortzupflanzen. All das liegt wohl einfach daran, dass auch unsere Schöpfung nicht vorhersehbar fehlerlos wirkt.

Und so kommt es vor, dass Menschen geboren werden, die einen Mangel leiden, etwa wenn jemand blind geboren wird oder mit einem Herzfehler, oder mit einer anderen Beeinträchtigung.“

Transsexualität

„Ich habe noch von keinem Fall gehört, dass durch Operation oder Hormontherapien, wirklich eine ganze Umwandlung des Geschlechtes stattgefunden hätte. Also so, dass vormals eine biologisch weibliche Person, die eine Gebärmutter hat und Eizellen produziert hat, nun ein Mann würde, der nun Samenzellen produziert – und umgekehrt.

Das heißt, auch eine äußere Angleichung an das neue, gewünschte Geschlecht, etwa durch Operation wird im Grunde immer mit der Schwierigkeit belegt bleiben, dass das nie vollständig gelingen kann. Was das dann aber für die Ausgangsfrage – Bin ich richtig in meinem Körper? – bleibend bedeutet, das kann ich bestenfalls erahnen.“ 

Homosexualität

„Menschen finden sich in dieser Neigung und haben sie normalerweise nicht gewählt. Und dennoch sagt die Kirche auch, dass nicht die Neigung selbst, aber das Ausleben dieser Neigung im sexuellen Akt nicht richtig ist, dass es Sünde ist.

Ich kenne aber auch Menschen, die obgleich sie homosexuell empfinden, in sich spüren, dass die Kirche mit ihrer Lehre trotzdem recht hat. Sie spüren, dass bei diesem Akt für sie etwas nicht passt. Und sie bemühen sich deshalb um ein Leben in Enthaltsamkeit – und gleichzeitig um die intensive geistliche Verbindung mit Christus. Auch davor habe ich tiefen Respekt und halte es für richtig. Aber zugleich sehe ich, dass andere Homosexuelle so etwas weder verstehen können, noch wollen; oder sie fühlen sich mit der Forderung der Lehre schlicht überfordert.

Kritik vom LSVD und Opferrolle von Oster

Bischof Osters Aussagen haben für heftige Debatten gesorgt, nicht nur bei queeren Organisationen. Selbst das Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland, katholisch.de, berichtete zwar zurückhaltend, doch sichtlich irritiert, dass Stefan Oster Intersexualität für eine „Beeinträchtigung“ halte. Mehrere Organisationen kritisierten Osters Aussagen zu Homo-, Inter- und Transsexualität scharf.

Der Lesben- und Schwulenverband in Bayern (LSVD) schrieb, die Formulierungen seien ausgrenzend, herabwürdigend und menschenfeindlich. In einem offenen Brief forderte er Bischof Oster zu einer Stellungnahme auf, woraufhin dieser auf seiner Webseite einen offenen Antwortbrief veröffentlichte. Im Brief mit dem Titel „Ein Offener Brief, der verkürzt – und meine offene Antwort darauf“ monierte Oster, er sei bewusst verkürzt und damit letztlich falsch zitiert worden. Nachfolgend entschuldigte er sich für die Kränkung, die seine Worte hinterlassen haben, und erklärte, an einer sachlichen Auseinandersetzung interessiert zu sein. Oster entschuldigte sich allerdings nicht für den Inhalt seiner Predigt, sondern für die Art, wie er die Inhalte vorgebracht hat. 

Kommentar: Was für ein Gott ist der römisch-katholische?

Foto: Rufus46 / CC BY-SA 3.0 / wikimedia.org

Wir haben uns gefragt, auf welchen Gott sich Bischof Oster in seinen Aussagen bezieht. Welcher Gott würde derart unbedacht sprechen und damit wissentlich Teile der Gesellschaft, insbesondere jene, auf die seine Worte abheben, zutiefst kränken? Welcher Gott würde Richtigstellungen brauchen, weil er sich der Kraft seiner Worte nicht bewusst ist? Nur ein Gott, der instrumentalisiert wurde, von Kirchen wie der römisch-katholischen. Wie sollen Gläubige offen und annehmend sein, wenn ihr Seelsorger darüber sinniert, was der Normalität entspricht und was nicht.

Jene, die ihr katholisches Menschenbild bedroht sehen, seien daran erinnert, dass dieses Menschenbild nicht von einem Gott stammt. Es ist ein von der RKK gemachtes Menschenbild. Folgerichtig sind für ein menschengemachtes Menschenbild menschliche Institutionen und Gesetze zuständig: 

Der Verein Equality Oberpfalz e.V. leitete die Predigt des Passauer Bischofs an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes weiter, um die Aussagen des Bischofs auf Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) prüfen zu lassen.

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